Umsätze deutscher Ident-Fintechs im Vergleich

Ein Bericht der Süddeutschen Zeitung über Verimi, einem Ident-Joint-Venture der Konzerne Deutsche Bank, Allianz, Lufthansa, Springer, Samsung, Giesecke & Devrient, VR-Banken und Bundesdruckerei hat für Aufsehen gesorgt. Verimi hat, laut des letzten veröffentlichten Jahresabschlusses, einen kumulierten Cash-Burn in Höhe von knapp €100Mio. angehäuft bei einem vergleichsweise geringen Jahresumsatz von nur €147.000. Dieser starke Cash-Burn bei sehr überschaubarem Umsatz wurde in Social Media äußerst kontrovers diskutiert. Gründe für das nie abgehobene Geschäftsmodell wurden viele „identifiziert“. Zu viele Köche am Produkt, kein unternehmerisches Set-up der Company, kein Product-Market-Fit, zu viele Managementwechsel, falsches Timing…. die Gründe scheinen vielfältig.

Wie schlagen sich denn diese Peers von Verimi so?

Verimi, 2017 gegründet, ist ja nicht das einzige Ident-Fintech am deutschen Markt. Bekannt sind auch das 2014 gegründete IDnow oder das 2012 gegründete Fintech WebID-Solutions. Wie schlagen sich denn diese Peers von Verimi so? Bevor jetzt sofort ein Veto kommt: Jaaaa, Ident ist nicht gleich Ident. Wie Payment nicht gleich Payment ist und jeder sich unter Banking auch etwas anderes vorstellt. In unserem, immer noch sehr hörenswerten Podcast mit dem Verimi-Geschäftsführer zeigte sich schon im Jahr 2018, ein Jahr nach Start von Verimi, ein gravierender Unterschied zum Wettbewerb. Im Podcast wurde Verimi als Lösung für das Problem der Anmeldung von Hundesteuer und den Hauskauf auf Mallorca skizziert. Diese beiden Fälle zeigten damals schon, dass das Verimi-Geschäftsmodell digitaler Identitäten zwar ein Problem lösen kann, aber dieses so ganz offensichtlich keines der Masse darstellt. Wie viele Deutsche kaufen in ihrem Leben schon eine Immobilie auf der Mittelmeerinsel? Die Anmeldung zur Hundesteuer ist stark abhängig von der Lebenserwartung des Vierbeiners, sie fällt bestenfalls einmal in einer Dekade an.

WebID und IDnow fokussierten sich, anders als Verimi, nicht auf eher selten genutzte Anwendungsfälle, sondern auf Massenanwendungen. Sie identifizierten Kunden im KYC (Know Your Customer) Prozess, der grundsätzlich bei der Eröffnung von Finanzprodukten notwendig ist. Ein Anwendungsfall, der sowohl von wachsenden Fintechs als auch etablierten Finanzinstituten, in hoher Frequenz stark nachgefragt wurde und wird.
Nun ist der notwendige Beweis eines Product-Market-Fits und Geschäftsmodells jedem einzelnen Start-up bzw. dessen Management und Aufsichtsrat individuell überlassen. Am Ende werden Firmen aber gegründet, Arbeitsplätze geschaffen, gesichert, sowie Gelder investiert, wenn wirklich ein Geschäftsmodell vorliegt und nachhaltig umgesetzt wird. Es stellt sich also die Frage, warum Verimi nicht erst auf das bewiesene und stark nachgefragte Geschäftsmodell KYC eingeschlagen hat. Damit wäre ein „Grundrauschen“ an Transaktionen und Umsätze möglich. In einem zweiten Schritt aus Kundensicht, im Geschäftsmodell aber parallel, kann man die dann die einmal geschaffene Identität des Endkunden, verbunden mit der bereits installierten App für die weiteren geplanten zusätzlichen Anwendungsfälle einsetzen. Massengeschäft vs. Nische.

Der direkte Vergleich

Wie klein die eingeschlagene Verimi-Nische tatsächlich ist und wie groß der Marktbedarf nach KYC-Identlösungen, zeigt sich im direkten Vergleich der Umsätze von Verimi mit WebID und IDnow. Während Verimi im Jahr 2021, also 4 Jahre nach Gründung nur €147.000 Umsatz pro Jahr generierte, schaffte IDnow im 5. Jahr nach Gründung bereits einen Jahresumsatz von €16 Millionen. Angesichts der hohen zweistelligen jährlichen Ident-Umsätze von WebID/IDnow, die sich von 2019 bis 2021 sogar verdoppelten, stellt sich die Frage, warum Management und Investoren von Verimi nicht weniger komplex, sondern viel pragmatischer unternehmerisch agierten.

Investoren an den öffentlichen Märkten, als auch private Risikokapitalinvestoren legen seit der Zinswende andere, strengere Anforderungen an Unternehmen. Erwirtschaftete Cash-Flows sind viel wichtiger als unbewiesene zukünftige Cash-Flows. Sowohl StartUps als auch gelistete Wachstumsunternehmen schauen viel stärker auf kurzfristige Profitabilität. Ohne einen klaren Pfad zur Profitabilität schafft es derzeit kaum ein Wachstumsunternehmen Risikokapital einzusammeln. Dieser veränderten Realität müssen sich auch Geschäftsführung und Corporate Investoren von Verimi stellen.

UPDATE 20.10.2023

IDNow informierte uns, dass die in der Infografik verwendeten Zahlen die Umsätze der deutschen Business-Unit sind. Der Gesamtumsatz der Gruppe ist laut Aussage von IDnow aufgrund des Auslandsbusiness noch höher. Wie hoch genau, das wollte uns IDnow aber nicht verraten. Unsere Datenquelle ist die öffentlich einsehbaren Bilanz der Münchner IDNow Holding GmbH, vormals IDNow GmbH. Aufgrund des Status einer Holding sind wir von den Gruppenumsätzen ausgegangen. Wir müssen wohl noch ein wenig tiefer in den öffentlich zugänglichen Quellen stöbern. ;)

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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