In einem Streit zwischen den Kartennetzwerken und einer Gruppe von Händlern in den USA haben sich Konfliktparteien nun geeinigt. Das Ergebnis zeigt, wie ungleich die Machtverhältnisse liegen.
In den USA haben Visa und Mastercard sich in einem 20 Jahre dauernden Rechtsstreit mit Händlern auf eine Abmachung geeignet. Die Einigung folgt auf eine Sammelklage verschiedener US-Händler gegen die Netzwerke wegen angeblich zu hoher Interbankenentgelte und kartellmäßigen Preisabsprachen Der Deal soll beinhalten, dass Händler nun niedrigere Gebühren für Zahlungen mit Kreditkarten zahlen müssen. Der Vergleich muss noch von einem Gericht bestätigt werden und soll Ende 2026 oder Anfang 2027 in Kraft treten.
Konkret sollen die Interbankenentgelte über die nächsten fünf Jahre um durchschnittlich 0,1 Prozent gesenkt werden – eine effektive Gebührenobergrenze. Außerdem sollen die Händler nun eine zusätzliche Gebühr auf Zahlungen mit Kreditkarten erheben können und besonders teure Karten ablehnen dürfen. Außerdem: Mastercard und Visa müssen kein Fehlverhalten zugeben. Zudem würde eine solche Einigung die Zahlungsnetzwerke vor zukünftigen Sammelklagen schützen. „Wir sind der Überzeugung, dass dies die beste Lösung für alle Beteiligten ist, da sie die Klarheit, Flexibilität und den Verbraucherschutz bietet, die von allen Parteien angestrebt werden”, teilt Mastercard auf Anfrage mit. „Kleinere Händler werden dank mehr Akzeptanzmöglichkeiten, geringerer Kosten und vereinfachter Regeln von dieser Einigung profitieren.”
Es könnte ein vergleichsweise stilles Ende eines langen und erbitterten Streits zwischen Händlern und den Kreditkartennetzwerken sein. Die Auseinandersetzung begann 2005, als Händler Visa und Mastercard vorwarfen, mit ihren Gebührenmodellen gegen Wettbewerbsrecht zu verstoßen. Die Netzwerke würden durch hohe Gebühren ihre marktbeherrschende Stellung sichern oder sogar ausbauen.
Zwar profitieren die Netzwerke nicht direkt von den sogenannten Interbankenentgelten, sie legen deren Höhe aber fest. Diese Entgelte werden bei jeder Kartenzahlung von der Bank des Händlers an die Bank des Karteninhabers gezahlt und letztlich an die Händler weitergereicht. Kritiker sagen: Je höher diese Gebühr, desto größer der Anreiz für Banken, Karten über genau diese Netzwerke auszugeben. So entstehe ein Wettbewerb nach oben, ein „Race to the Top“, bei dem sich die Gebühren immer weiter erhöhen.
Bonusprogramme gefährdet?
Derzeit sind Interbankenentgelte in den USA lediglich bei Debitkarten limitiert. Die sind jedoch verglichen mit Europa auch weniger dominant. 2024 zahlten Konsumenten über ein Drittel ihrer Einkäufe in den USA mit einer Kreditkarte und besitzen aktuell durchschnittlich über sieben Kreditkarten – auch wenn diese Zahl in den vergangenen Jahren sank und sie nur etwa die Hälfte davon aktiv nutzen. Ein Grund für diese Zahlen sind Belohnungsprogramme in Form von Cashbacks, Punkteprogrammen, Rabatten oder Leistungsprämien wie Flugmeilen – finanziert werden sie indirekt über die Gebühren der Händler.
Eine Senkung von 0,1 Prozent dürfte das System wohl kaum gefährden. Trotzdem zeichnen sich für Bonusprogramme einige Nachteile ab: Durch die neuen Möglichkeiten der Händler, zusätzliche Gebühren zu erheben, könnten für Konsumenten neue Kosten entstehen, wenn sie mit einer Kreditkarte bezahlen. Auch die Möglichkeit, Premium-Kreditkarten abzulehnen, ein Bruch mit der Regel, dass Händler entweder keine oder alle Karten von Netzwerken akzeptieren müssen („Honor all Cards”-Regel), könnte den Belohnungsprogrammen schaden.
Doch ein Ende der Programme scheint unwahrscheinlich, auch weil unklar ist, ob die Händler überhaupt von ihren neuen Werkzeugen Gebrauch machen. Die möglichen Kosten der Maßnahmen lassen daran zumindest Zweifel aufkommen. Händler dürften befürchten, durch zusätzliche Gebühren und Einschnitte bei den Zahlungsmöglichkeiten Kund:innen zu verlieren. Außerdem können sie nicht einzelne Karten, sondern nur ganze Kategorien ablehnen, die die Netzwerke selbst einteilen können.
Jetzt könnten andere Gebühren steigen
Entsprechend sind andere Händler mit der Einigung gar nicht zufrieden. Aus Sicht von deren Verbänden verschiebt der Vergleich den Fokus der Kritik nun vom Mechanismus der Preisfindung der Gebühren auf deren Höhe. Die Einigung gehe nicht „gegen die Preisabsprachen von Visa und Mastercard” vor, teilt etwa der Interessenverband Merchants Payments Coalition (MPC) mit. Laut dem Händlerverband National Retail Federation (NFS) gehen die Eingeständnisse von Visa und Mastercard außerdem nicht weit genug. Demnach lägen die Interbankenentgelte 2024 bei 2,35 Prozent – eine Senkung um 0,1 Prozent drehe die Steigerungen lediglich um ein Jahr zurück, so die NFS. Der Kampf scheint damit also noch längst nicht beendet.
Hinzu kommt eine weitere Sorge: Händler befürchten, dass Visa und Mastercard die Gebühren auf anderem Wege wieder erhöhen könnten. Neben den Interbankenentgelten gibt es nämlich auch sogenannte Scheme Fees – System- oder Netzwerkgebühren, die direkt an die Kartennetzwerke fließen. Nachdem in der EU 2015 eine Obergrenze bei den Interbankenentgelten eingeführt wurde, beschweren sich Händler seit einigen Jahren, dass diese nun rasant steigen. Etwas Ähnliches fürchten nun auch Händler in den USA: „Die im Vergleich vorgeschlagene minimale Senkung der Bankgebühren könnte es Visa und Mastercard dennoch ermöglichen, ihre eigenen Gebühren ohne Einschränkungen zu erhöhen“, teilte MPC mit. „Alle vermeintlichen Einsparungen für Händler und Verbraucher könnten durch eine Erhöhung der Gebühren durch Visa und Mastercard leicht zunichtegemacht werden.“
Der Königsweg für die Händler ist aber der „Credit Card Competition Act”. Das Gesetz soll große Banken dazu verpflichten, ihren Kund:innen mindestens ein weiteres Zahlungsnetzwerk neben Visa und Mastercard anzubieten, damit sie den Wettbewerb ankurbeln und die Interbankenentgelte verringern. Zunächst fand der Vorschlag mit dem Vizepräsidenten J.D. Vance vor seiner Wahl einen mächtigen Unterstützer. Seit einer spektakulären Anhörung im Senat steckt das Gesetz jedoch fest. Ein Grund: Vance äußerte sich dazu nicht mehr und ist laut Politico, das sich auf zwei Lobbyisten bezieht, von dem Vorhaben abgerückt. Der Einfluss der Kartennetzwerke scheint also ungebrochen.








