Warum das Fintech Solaris kämpfen muss

In einer Serie-F-Finanzierungsrunde sammelte das Start-up Ende März 96 Millionen Euro ein. Was auf den ersten Blick nach einem großen Erfolg klingt, lässt sich auch ganz anders deuten. Und es droht bereits die nächste Hiobsbotschaft.  

Lange galt Solaris als die Sonne am deutschen Fintech-Himmel. Im Hype um Start-ups konnte der Banking-as-a-Service-Anbieter lange stark wachsen und immer neue Fintechs für sein Angebot begeistern. Es könnte bis heute eine deutsche Erfolgsgeschichte sein. Die Betonung liegt auf: könnte. Denn zuletzt geriet das Start-up immer häufiger mit Rückschlägen in die Schlagzeilen und sogar ins Visier der Bafin. Vergangenes Jahr rügte die Aufsichtsbehörde Mängel in der Geschäftsorganisation und Geldwäscheprävention und ordnete Maßnahmen zur Behebung an. Anfang März dann folgte eine Geldstrafe von der Bafin in Höhe von 6,5 Millionen Euro, weil Solaris im Jahr 2021 Meldungen des Verdachts auf Geldwäsche zu spät weitergegeben hatte. Und auch geschäftlich lief es alles andere als gut. Für 2022 musste das Start-Up einen Jahresfehlbetrag von 55 Millionen Euro verbuchen. 

Umso mehr Hoffnungen setzte Solaris auf den Deal mit dem ADAC, dessen Kreditkartengeschäft mit 1,3 Millionen Kunden von der Landesbank Berlin (LBB) zu übernehmen. Das Geschäft bot die Aussicht, sich aus der Abwärtsspirale zu befreien, dazu noch einen prestigeträchtigen Kunden und dicke Umsätze zu gewinnen. Weil dafür das Geld fehlte, wurde unter Bestandsinvestoren bis Ende März 96 Millionen Euro an neuem Kapital und einer Finanzgarantie von bis zu 100 Millionen klargemacht. So kann Solaris nun das Kreditkartengeschäft des ADAC absichern. 

Und ja, wenn man Carsten Höltkemeyer zuhört, sieht die Finanzierung natürlich als Befreiungsschlag. Der CEO der Solaris sagte angesichts der Runde, dieses Jahr markiere ein „neues Kapitel” für Solaris. Man wolle sich nun auf die Optimierung des Produktangebots konzentrieren und „regulatorische Compliance zu unserem Alleinstellungsmerkmal machen.” Die Finanzierung sei ein “wichtiger Meilenstein für Solaris auf unserem Weg zu nachhaltigem, profitablem Wachstum”. Und ja, die Series-F Finanzierungsrunde sorgte für ein positives Medienecho. Der allgemeinen Lesart nach könnte diese Finanzierung der Wendepunkt nach den drei Jahren voller Pannen, Geldbußen und Verlusten sein. Doch ist das wirklich so – oder sagt die Finanzierungsrunde in Wahrheit etwas ganz anderes aus? 

Doch ein genauerer Blick trübt die Sicht auf den Deal. Denn den Weg zum nachhaltigen, profitablem Wachstum geht Solaris schon seit einigen Jahren. Seit seiner Gründung 2016 kann die Fintech-Bank auf zahlreiche Finanzierungen zurückblicken. Nach einem Seed-Funding über 12,2 Millionen Euro folgten zwischen 2017 und 2020 Series-A, B- und C-Runden mit über 140 Millionen Euro. Und es ging weiter: 2021 gaben Investoren in einer Series-D-Finanzierungsrunde weitere 190 Millionen, die die Bank überwiegend für den Kauf des britischen Wettbewerbers Contis verwendete. 2022 war dann wieder eine Finanzspritze über 40 Millionen und 2023 über 38 Millionen fällig. Damit war man bei Series-F angelangt. Und leider immer noch nicht profitabel.

Im Start-Up Jargon bedeutet Series-F ein nachgelagertes Investment. „Späte Finanzierungsrunden sind nicht per se ein schlechtes Zeichen“, sagt Tina Dreimann, Gründerin und Geschäftsführerin von „better ventures”, einem Netzwerk für impactgetriebene Unternehmerinnen und Unternehmer. Bei kapitalintensiven Start-ups wie im Biotech- oder Deeptech-Bereich seien diese oft notwendig. In anderen Sektoren hänge das vor allem vom Geschäftsmodell ab. Wenn das fehle, seien Series-F-Finanzierungen kritisch zu betrachten.

Die aktuelle Finanzierungsrunde von Solaris kann auch deshalb aus beiden Perspektiven betrachtet werden. Zum einen kann niemand bestreiten, dass sich die Bank spätestens seit dem schlechten Jahresergebnissen in einer Krise befindet. Dass der ADAC-Deal aufgrund von fehlendem Eigenkapital fast geplatzt wäre, offenbarte die finanziellen Schwächen der Bank. Die andauernden Querelen mit der Bafin tun ihr Übriges. Andererseits könnte der ADAC-Deal das Fintech wieder in die schwarzen Zahlen bringen. 

Über allem jedoch schwebt die Frage: Ist das Geschäft tragfähig, wenn es immer wieder zusätzliche Finanzierungen benötigt, um zu funktionieren? Und kann es langfristig tragen? In VC-Kreisen heißt es, Solaris habe ein strategisches Problem. Einst war Solaris die Bank der Wahl für aufsteigende Start-ups und Fintechs. Doch mittlerweile sind viele aus ihren Kinderschuhen herausgewachsen und haben bei anderen Banken Anschluss gefunden – wie jüngst die Neobank Vivid, die hunderttausende Konten über eine eigene Banklizenz betreut. Solaris deswegen zunehmend verwehrt, richtig Geld mit den Scale-ups zu verdienen. Gleichzeitig werden nur wenig neue Start-ups gegründet, weswegen Solaris ihre Kernkundschaft wegbricht. 

Die Fintech-Bank muss also ein neues Geschäftsmodell finden und tut sich damit schwer. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob Solaris sein Kerngeschäft im Griff hat. Eine neue Hiobsbotschaft lässt daran immerhin zweifeln: Das Fintech Finom teilte laut dem Finanzblog FinanceForward seinen Werbekunden gerade mit, dass es ab sofort Neukunden über eigene Setups statt wie bisher über die Systeme von Solaris aufnehmen werde. Dafür hatte sich das Geschäftskonten-Fintech sogar eine eigene Banklizenz besorgt. Grund für die Abkehr waren Verzögerungen beim Onboarding von Neukunden von Finom bei Solaris. 

Eine offizielle Trennung von Solaris kündigte Finom indes nicht an. Laut FinanceForward versuche man bei Solaris dies jetzt unbedingt zu verhindern. Finom als Kunden zu verlieren würde einen schweren Schlag für die Fintech-Bank bedeuten und die durch die Finanzierungsrunden neu-gewonnene Zuversicht zunichtemachen. Und als wäre all das nicht genug, ist Solaris dann auch noch im Rennen um die Bezalkarte für Geflüchtete rausgeflogen – in Runde 1. Fragt sich nur, ob Solaris den Strom an schlechten Nachrichten abstellen kann. Falls nicht, könnte die Geduld der Investoren bald zu Ende sein. Eine Series-G-Runde kann keiner wollen. 

Autor

  • Lukas Homrich ist freier Journalist und Mitarbeiter des dreimaldrei Journalistenbüros. Er schreibt über Wirtschafts- und Finanzthemen. Besonders Spaß macht es ihm, über Geschäftsmodelle zu philosophieren.

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