Warum Banken bei Nachhaltigkeit die Augen verdrehen

Banken und Nachhaltigkeit: Katerstimmung im Finanzsektor

Es gab eine Zeit, da witterten Geldhäuser beim Thema Nachhaltigkeit das ganz große Geschäft und eine Möglichkeit, die Wirtschaft zu transformieren. Doch nun herrscht in der Branche vor allem Eines: Katerstimmung.

Vergangene Woche ploppte sie wieder einmal auf, die Meldung, dass doch eine beträchtliche Anzahl an Privathaushalten bereit sei, auf nachhaltige Geldanlagen zu setzen. So war es die staatliche Förderbank KfW, die mitteilte, dass das immerhin bei 44 Prozent der Privathaushalte der Fall sei. Die Zahlen hat die KfW gleich selbst erhoben. Und sie klingen ja auch gut. 

Denn Nachhaltigkeit ist nach wie vor ein absolutes Trendthema. Und wer Menschen fragt, ob sie grundsätzlich auch nachhaltig Geld anlegen würden, erhält dafür gerne mal ein „Ja“. Dennoch will das Thema dann nicht so richtig zünden: Die Realwirtschaft ist genervt von neuen Vorgaben und Fragebögen, die Banken ihnen stellen, bevor sie einen Kredit geben. Die Finanzbranche selbst stöhnt auch unter der Regulierung. Und Privatkund:innen oder vor allem NGOs stellen dann fest, dass in einem Nachhaltigkeitsfonds doch ganz viele Unternehmen drin stecken, die für sie eigentlich gar nicht nachhaltig sind. Begeisterung löst das Stichwort „Nachhaltigkeit“ daher aktuell oftmals nicht aus. 

Das beobachtet auch Christian Klein, Mitglied der deutschen Wissenschaftsplattform für Sustainable Finance. „Anfangs sind alle mit Euphorie losgezogen, um die Welt zu retten“, sagt der Professor für Sustainable Finance an der Universität Kassel. Doch inzwischen befinde sich die Branche im Kater nach der großen Party. „Die Stimmung ist schlecht.“

Klimawandel schreitet weiter voran

Die Gründe dafür sind laut Klein vielseitig. Einer betrifft aber vor allem die Einstellung, die viele lange Zeit zu Nachhaltigkeit hatten. „Wir müssen uns klar machen, dass es etwas kostet, die Welt zu retten. Das merken inzwischen auch Banken und Unternehmen“, sagt Klein. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass es aufwändiger und damit teurer bei Fonds ist, nachhaltige Unternehmen zu finden. Zudem profitierten zuletzt kurzfristig Titel von nicht-nachhaltigen Firmen, etwa von Ölkonzernen oder Rüstungsgüterherstellern. Beides gilt nicht als nachhaltig. Und auch wer nachhaltige Kredite vergeben möchte, muss Firmen aufwändig prüfen. Denn ließe sich die Welt laut Klein retten – und dabei auch noch etwas verdienen – dann wäre das schon längst geschehen. 

Ein weiterer Grund laut Klein: „Aktuell treiben Wirtschaft, Gesellschaft und natürlich auch die Finanzwelt andere Themen um, der Krieg in der Ukraine zum Beispiel, der Krieg in Israel/Palästina und die Inflation. Das Problem sei dabei nur: „Der Klimawandel interessiert sich zum Beispiel nicht dafür, dass gerade Krieg herrscht.“

Für viel Kopfschmerz sorgt inzwischen auch die Flut an Regulierungen. Ein Fonds zum Beispiel, der sich gemäß der EU-Offenlegungsverordnung als nachhaltig bezeichnen möchte, muss zum Beispiel zahlreiche Vorgaben erfüllen. Für einen konventionellen Fonds gilt das nicht im gleichen Umfang. Nachhaltigkeit ist also kompliziert geworden in diesen Tagen. Das trifft auch Banken und Sparkassen. „Die Erhebung und Erfassung von ESG-Daten ist eine große Herausforderung für Finanzinstitute und Unternehmen“, teilt zum Beispiel der Sparkassenverband (DSGV) auf Anfrage von Payment&Banking mit. Das betreffe vor allem die Finanzierung des Mittelstands, der oft noch nicht über die notwendigen Daten zur Erfassung von Treibhausgasemissionen verfügt. 

Eine Regulatorik mit Tücken

Schwierig wird es auch, wenn es darum geht, Kund:innen zu Nachhaltigkeit zu beraten. „Leider hat der EU-Gesetzgeber sehr praxisferne Vorgaben aufgestellt“, so der DSGV. Wie diese Gespräche ablaufen sollen, regelt Mifid II: Zunächst müssen Anlageberater:innen Kund:innen erklären, was nachhaltige Geldanlagen sind. Dann kommen sie nicht darum herum, die EU-Taxonomie und die EU-Offenlegungsverordnung zu erklären. Zudem müssen sie aufklären, was „Nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“ sind. 

Das bedeutet, dass selbst Kund:innen, die nachhaltig Geld anlegen wollen, sich lange Zeit mit ihrem Bankberater zusammensetzen müssen. Und wenn sie damit durch sind, und zum Beispiel eine hohe Nachhaltigkeitsquote gemäß der EU-Taxonomie für einen Fonds wünschen, muss der Berater ihnen mitteilen, dass das so aktuell noch nicht geht. Das liegt unter anderem daran, dass die EU-Taxonomie nur Umweltaspekte umfasst und dass viele Firmen hier gemäß dieses Regelwerks noch nicht nachhaltig unterwegs sind. Auch müssen nur Unternehmen aus der EU die Daten erheben, die die Finanzindustrie braucht, um sie zum Beispiel in einen Fonds zu packen, der eine hohe Taxonomiequote zum Ziel hat.

Für die Bankenbranche gibt es dennoch eine ganze Reihe an Maßnahmen, die sie unternehmen könnte, wenn sie tatsächlich auf Nachhaltigkeit setzen möchte. Schließlich behaupten das immer noch viele Institute von sich. Auch der DSGV sieht diese Rolle für sich: „Die Sparkassen spielen eine zentrale Rolle bei der Transformation der deutschen Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz“, teilt der zum Beispiel mit. Das liege schon allein an der regionalen Verankerung und dem engen Austausch zwischen Unternehmenskunden, Kommunen, Privatkund:innen und Sparkassen. 

Banken könnten mehr tun

Auch Klein sieht Hebel, die Banken haben – aber noch nicht konsequent nutzen. Bei der Vergabe von Krediten, Nachhaltigkeitsrisiken zu berücksichtigen, gehört laut ihm zur Pflicht. Auch die Bundesfinanzaufsicht (Bafin) hat das so ähnlich bereits so formuliert. Zum Beispiel könnten Extremwetterereignisse sich auf Kredite beaufsichtigter Unternehmen auswirken, so die Bafin. 

Doch gibt es da eben auch den freiwilligen Teil. Banken „sollten mehr Kunden:innen darüber aufklären, was mit nachhaltigen Geldanlagen möglich ist – und welche Wirkung es haben kann, in Transformation zu investieren“, so Klein. In Sachen Kundenberatung sieht er bei den Geldhäusern Nachholbedarf. Banken müssten also viel mehr das Gespräch mit ihren privaten sowie Unternehmenskunden suchen. Dazu müssen sie ihre Berater:innen entsprechend schulen. In der Theorie sollte das alles schon längst so passieren. Doch zeigen bereits erste Erhebungen von NGOs, dass Bankberater:innen ihre Kund:innen nicht vernünftig über Nachhaltigkeit aufklären würden. In der Praxis scheint es also nicht gut zu funktionieren. Zur Aufklärung gehört dann auch zu erklären, wie wichtig es ist, die Transformation mit Investitionen zu fördern. Nur in bereits grüne Unternehmen zu investieren oder sie zu finanzieren, kann nämlich nicht ausreichen. Mit dem Hebel des Geldes sollen Firmen, die aktuell nicht nachhaltig sind, grüner werden. Und um das Geld zu mobilisieren braucht es sensibilisierte Bankmitarbeiter:innen. 

Und dann geht es noch um die Produkte, die derzeit Kund:innen angeboten werden. „Unsere Forschung zeigt: Kund:innen wollen gezielt die Möglichkeit bekommen, nachhaltig zu investieren“, so Klein. Und genau da gibt es ein großes Missverständnis. Laut Klein verbinden Privatanleger:innen mit Nachhaltigkeit viel eher den Impact-Gedanken. Sie denken also, dass sie mit einem nachhaltigen Fonds in Windräder investieren. Viele große Nachhaltigkeitsfonds beachten aber lediglich Nachhaltigekriterien in Form einer Risikoanalyse und investieren dann zum Beispiel in große Tech-Unternehmen. Das entspricht nicht den Vorstellungen der Privatanleger:innen – und es ist auch ein Grund, warum NGOs immer häufiger Greenwashing anprangern, etwa bei der DWS oder auch ganz allgemein bei als nachhaltig beworbenen Fonds.  

Zumindest für Unternehmenskunden gibt es inzwischen mehr Produkte. Das können etwa Green-Bonds sein oder Kredite, die an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft sind (Sustainability-linked Loans). Bei einer schlechten Nachhaltigkeitsperformance steigen in so einem Fall dann die Zinsen. So belief sich die Summe nachhaltiger Anleihe- und Kreditgeschäfte in den ersten fünf Monaten des Jahres weltweit auf 650 Milliarden US-Dollar, wie der Green-Bonds-Report des schwedischen Geldhauses Skandinaviska Enskilda Banken zeigt. 

Auch bei den Sparkassen wird an Produkten gebastelt. Herausgekommen ist etwa der S-Transformationskredit, den nun einige Häuser anbieten. Den Kredit gibt es für kleinere und mittlere Unternehmen. Mittelständler können ihn beantragen, wenn ihr Finanzierungsziel mit einem Kriterium aus der EU-Taxonomie, oder den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen (SDGs) in Einklang zu bringen ist. Das klingt erstmal kompliziert, allerdings leiten die Sparkassen aus den SDGs und der EU-Taxonomie 170 Verwendungszwecke ab.

Das könnte Dich auch interessieren:

Autor

  • Jan Schulte ist freier Journalist und Mitgründer des dreimaldrei Journalistenbüros. Er schreibt unter anderem für den Tagesspiegel Background Sustainable Finance, die ZEIT und die WirtschaftsWoche. An der Finanzbranche fasziniert ihn, dass inzwischen jeder angeblich Nachhaltigkeit schon immer in seiner DNA stehen hatte.

Weitere interessante Beiträge

  • Das waren die zehn wichtigsten Krypto-News im Dezember 

    Das waren die zehn wichtigsten Krypto-News im Dezember 

    Trump, SEC und die Genobanken: Sie alle haben den Krypto-Space in den vergangenen Tagen geprägt. Was dahinter steckte und was…

  • Wie Exporo Impact Investing fördern will 

    Wie Exporo Impact Investing fördern will 

    Die Firma will Investitionen in erneuerbare Energien einfacher machen. Im Podcast spricht Chef Simon Brunke über Herausforderungen bei dieser Mission.

  • Wie der ePerso die finanzielle Inklusion fördern – oder behindern kann

    Wie der ePerso die finanzielle Inklusion fördern – oder behindern kann

    Der ePerso revolutioniert die Identifizierung: Sparkassen nutzen ihn nun eigenständig. Doch wie wirkt sich das auf die finanzielle Inklusion aus?…

Newsletter
open close

Der beste Newsletter ever.

Wir versorgen dich täglich mit News, ausgewählten Artikeln und Kommentaren zu aktuellen Themen, die die Finanz-Branche bewegen. Jetzt anmelden!