Mit einem Kahlschlag möchte sich die Neobank retten. Doch für eine Erholung braucht es mehr als eine Kostensenkung. Was spricht dafür, dass Solaris die Kurve bekommt?
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Vor knapp einem Monat kündigte Solaris an, rund ein Drittel seiner Belegschaft abzubauen, um etwa 30 Millionen Euro zu sparen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass dies notwendig ist, um den zukünftigen Erfolg von Solaris zu sichern”, sagte CEO Carsten Höltkemeyer. Schon 2022 hatte der damals neue CEO erste zurückhaltende Sparmaßnahmen umgesetzt, die jedoch wenig Wirkung zeigten: Laut dem Geschäftsbericht für 2023, der Payment & Banking vorliegt, sanken die Personalkosten nur geringfügig auf etwa 64 Millionen Euro. Jetzt greift Solaris zu härteren Maßnahmen.
Kunden gehen – Probleme bleiben
Der Schritt ist wohl dringend nötig, denn Solaris meldete für 2023 einen Verlust von fast 180 Millionen Euro – eine Verdreifachung des Negativrekords des Vorjahres. Ein wesentlicher Grund: der Verlust wichtiger Kunden, allen voran der Kryptobörse Binance, die Solaris durch die Übernahme des britischen Fintechs Conti gewonnen hatte. Die Zahl der von Solaris verwalteten Konten sank daraufhin von 7,5 auf fast zwei Millionen – auch durch den Wechsel von Trade Republic zur Deutschen Bank.
Der Geschäftsbericht zeigt noch ein weiteres Problem auf: Die Provisionseinnahmen brachen um 28 Prozent ein, und vor allem die Erträge aus KYC-Lösungen halbierten sich. Einnahmen aus dem abgewickelten Digital-Asset-Angebot waren bereits 2022 weitestgehend versiegt. „Nach der Insolvenz der Nuri GmbH und dem Crypto-Winter erfolgte die geschäftsstrategische Entscheidung, das Geschäft der solaris Digital Assets GmbH abzuwickeln”, heißt es im Geschäftsbericht. Auch das E-Geld-Geschäft, das Solaris mit der Conti-Übernahme übernommen hatte, wurde eingestellt, was in einer Abschreibung von 123 Millionen Euro resultierte und das Minus weiter vergrößerte.
Kostensenkung: Ein Erfolgsrezept?
Ohne die Abschreibungen hätte der Verlust 65 Millionen Euro betragen, ähnlich wie 2022. Doch das hilft kaum, weil der Neobank Investoren im Nacken sitzen, die Solaris seit 2017 über 516 Millionen Euro Kapital in acht Finanzierungsrunden zur Verfügung gestellt haben. An dem aufgeblasenen Kostenapparat zu arbeiten scheint also keine schlechte Idee und ist derzeit in der Fintech-Welt en vogue. Beispiele, die Schule machen könnten, liefern Mitbewerber wie Trade Republic und Bitpanda, die mit rigorosen Kostensenkungen und Entlassungen Verluste reduzierten und beide sogar einen Gewinn von um die 14 Millionen Euro vorweisen können.
Beide Fintechs steigerten nicht nur ihre Effizienz, sondern auch ihren Umsatz deutlich: Trade Republic etwa steigerte seinen Umsatz auf 180 Millionen Euro und expandierte in elf europäische Märkte, während Bitpanda seinen Umsatz dank B2B-Lösungen für Banken um 64 Prozent auf knapp 150 Millionen Euro erhöhte.
Möchte Solaris einen ähnlichen Weg gehen, muss es mehr Umsatzquellen finden, um aus der Verlustzone zu kommen. Spart Solaris 30 Millionen in ihrer Kostenstruktur, muss die Neobank immer noch ebenso viel zusätzlich verdienen, um in die schwarzen Zahlen zu kommen.
Ein Lichtblick waren die Einnahmen durch Zinsen. Ähnlich wie jüngst bei der finnischen Neobank Holvi verbesserten die zusätzlichen Einnahmen das Ergebnis. Sie stiegen von knapp über 16 auf über 47 Millionen und stammen vor allem aus Einlagen bei der Bundesbank. Doch für das aktuelle Jahr kann Solaris aufgrund der Zinssenkungen und geringeren Einlagen nicht mit ähnlich hohen Einnahmen rechnen.
Andere Zinseinnahmen stammen aus dem Kreditgeschäft, bei dem die Summe des Kreditvolumens von 2022 auf 2023 um 12,5 Prozent sank. „Das Jahr 2023 war davon geprägt, wenig rentables Kreditgeschäft zu reduzieren und die Zusammenarbeit in profitablen Bereichen auszubauen”, heißt es dazu im Geschäftsbericht. Die Zuwächse des Umsatzes von insgesamt fünf Prozent reichten jedenfalls angesichts der hohen Kosten nicht aus.
Kredite und White-Label-Lösungen im Fokus
Also muss Solaris das Kreditgeschäft ankurbeln. Das möchte die Neobank mit dem Kreditkartengeschäfts des ADAC, das man Anfang des Jahres von der Landesbank Berlin (LBB) übernommen hatte. Und dafür wandte sich Solaris wieder an Investoren. Um das Geschäft mit einer Finanzgarantie von 500 Millionen Euro abzusichern, hatte es 96 Millionen Euro an frischem Kapital aus einer weiteren Series-F-Finanzierungsrunde gegeben. Das Geschäft wird sich aber erst auf das aktuelle Geschäftsjahr auswirken. Sollte das Volumen ausreichend steigen, könnte das die sinkenden Zinseinnahmen ausgleichen.
Der Verkauf von White-Label-Lösungen soll verstärkt werden. Das sei 2023 schwierig gewesen: „Auch hier wurden aber die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen spürbar, die sich darin äußerten, dass ein Großteil der Partner der Solaris sich von einer reinen Wachstumsstrategie verabschiedete und die Profitabilität in den Vordergrund stellte”, heißt es dazu im Geschäftsbericht. Partnerschaften über KYC-Lösungen wie mit eToro sollen nun dazu beitragen, den Verlust zu kompensieren.
Darüber, ob Solaris die Wende schafft, wird im Wesentlichen entscheiden, wie sich das Kreditkartengeschäft des ADAC entwickeln wird. Dessen Auswirkungen und die des Kahlschlags werden jedoch voraussichtlich erst 2025 wirklich zu spüren sein. Für 2024 müssen sich die Investoren deshalb wahrscheinlich auf ein weiteres Negativergebnis einstellen.