Banken und Fintechs nehmen es mit diesen Themen leider nicht so genau. Schade. Dabei hätten sie tatsächlich Geld verdienen können.
Wir beginnen mit einem Zaubertrick: Banken präsentieren sich stolz als divers, innovativ, am Puls der Gesellschaft. Sie verweisen auf ihre ESG-Daten und geben an, Diversität groß zu schreiben. Doch dann: Die versteckte Karte im Ärmel ist sichtbar, der Trick aufgeflogen. Denn schauen wir genauer hin, dann stellen wir allzu oft fest, dass der Glanz des ESG-Labels an der Oberfläche endet. In der Realität verbergen sich darunter Investitionen in umweltschädliche Industrien, menschenverachtende Geschäftspraktiken und eine erschreckende Ignoranz gegenüber den eigenen Ansprüchen. ESG-Richtlinien, Diversitätsbekundungen und Nachhaltigkeitsstrategien lösen sich allesamt auf und es stellt sich die Frage: Wie ernst nehmen Banken ihre Versprechen wirklich?
ESG als bröckelnde Fassade
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Beispielsweise flossen zwischen 2015 und 2020 rund 95 Milliarden US-Dollar von europäischen Banken in die Plastikindustrie – eine Branche, die weltweit als Umweltkatastrophe bekannt ist. Wenn man bedenkt, dass die Plastikindustrie jährlich ein Volumen von einer Billion US-Dollar erreicht, machen diese 95 Milliarden etwa 9,5 Prozent des globalen Finanzierungsvolumens aus. Europäische Banken spielen also eine bedeutende Rolle und auch Deutschland kommt nicht gut weg. Zwei große Deutsche Banken sind mit je 8,6 Milliarden US-Dollar und 1,9 Milliarden US-Dollar in diese Branche investiert und pumpen damit signifikante Summen in eine der umweltschädlichsten Industrien der Welt.
Jetzt ist Plastik per se nicht schlecht und immer zu verteufeln, könntet ihr einwenden wollen. Und grundsätzlich stimmt das. Plastik ist heute noch in vielen medizinischen Bereichen kaum wegzudenken. Sicherlich werden wir in den nächsten CSRD-Berichten viel darüber lesen, dass Banken in Deutschland und Europa nur in gutes Plastik investieren. Gutes Plastik: Kennt ihr, ne?
Auch andere Industrien werden von der hiesigen Industrie gepampert. Laut Facing Finance investieren Banken weiterhin signifikante Summen in Unternehmen, die in der Kohleindustrie, im Ölsektor oder in der Förderung von Erdgas tätig sind. Diese Sektoren stehen im Widerspruch zu den ESG-Versprechen vieler Institute.
Diversity: Hehre Ziele, aber ein Fundament so löchrig wie ein Schweizer Käse
Ähnlich verhält es sich mit dem Thema Diversity. Es wird gerne über die Bedeutung eines diversen Arbeitsumfeldes gesprochen und Banken stellen Diversity-Richtlinien auf, um zu demonstrieren, wie ernst sie das Thema nehmen. Doch die Realität sieht oft so aus: Der Bankensektor ist immer noch eine Männerdomäne, insbesondere in Führungspositionen. Untersuchungen wie der Bericht von Facing Finance oder meine Kolumne zu „Frauen und Führungspositionen“ (ich hab jetzt so viele Kolumnen, dass ich mich selbst zitieren kann) zeichnen ein düsteres Bild: Diversität in Führungsriegen ist eine Seltenheit. Insgesamt scheint in deutschen Banken das „S” in „ESG” sehr weit interpretiert: Mitarbeitendennetzwerke und Malteser Social Days müssen reichen.
Menschenrechte können damit jedenfalls nicht gemeint sein. Denn der Dirty Profits 9 Report wirft auch ein Licht auf Arbeitsbedingungen. Viele der von Banken unterstützten Unternehmen sind in Menschenrechtsverletzungen verwickelt, etwa durch die Ausbeutung von Arbeitskräften, schlechte Arbeitsbedingungen oder die Missachtung indigener Rechte.
Ein besonders schockierendes Beispiel ist die massive Unterstützung der Banken für den fossilen Energiesektor. Europäische Banken, darunter prominente Namen, die wir auch in Deutschland kennen, investierten allein zwischen 2016 und 2020 12,9 Milliarden Euro in Kohle-, Öl- und Gasunternehmen. Dies mag im Vergleich zu den 3,8 Billionen US-Dollar, die weltweit in fossile Brennstoffe flossen, klein erscheinen (nur 0,34 Prozent), aber es zeigt die fortwährende Unterstützung schädlicher Industrien trotz anderslautender ESG-Versprechen. Solche Investitionen tragen massiv zur Zerstörung von Ökosystemen und zur Missachtung indigener Rechte bei, besonders in Regionen wie dem Amazonas. Banken finanzieren hier zum Beispiel große Bergbauunternehmen.
Die doppelte Täuschung: von der Gesellschaft und den eigenen Idealen
Das ist auch gerade deshalb problematisch, weil im Gegenzug viele Banken nur vage Angaben zu ihren Investitionen machen, wenn es um ESG-Ziele oder Transparenz geht. Da nämlich wird ihnen klar: Sie bleiben hinter ihrem eigenen Anspruch zurück und verkaufen einen vermeintlichen Fortschritt im ESG- und Diversity-Bereich, entziehen sich aber gleichzeitig ihrer gesellschaftlichen Verantwortung.
Und das ist riskant: Jedes Investment in umweltschädigende und menschenrechtsverletzende Unternehmen ist ein Schritt zurück – nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Glaubwürdigkeit des Bankensektors.
Lösungen: Keine leeren Versprechen, sondern echte Veränderungen
Es reicht nicht, einfach ESG-Labels und Diversity-Werte in Pressemitteilungen und auf Websites zu packen – Banken müssen ernst machen! Hier sind einige Ansätze:
- Echte Transparenz: Banken sollten genau darlegen, in welche Unternehmen und Projekte sie investieren. ESG-Standards müssen überprüfbar und nicht manipulierbar sein. Was nützt ein ESG-Versprechen, ein grünes Siegel oder angeblicher Nachhaltigkeits-Score, wenn am Ende niemand kontrolliert, ob es eingehalten wird?
- Verbindliche Richtlinien: ESG darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Banken müssen verbindliche Richtlinien aufstellen, wie sie ihre Investitionen und ihre Unternehmensführung an den Werten von Nachhaltigkeit und Diversität ausrichten. Mitgestalten und Vorgehen ist die Devise.
- Mehr Diversität in Führungsebenen: Diversität darf nicht an der gläsernen Decke scheitern. Banken müssen aktiv Maßnahmen ergreifen, um mehr Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte und andere marginalisierte Gruppen in Führungspositionen zu bringen. Eine diverse Führung ist keine Option, sondern ein Muss für die Zukunftsfähigkeit des Sektors.
Fazit: Die schöne Fassade muss solide werden
Der Bankensektor steht an einem Scheideweg. Entweder bleibt er bei einer schönen Fassade, die bei genauerem Hinsehen bröckelt, oder er nutzt die Chance, seine Versprechen in die Tat umzusetzen und eine echte Vorreiterrolle in Sachen ESG und Diversity einzunehmen.