Eigentlich ist der digitale Euro eine gute Idee, doch wie genau er sich umsetzen lässt, ist höchst umstritten. Die Volksbanken erklären nun ausführlich, was alles nicht geht. 

Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) für ihren digitalen Euro in Deutschland einen Endgegner sucht, dann hat sie den womöglich im Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) gefunden. Über 76 Seiten erstreckt sich eine Studie, die der BVR in Auftrag gegeben hat und die bisherigen Umsetzungsvorschläge einem „Praxischeck“ unterziehen soll. 

Zu komplex, kaum Mehrwert für Kundinnen und Kunden sowie für den Handel – und irgendwie auch zu teuer, lässt sich das Urteil zusammenfassen, dass der Verband aus dieser Studie zieht. Überraschend ist das nicht: Der BVR galt auch vorher schon nicht gerade als großer Freund des digitalen Euro. Und Kritik an dem EZB-Vorhaben ist durchaus verbreitet.

Doch der Verband bemüht sich um konstruktives Feedback: „Wir setzen uns für einen digitalen Euro ein, der Verbrauchern und Unternehmen erkennbare Mehrwerte bietet“, macht BVR-Vorstandsmitglied Tanja Müller-Ziegler deutlich. Die Studie lege aber offen, „dass die bisherigen Vorschläge des Eurosystems und der EU-Kommission, eine staatlich betriebene Parallelwelt zum bestehenden und bewährten privatwirtschaftlichen Zahlungsverkehrssystem zu schaffen, der falsche Weg sind“.  

Digitaler Euro soll EZB die Macht erhalten

So listen die Autoren Hugo Godschalk, Geschäftsführer von PaySys Consultancy, sowie die Professoren Malte Krüger von der Technischen Hochschule Aschaffenburg und Franz Seitz von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden auf, woran der digitale Euro in der konkreten Umsetzung scheitern dürfte – und auch, worin sich EU-Kommission und EZB gerade noch widersprechen. 

Die Idee für einen digitalen Euro reifte immer mehr, als Kryptowährungen auf den Markt drängten – und Facebook 2019 ankündigte, mit Libra ein eigenes Zahlungsmittel auf den Weg zu bringen. Die Befürchtung, die in Zentralbanken dadurch zunahm: Immer mehr Macht und Kontrolle und damit auch Gestaltungsspielraum in der Währungspolitik zu verlieren. Eine Währung, die es auch digital gibt, scheint damit nur sinnvoll – erst recht, wenn auch immer mehr Verbraucher:innen digital und nicht mehr mit Bargeld zahlen. 

Der Plan ist ein großer: Der digitale Euro soll daher neben Bargeld ein gesetzliches Zahlungsmittel sein. Er soll für jedermann verfügbar sein. Der Handel müsste ihn etwa akzeptieren. Bezahlt werden soll mit Hilfe einer App auf dem Smartphone, online wie offline. Gelingen soll das mit einer Wallet, die sich mit dem Girokonto verknüpfen lässt – ähnlich wie bei Paypal. Auch soll man sich untereinander Geld zuschicken können. Wer möchte, soll sich die Wallet auch mit bis zu 4000 Euro auffüllen können. Zinsen gibt es aber keine. Für Konsument:innen wäre all das kostenfrei, die Finanzierung soll über eine nach oben beschränkte Händlergebühr erfolgen sowie über Gebühren, die zwischen Zahlungsdienstleistern anfallen, denn die sollen noch immer zwischengeschaltet sein.

Kritik an den aktuellen Umsetzungsideen zum digitalen Euro kommt auch von Jochen Siegert. Der Payment-and-Banking-Gesellschafter war Teil einer externen Beratergruppe, welche die EZB in strategischen Fragen zum digitalen Euro beraten hat. „Was aktuell in Planung ist, ist ein Produkt mit den Anforderungen an ein heutiges Zahlverfahren, das kaum einen wirklichen Mehrwert gegenüber bereits etablierten Zahlverfahren bietet“, sagt er. „Dabei muss die teuer und umfangreich aufgebaute neue Infrastruktur, bis sie live geht, die Anforderungen an zukünftige Zahlverfahren der 2030er Jahre erfüllen und sich dann im Wettbewerb stellen.” 

Nutzen des digitalen Euro fraglich

„In einem Währungsraum, in dem es bereits eine breite Palette an Zahlungsmöglichkeiten gibt, ist es schwer, eine neue Lösung zu etablieren – vor allem dann, wenn es keine offensichtlichen Lücken im Mix der Zahlungssysteme gibt“, kritisieren auch die drei Autoren der BVR-Studie in ihrem Fazit. „Der digitale Euro in der bislang angedachten Ausgestaltung wäre eher ein Konkurrenzprodukt für existierende bargeldlose Zahlungsarten und weniger ein innovativer Ersatz für das herkömmliche Zentralbankprodukt Bargeld, dessen Nutzung derzeit rückläufig ist“, so Krüger von der Technischen Hochschule Aschaffenburg.

Die Bundesbank sieht hingegen eine „breite Akzeptanz in der Bevölkerung“. Das ermittelte sie in diesem Sommer über eine Umfrage. So könnte sich die Hälfte der Befragten grundsätzlich vorstellen, den digitalen Euro zu nutzen – wobei aber die Mehrheit noch nie etwas vom digitalen Euro, geschweige denn dessen Funktionsweise, gehört hatte. Siegert schätzt, dass der digitale Euro als Zahlungsmittel ohne wirkliche Kundenmehrwerte vielleicht auf einen Marktanteil von zwei bis fünf Prozent kommen könnte, wie man bereits an Paydirekt/Giropay gesehen hat.

Interessant könnte der digitale Euro hingegen für den Handel sein. Der stöhnt regelmäßig über zu hohe Kosten, die ihm zum Beispiel durch Kartenzahlungen seiner Kund:innen entstehen. Tatsächlich sind die Payment-Kosten für den Handel laut Siegert aber bereits durch die Interchange-Regulierung deutlich gesunken. Selbst wenn Kund:innen zum Bezahlen auch vermehrt auf den digitalen Euro setzten, sei die Luft für weitere massive Kosteneinsparungen im Zahlungsverkehr bereits sehr dünn. „Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass der Handel davon deutlich profitieren wird“, meint Siegert. „Für eine weitere Kostensenkung im Handel wäre eine vergleichsweise einfache Regulierung der Scheme-Fees in Europa, wie wir es schon von der Interchange kennen, jedenfalls einfacher und schneller umsetzbar.“

Ein Vorteil des digitalen Euro könnte laut den Autoren der BVR-Studie hingegen sein, dass er im gesamten Euroraum einsetzbar wäre, so könnte er zumindest nationale Verfahren ausstechen. Im Konkurrenzkampf gegen internationale Systeme sehen sie hingegen keine Chancen. Eine solche Reichweite werde der digitale Euro auf absehbare Zeit nicht erreichen, schreiben sie.

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