Nachdem sich Wefox in den vergangenen Wochen ein wenig selbst entzaubert hat, kommt es nach Berichten der SZ nun noch dicker. Das Insurtech sieht sich zum Personalabbau gezwungen.

Der Stellenabbau ist schon ein Zeichen

Wie viele Stellen wegfallen sollen (oder müssen) ist derzeit noch nicht bekannt. Nach Angaben der SZ wird es sich um weniger als 10 Prozent der aktuell 1.400 Arbeitsplätze handeln. Bestätigt wurde die geplante Reduktion zumindest schon einmal. Wenn auch hier lediglich mitgeteilt wurde, dass es sich nicht um Hunderte Jobs handeln würde.

Völlig unabhängig davon, wie viele Personen jetzt exakt betroffen sein werden, ist dieser Schritt ein deutliches Signal. Es setzt sich damit eine Entwicklung fort, über die wir an dieser Stelle schon häufiger berichtet haben. Wie auch bei den Fintechs ist die Geduld von Investoren nicht mehr unerschöpflich. Profitabilität (zumindest aber ein exakter Weg dorthin) ist das Gebot der Stunde.

Und diese schlichte Tatsache trifft jetzt auch auf die bisher durchgängige Erfolgsgeschichte von Wefox zu. Zumal es an gemeldeten Wachstum und Gewinnen Zweifel gibt. Denn im Kern scheint das Geschäft von Wefox insgesamt doch noch defizitär.

Innovative Technik goes doch Tradition

Um den Erfolg seines Unternehmens zu erklären, wurde Julian Teicke in der Vergangenheit nicht müde, die Vorteile von Wefox zu erklären. Zuletzt hieß es einmal mehr, das Insurtech habe einen „unfairen Vorteil“, weil die Traditionsversicherer mit ihren Altbeständen und veralteter Technik („Legacy Tech“) kämpfen müssten.

Da war wieder das Narrativ: Hier die hoffnungslos veralteten Versicherungsunternehmen, in deren Keller Mainframes aus den 70er-Jahren stehen und in den Büros mit Bleistift, Fax und Abakus hantiert wird. Vermutlich ist es schon etwas länger her, dass der Wefox-Chef sich die Strukturen bei einem Versicherer angeschaut hat.

Da diese ganzen Vorteile aber keine Traktion brachten, übernahm man nun einfach andere Vertriebe und schrieb sich deren Provisionen zu. Der Markt zeigte sich dann doch beharrlicher als offenbar vermutet.

Solche Versicherungsbestände sind ein nennenswertes Pfund und für viele freie Vermittler auch ein Teil ihrer Altersvorsorge. Und daher ein probates Mittel, um sich mehr Marktmacht aufzubauen.

Ein funktionierender Bestand in der Versicherungswelt spült sofort Geld in die Kasse. Die Masse und lange Laufzeiten sind hier der Hebel. Auf diesen Mechanismus dürften andere Branchen vermutlich neidisch sein. Denn ein Elektronikhandelsunternehmen kann zwar auch die Kundenbasis eines Mitbewerbers unternehmen. Nur muss es die Kund:innen erst noch davon überzeugen, etwas anders zu kaufen.

Die Übernahmen hätte Wefox vielleicht offensiver kommunizieren sollen. Das passte nur eben nicht zur Story.

Das Rätsel der hohen Zahlen

Bei Wefox ging es vorderhand die vergangenen Jahre nur nach oben. Große Fundings korrespondierten dabei stets mit der Meldung höchst erfreulicher Umsatzzahlen. Die denn leider auch unkritisch von vielen Medien einfach abgeschrieben wurden.

Wer innerhalb der Finanzblase auf Twitter unterwegs ist, stolperte vermutlich über Tweets von Ronald Slabke, dem Chef von Hypoport und ohne Zweifel ein Kenner des Marktes. (Disclaimer: Ronald war mal mein Chef, das ist allerdings 13 Jahre her). Als Wefox 10.000 neue Policen monatlich über die Tochter One verkündete, wirkte Slabke regelrecht verzweifelt:

Schon da fragten erste Follower:innen, ob er echtes Neugeschäft meinte oder Bestandsübertragungen. Das hätte schon Aufhorchen sorgen können.

Was Slabke aber stutzig machte, waren die hohen Umsatzzahlen, die gemeldet wurden.

Und die hatten hier an dieser Stelle bereits einmal Fragen aufgeworfen. Denn bei Wefox gab es stets eine Lücke zwischen den Zahlen und der Wahrnehmung im Markt. Die wenigen deutschen Fachmedien, die sich primär mit der Versicherungswelt beschäftigen, produzieren jährlich Rankings. Und in denen wollen alle Vertriebe und Versicherer auftauchen.

Bei dem medialen Aufsehen, das Wefox erregte, ist kaum vorstellbar, dass die Kollegen in den Redaktionen dort nicht auch angefragt hatten. Problem: Um berücksichtigt zu werden, genügt es eben nicht, einfach nur Zahlen zu verkünden. Man muss diese dann auch belegen. Hier war es um Wefox immer recht still. Und auch Geschäftsberichte sind schwer zu finden.

Somit lässt sich an dieser Stelle – völlig ohne Häme – feststellen, dass Wefox zweifellos ehrgeizige Pläne hat. Nur vielleicht etwas sehr verfrüht den Mund reichlich vollgenommen hat. So hat es sich doch eher klassischen Vertriebsmethoden zugewandt und augenscheinlich viel weniger Bedeutung am Markt, als in der eigenen Wahrnehmung.

Das bedeutet alles nicht, dass die Pläne des Insurtechs scheitern werden. Nur um die erklärte Absicht zu erreichen, in den kommenden sieben Jahren zu einem der größten Player am Markt zu werden, muss dann jetzt auch mal etwas kommen – nicht ganz so traditionell.

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