SPACs: Der Dealer gewinnt, Deutschland verliert

SPACs: Der Dealer gewinnt, Deutschland verliert

Leere Börsenmäntel könnten vollkommen unreife Unternehmen an die Börse bringen. Die werden mutmaßlich scheitern, Privatleute ihr Geld verlieren und darunter wird der gesamte Finanzplatz leiden. Schöne Scheiße. 

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab sofort monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Bei Investitionen, sagte ein guter Bekannter zuletzt, gibt es eigentlich nur zwei Regeln. Zum ersten solle man sein Geld natürlich in vielversprechende Unternehmen stecken und es nicht nur auf dem Sparbuch parken. Zum zweiten aber müsse man aussteigen, wenn etwa der Berliner Taxifahrer darüber spricht oder die Prominenz einsteigt. Bei Spacs sind wir über diese Schritte schon längst hinaus und damit geraten wir so langsam in gefährliches Terrain. 

Ich meine, irgendwie klingt das ja alles spannend: Eine leere Börsenhülle mit einem ganz großartigen Management macht sich mit millionenschwerer Kriegskasse auf, um die erfolgreichsten Start-ups zu finden und sie an die Börse zu bringen, einfach so. Da kribbelt es schon in den Fingern. De große Chance auf den Reichtum, sie könnte genau das sein. 

Sobald Onkel und Tante ihr Geld verzockt haben, ist das Vertrauen verloren 

Leider aber sind Börsenmäntel eine solch große Gefahr für die deutschen und internationalen Finanzmärkte, dass sie eigentlich sofort verboten werden sollten. Versteht mich nicht falsch. Nicht jeder Spac ist eine Katastrophe, doch die meisten könnten es werden und damit die Reputation des Finanzmarktes so stark beschädigen, dass der deutsche Börsenboom, den wir uns jahrelang gewünscht haben, schneller wieder weg ist als die Internetverbindung in deutschen Wohnzimmern beim täglichen Zoom-Call. 

Das Vertrauen in Fintechs oder junge Finanzfirmen wird heftig einbrechen, wenn die ersten Onkel und Tanten zehntausende Euro in einen Fintech-Spac versenkt haben, die sie doch eigentlich für ihre Kreuzfahrt zum 50. Hochzeitstag sparen wollten – und die womöglich nie wieder kommen, weil der Spac-Manager eben doch nur auf seinen eigenen Gewinn aus war. Und seien wir ehrlich: Die Privatanleger stehen immer am Ende der Nahrungskette, dürfen erst ab Börsengang einsteigen und sind dann frei, alles zu verlieren. Der erste Absturz einer Finanzfirma oder eines Fintechs, er wird ein größerer Bärendienst für die Branche sein, als es die Wirecard-Pleite bisher war. Beweist mir das Gegenteil. 

SPACs: Der Dealer gewinnt, Deutschland verliert

Sollen die institutionellen Investoren ihr Geld verbrennen und uns in Ruhe lassen

Nun ist es mir, gelinde gesagt, scheißegal wenn die Thomas Middelhoffs dieser Welt mal wieder ihr Geld verpulvern wollen. Zockt so viel ihr mögt, verschwendet euer Geld – aber lasst die Privatanleger da raus. Am besten sollte die Politik oder Aufsicht die Börsenmäntel für Privatanleger verbieten. Aber da das utopisch ist, sollten zumindest alle anderen Geschütze zur Sicherung des deutschen Sparguthabens aufgefahren werden. Jeder Bankberater sollte seinem Kunden davon abraten, ein Warnschild wie beim Rauchen oder beim CFD-Trading wäre angebracht: Hier verlieren Sie Ihr Geld und das ihrer Mitmenschen vielleicht gleich mit. 

Firmen, die über einen Spac an die Börse gehen? Unternehmen zweiter Klasse!

Das gefährlichste an den Spacs ist sowieso, dass sie nur funktionieren, weil zu viel Geld im Markt ist. Zuletzt jagte eine Finanzierungsrunde von 100 Millionen Euro oder mehr die nächste, einfach weil Investoren keine Ahnung haben, wem sie ihr Geld noch hinterherschmeißen sollen. Wäre das Geld knapper, würden allenfalls Spekulanten solche Deals durchziehen – oder “risikoorientierte” institutionelle Investoren, wenn man es ein bisschen netter formulieren will. 

SPACs: Der Dealer gewinnt, Deutschland verliert

Nun aber wissen Investoren nicht wohin mit ihrer Kohle und stecken es verzweifelt in einen Börsenmantel, der davon dann ein völlig unreifes Start-up kauft, um es an die Börse zu bringen. Jedem Spac-Börsengang wird immer der Makel anhaften, dass es womöglich ein Unternehmen zweiter Klasse ist und viele werden auch genau das sein: Firmen an der Börse, die dort nicht hingehören oder die man hätte wesentlich besser prüfen sollen. Ich lass den Namen “Nikola” hier einfach mal stehen. 

Die Initiatoren verdienen sich dumm und dämlich – mit eurem Geld

Von den deutschen Start-ups geht ausgerechnet Lilium per Spac an die Börse. Ich meine, die Firma hat nichtmals eine Serienproduktion, sie hat überhaupt keine Produktion und ob jemals ein solches Flugobjekt durch die Metropolen der Welt fliegen wird, ist zumindest mal “spekulativ”. Geht ein ähnlich “reifes” Unternehmen aus dem Payment-Bereich per Spac an die Börse und versagt, kann man das Vertrauen der Menschen in Fintechs auch einfach direkt abfackeln. Zwar steht mit der Solarisbank aktuell immerhin ein einigermaßen vernünftiger Kandidat in den Startlöchern, der auch eine Milliardenbewertung erzielen könnte. Aber, wird dem Unternehmen nicht bei jeder Kritik oder jeder schlechten Bilanz der Makel “Spac” anhaften? 

Bleibt noch das schlimmste an diesen Deals: Die gigantische Spanne, die sich die Initiatoren selbst in die Taschen stecken. Mit ihnen ist es bisschen wie mit einem Türsteher zu Jugendzeiten: Wenn man ihn schmiert, kommt man auch mit 14 Jahren in den Club und nichts anderes sind die sieben bis 20 Prozent die die Initiatoren da pro Deal abgreifen: Geld, um überhaupt bei einer schlechten Party dabei sein zu dürfen. Onkel und Tanten, haltet die Sparbücher bereit. 

Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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