Das sind die weiblichen Gesichter der Branche –

Jeden Mittwoch beantworten in unserer beliebten Reihe „Gesichter der Branche“ Personen aus der Payment- und Banking-Industrie unseren standardisierten Fragebogen mit jeweils zehn Fragen. Über die Jahre ist hierbei eine Vielzahl interessanter Antworten zusammengekommen.

In dieser Reihe kommen auch viele tolle Frauen der Branche zu Wort, die mit ihren Ideen, Visionen und Weitsicht die Finanzindustrie entscheidend prägen und den Weg hin zu mehr Diversität voranbringen. Heute eine Auswahl ihrer Antworten auf die Frage: Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung so schwer?

„Existierende Strukturen stellen das größte Hemmnis in Sachen Digitalisierung und Innovation dar. Es ist oft schwer, Unterstützung innerhalb der Organisation zu finden, da auf dem Weg zur Digitalisierung in der Praxis oft eigene Geschäftseinheiten kannibalisiert werden müssen.

Zudem erschweren es hohe Umsätze und Gewinne bestehender Geschäftseinheiten, Innovationsprojekte als relevant erscheinen zu lassen, weil deren finanzielles Potenzial in den kommenden zwei bis drei Jahren in aller Regel nicht mit dem des bestehenden Geschäfts vergleichbar ist. Das gleicht dann etwas dem Dilemma der Politik: Was in der aktuellen Legislaturperiode keinen deutlich sichtbaren Nutzen mehr bringt, wird gerne mal verschoben. Trotzdem müssen gerade CEOs aber noch öfter den Mut haben, sich die Frage zu stellen: “How do we disrupt ourselves?” – und es dann auch durchziehen. Denn wenn sie es nicht selbst machen, macht es früher oder später jemand anders.“
Dr. Ella Rabener von BCG Digital Ventures
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„Einerseits liegt es an der Masse an etablierten Prozessen und Systemen, die mit der Zeit gewachsen sind und im Rahmen der Digitalisierung alle nacheinander aufgebrochen, neu aufgestellt und migriert werden müssen. Das erfordert Zeit. Das Kernbankensystem einer 150 Jahre alten Deutschen Bank kann zum Beispiel nicht mit dem einer 5 Jahre alten Challenger Bank verglichen werden.

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Einen Tanker kann man immerhin auch nicht so schnell wenden wie ein Segelboot. Die Digitalisierung großer Unternehmen bei gleichzeitiger Erfüllung geltender regulatorischer Maßgaben und der Mitnahme und Schulung der Mitarbeiter, die zum Teil auch erst an die Digitalisierung herangeführt werden müssen, benötigt große Kapazitäten.

Das führt mich zum zweiten Grund. Meiner Ansicht nach fehlen genau diese Kapazitäten in großen Unternehmen. Die technologischen Abteilungen sind verhältnismäßig nach wie vor zu klein und es fehlt die benötigte Manpower um die Digitalisierung schnell voranzutreiben. Zusätzlich erfordert es mehr technologie-affine Manager, die nicht allein auf Grundlage des unmittelbaren Business-Cases sondern auch basierend auf bedarfsgerechten und zukunftsgerichteten Entwicklungen Entscheidungen treffen.
Pavlina Popova, Director Banking bei Barzahlen/viacash
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„Ich sehe das nicht so schwarz-weiß. Viele Incumbents sind innovativ und stellen sich immer wieder neu auf. In Summe sind es aber häufig strukturelle Nachteile, die etablierte Unternehmen nicht so flexibel oder agil auf Marktverän- reagieren lassen. Der technologische sowie gesellschaftliche Wandel erfolgt mit enormer Geschwindigkeit, gleichzeitig steigen die Ansprüche von Kunden, Mitarbeitern und Partnern.

Klassische Beispiele hierfür sind die komplexen Strukturen großer Unternehmen, die mit dem digitalen Wandel nicht mithalten können. Dazu zählen oft nicht mehr zeitgemäße IT-Landschaften oder Kernbanksysteme, aber häufig auch eine gewisse Trägheit und Risikoaversion. Bei manchen Unternehmen – oder besser Unternehmenskulturen – habe ich das Gefühl, dass es bei der verhaltenen Digitalisierung um die Verteidigung des Status-quo geht. Es wird solange davor gescheut, offensiv voran zu gehen und sich vielleicht sogar mit dem Digitalangebot selbst zu kannibalisieren, dass es irgendwann die Konkurrenz tut. Es wird die Chance vertan, durch selbstbestimmten, frühzeitigen Wandel weiterhin die “Spinne im Netz” zu bleiben und die Wertschöpfung zu kontrollieren.“
Dr. Verena Thaler von Raisin,
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Das liegt an zahlreichen unterschiedlichen ‚Legacy‘-Systemen. Je nach Produkt werden sie
a) nicht aufgegeben, da sie verlässlich funktionieren, aber
b) nie für die Online-Welt gedacht waren und daher nicht übertragbar sind. Oder
c) die Systeme sind nicht optimal miteinander verlinkt.

Sonja Scott von American Express Deutschland
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Etablierte Unternehmen haben meist das Problem, dass sie nicht neu auf der grünen Wiese bauen, sondern bestimmte (technologische) Gegebenheiten vorfinden. Mit diesen dann zu arbeiten bzw. diese in eine digitale Welt zu bringen, ist eine echte Herausforderung. Ganz zu schweigen von der kulturellen Herausforderung, Menschen davon zu überzeugen, dass es manchmal richtig und wichtig ist, Dinge noch mal ganz neu zu denken. Dazu kommt, dass so ein Transformationsprozess lange dauert und oft auch schmerzvoll ist. Den Mut, dies anzugehen und auch wirklich durchzuhalten haben leider nur wenige Manager.
Laura Wirtz von der ING
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„Digital zu werden ist ein erheblicher Change-Prozess für Unternehmen: Er greift an alles Bekannte, jede Aufgabe, jeden Prozess, jede Rolle und jede Verantwortlichkeit an. Die Art des Denkens und der Herangehensweise wird durch die Digitalisierung auf den Kopf gestellt. Hinzu kommt, dass das Ergebnis der Veränderung offen ist. Vielmehr: wohin sich unser digitales Verständnis entwickeln wird, ist offen. Ein weiterer Grund, den man immer wieder beobachtet, ist: Unser Denken ist linear, technologische Entwicklungen verhalten sich eher exponentiell.

Das Thema ist eigentlich ein alter Hut, es scheint aber noch nicht hinreichend vorgedrungen zu sein: Am Anfang wird eine neue Technologie erst einmal schlechter abschneiden als etablierte Mechanismen. Paradoxerweise werden an die Anfangsphase oftmals die höchsten Erwartungen geknüpft, wodurch das Frustrationspotenzial im Team schnell da ist. Die Notwendigkeit, solche Prozesse zu stützen, ist daher umso wichtiger.“
Nicole Wechsung von Pair Finance
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„Wir befinden uns in einem tiefgreifenden Strukturwandel der Finanzindustrie. Kunden verlangen nach einfachen und mobilen Finanzdienstleistungen, die individuell auf sie zugeschnitten sind. Außerdem ändern sich auch die Wünsche und Ansprüche jüngerer Mitarbeiter. Für viele etablierte Unternehmen bedeutet das eine vollständige Veränderung sowohl ihrer Angebote wie auch ihrer Arbeitsweisen. Das was die letzten 20, 30 Jahre noch akzeptabel war, funktioniert so jetzt nicht mehr.

Unter Unsicherheit Risiken einzugehen ist für viele Unternehmen dabei komplett neu. Hinzu kommt noch, dass viele Unternehmen auch noch über eine teure, wenig flexible IT verfügen, die die notwendigen Veränderungen erschwert. finleap entwickelt nachhaltige, kundenzentrierte und technologiegetriebene Lösungen, die mit ihren Produkten den veränderten Marktanforderungen gerecht werden.“
Birte Sewing von Finleap
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„Das ist ganz unterschiedlich und lässt sich nicht zu pauschal sagen. Ein entscheidender Faktor ist aber sicherlich die Fähigkeit, neue Technologien schnell und einfach zu implementieren. Da die Mehrheit der etablierten Unternehmen jedoch über viele Jahre eine sehr heterogene IT- und Prozesslandschaft aufgebaut hat, entsteht an der Stelle ein viel höherer Aufwand.

Oftmals braucht es da den Mut, große Veränderungen voranzutreiben und sich selbst bzw. die „das haben wir schon immer so gemacht“-Mentalität zu hinterfragen. Meiner Meinung nach haben wir besonders im Finanzsektor oftmals noch stereotypische Führungs-persönlichkeiten, die eine solche Kultur der Hinterfragung noch nicht etablieren konnten.“
Delia König von der Solarisbank
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„Weil die Digitalisierung traditioneller Unternehmen und somit bestehender Strukturen vor allem eine Kulturfrage ist. Wenn man ein Unternehmen tatsächlich nachhaltig und nicht über jahrzehnte kleckerweise durch teure Projekte und Berater digitalisieren will, muss man es schaffen, die Unternehmenskultur maßgeblich zu ändern. Erfolgreiche Kultur-veränderungen müssen wiederum vorgelebt werden. Dies braucht schlaue, weltoffene und vor allem unterschiedlich denkende Köpfe, die es schaffen, neue Ideen voranzutreiben sowie harte Entscheidungen mit Transparenz und Empathie auszubalancieren. Viele Etablierte stehen leider noch am Anfang hinsichtlich der Diversität.

Somit fällt auch die Digitalisierung wesentlich schwerer. Ein weißes, klassisch männlich geprägtes Management neigt vielleicht eher dazu Digitalisierung als Kampf gegen alte Produkte, Prozesse und vielleicht sogar Mitarbeitergruppen zu führen und sich folglich Feinde zu schaffen, während ein neues, durchmischtes Management frische Ideen mitbringt und bei der Kommunikation auf die positive Seite der Veränderung für Teams fokussiert ist – somit auf ganz natürliche Art, Kollegen als Verbündete bei der Veränderung mitzunehmen weiß.“
Cornelia Schwertner von Finleap Connect
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„Ich denke Veränderung ist immer schwierig.Viele etablierte Unternehmen sind von festgefahrenen Denkstrukturen geprägt und es besteht wenig Interesse daran neues auszuprobieren oder die Dinge anders zu machen. Es ist schwierig zu akzeptieren, dass Veränderung notwendig ist und man hierfür vielleicht auch die eigene Komfortzone verlassen muss.
Lea Frank von Anybill
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Es geht weniger um die Digitalisierung, sondern vielmehr um die Fähigkeit, sich anzupassen. Viele etablierte Unternehmen haben über Jahrzehnte hinweg ein festgefahrenes und unkritisches Denken aufgebaut. Das macht sie weniger fähig, neugierig oder hungrig zu bleiben und sich weiterzuentwickeln. FinTechs hingegen werden von zukunftsorientierten Menschen geführt, die nicht zufrieden sind mit dem Zweitbesten. Sie verstehen, dass Reibungsverluste durch eine stärkere Nutzung von Technologie vermieden werden können. Wir erfinden das Rad nicht neu, wir treiben Veränderung voran.
Marie Moesgard von Pleo
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„Das hat eine technische, aber auch eine mentale Dimension. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass die bestehenden Legacy-IT-Systeme aufwändig in der Pflege und Weiterentwicklung sind. Für Neues bleiben da nur wenig Ressourcen. Außerdem werden die Anforderungen häufig in aufwändigen Prozessen und Gremiensitzungen diskutiert und priorisiert.

Es hat sich aus meiner Sicht aber bewährt, dass Business, Produkt und IT auf allen Ebenen im ständigen Austausch sind. Ein weiter Aspekt ist die Kultur. Selbstverständlich gibt es auch bei etablierten Playern Mitarbeiter, die Treiber der Digitalisierung sind. Aber sie brauchen längeren Atem und ein hohes Maß an Frustrationstoleranz, damit sich was bewegt.“
Verena Freyer von Lendico
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Ich denke, es liegt hauptsächlich an den konzerneigenen Strukturen. Bevor ein neues digitales Produkt den Kunden angeboten wird, wird es so lange entwickelt und intern getestet, dass die Konkurrenz schon längst auf dem Markt ist. Es fehlt der Mut, auch erst mal nur mit einem MVP rauszugehen und es dann sukzessive den Kundenwünschen anzupassen, wie das viele Fintechs machen. Da nützt es auch nichts, wenn Manager plötzlich Turnschuhe tragen oder im hippen Open Space Office sitzen. Am besten sind noch diejenigen aufgestellt, die mit einem großen Fintech-Partner zusammen neue Produkte entwickeln.
Jessica Holzbach von Penta
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