Visa & Mastercard – Schweizer Händler fordern Schadenersatz 

„Visa und Mastercard werden von Schweizer Unternehmen wegen Kartengebühren verklagt“

Gebührenstreit mit Sprengkraft: Schweizer Händler ziehen gegen Visa und Mastercard vor Gericht – und stellen das ganze System infrage

Manche Dinge sind im eidgenössischen Nachbarstaat ganz anders als in Deutschland oder der EU. Da wäre die berühmt-berüchtigte Verschwiegenheit der Schweizer Banken oder natürlich die Währung, der Franken, der weltweit als sicherer Hafen in unruhigen Zeiten gilt. Doch manche Dinge sind dann wieder recht ähnlich zum restlichen Europa. So etwa der ewig währende Streit zwischen Zahlungsnetzwerken und Händlern über Kartengebühren, der seit einiger Zeit vor der EU-Kommission ausgetragen wird. Dieser hat nun auch die Schweiz erreicht.

Mit einer Sammelklage wollen über 35 eidgenössische Unternehmen wie die Supermarktkette Coop, der Reiseveranstalter TUI Suisse und Dertour Suisse sowie weitere Unternehmen wie Fluggesellschaften im Verband für einen fairen und freien Wettbewerb im Zahlungsverkehr (VWZ) gegen Visa und Mastercard vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich vorgehen. Mehr noch: Sie fordern Schadensersatz in Höhe von umgerechnet 152 Millionen Euro. Die Kläger argumentieren, sie hätten über drei Jahre Interchange Fees, also überhöhte Interbankenentgelte gezahlt, obwohl diese gegen Kartellrecht verstießen. Interbankenentgelte werden von den Zahlungsnetzwerken festgelegt, aber von den Zahlungsdienstleistern der Händler an die Kartenherausgeber, also die Banken, gezahlt. Letztlich werden diese Kosten an die Händler weitergegeben. In der EU sind die Gebühren seit 2015 auf 0,2 Prozent bei Debitkarten und 0,3 Prozent bei Kreditkarten begrenzt. 

Nicht nur Debitkarten im Visier

In der Schweiz zahlten Händler 0,12 bis 2,05 Prozent an Interchange Fees pro Transaktion. 2023 habe die Finanzindustrie mit den Gebühren so bei Debit- und Kreditkarten 3,5 Milliarden schweizer Franken erzielt. Das Besondere: Für die Kläger geht es um das gesamte System der Interchange Gebühren. Denn sie fechten nicht bloß die Gebühren bei Debitkarten an, wie aus ihrer Erklärung hervorgeht. 

Der Verband hält die Gebühren vielmehr grundsätzlich für ungerechtfertigt. Idealerweise sollten sie seiner Meinung nach bei null Euro liegen. Ihrer Meinung nach sind die Gebühren wettbewerbswidrig, da sie einseitig von Visa und Mastercard festgelegt werden, ohne dass Banken oder Händlerbanken sie verhandeln können. Denn aus Sicht des VWZ decken sie weder echte Kosten noch konkrete Leistungen der Banken ab. Rütteln ausgerechnet die Eidgenossen damit am etablierten Interchange-System? 

Visa wehrt sich gegen die Vorwürfe

Bei Visa jedenfalls sind sie über Klage naturgemäß nicht glücklich. Auf Anfrage von Payment & Banking heißt es: „Wir halten die Klage für gegenstandslos und werden uns dagegen verteidigen”. Interchange-Gebühren seien von der Schweizer Wettbewerbskommission (Weko) anerkannt. Zudem widerspricht Visa der Sicht, dass die Gebühren durch keinerlei echte Leistungen begründet seien: „Sie sind notwendig für Zahlungsinnovationen und um Kunden vor Betrug zu schützen.” Außerdem verweist man darauf, dass die Interchange nicht in die eigenen Taschen fließt: „Visa erhält keinen Anteil an der Interchange.” Mastercard gab auf Nachfrage an, dass keine Klage zugestellt wurde, weswegen man sich nicht zu den Vorwürfen äußern könne.

Die Schweizer Wettbewerbskommission (Weko) hat schon vor zwanzig Jahren eine Obergrenzen für Interchange Fees (Gebühren bei Kartenzahlungen) festgelegt. Visa und Mastercard durften unter bestimmten Bedingungen 20 Rappen pro Transaktion an Gebühren für Debitkarten verlangen – solange ihr Marktanteil unter 15 Prozent blieb. 2017 wurde diese Regel verlängert und eine Widerrufsfrist von fünf Jahren eingesetzt, die 2022 ablief. Bis zu diesem Datum, also für drei Jahre, fordern die Kläger rückwirkend Schadensersatz. Zudem wurde die Grenze beim Marktanteil 2022 von Mastercard überschritten, worauf das Netzwerk in Verhandlungen mit der Weko ging. 

Übergangslösung wackelt

Mastercard einigte sich 2024 mit der Weko auf neue Gebührenregelungen: 0,12 Prozent pro Transaktion und 30 Rappen ab 300 Franken – gültig bis 2033. Visa wollte dagegen höhere Gebühren (mindestens 0,2 Prozent) auf dem EU-Niveau beibehalten und senkte seine Gebühren auf dieses Niveau. Das habe laut Visa die Kosten der Schweizer Händler um potentiell mehr als vier Millionen Franken jährlich gesenkt. 

Auch Visa überschritt die von der Weko festgelegte Grenze beim Marktanteil, in diesem Fall im ersten Quartal 2023. Eine endgültige Einigung mit der Weko steht noch aus. 

Inzwischen landete die Übergangslösung aber vor dem Bundesverwaltungsgericht und dann dem Schweizer Bundesgericht. Visa wollte seine Übergangslösung rechtlich absichern, während man mit der Weko in Verhandlungen stand. Laut Visas Argumentation habe man einen wirtschaftlichen Nachteil, “sofern ohne Beteiligung von Visa am Markt Fakten geschaffen oder langfristig nicht tragbare Interchange-Fees vereinbart würden”. Weitere Senkungen möchte Visa vermeiden, da diese faktisch irreversibel seien, so das Unternehmen. 

Streit könnte trotz Einigung vor Gericht kommen  

Das sahen die Bundesrichter anders, vor allem, weil höhere Gebühren einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern bedeuteten, da die Interchange Fees an kartenausgebenden Banken fließen und damit einen Anreiz für höhere Gebühren setzten. Nun laufen die Gespräche weiter. Die rechtliche Zulässigkeit der aktuellen Interchanges von Visa sind also nicht abschließend geklärt. „Wir befinden uns in sehr weit fortgeschrittenen Verhandlungen und sind zuversichtlich, bald eine einvernehmliche Lösung zu erreichen”, teilte Visa mit. Für andere Bereiche – wie grenzüberschreitende Zahlungen oder Online-Transaktionen (Card not Present) – fehlen bisher Vereinbarungen.

Der Streit in der Schweiz könnte ein Vorgeschmack auf ähnliche Konflikte in der EU sein. Dort hatte die Kommission vor kurzem Auskunft von Marktteilnehmern bezüglich ihrer Betroffenheit und Haltung gegenüber den aktuellen Interbankenentgelten angefragt. Eine Entscheidung dürfte hier jedoch mehr Gewicht haben, denn anders als in der Schweiz sind Entscheidungen der EU-Kommission als Wettbewerbsbehörde rechtlich bindend. Schon Ende Vergangenen Jahres hatte die Kommission Fragen an Händler zu den Gebühren der Zahlungsnetzwerke geschickt. Auch wenn die Ergebnisse unklar blieben, sahen die Wettbewerbshüter Anlass zu weiteren Befragungen. Die Antworten waren bis zum 2. Juni fällig.  

Autor

  • Lukas Homrich ist freier Journalist und Mitarbeiter des dreimaldrei Journalistenbüros. Er schreibt über Wirtschafts- und Finanzthemen. Besonders Spaß macht es ihm, über Geschäftsmodelle zu philosophieren.

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