Holvi schreibt seit vergangenem Jahr wieder schwarze Zahlen, den höheren Zinsen sei Dank. Blöd nur: Jetzt fallen die Zinsen wieder. Kann Holvi sich mit einem neuen Produkt retten?
Geldmarktfonds können für Privatanleger eine Alternative zum Tagesgeld sein. Sie bieten nicht nur höhere Renditen, sondern gelten als risikoarm. Zwar gilt für sie keine Einlagensicherung, doch als Sondervermögen sind Einlagen in Fonds nicht betroffen, wenn eine Bank in die Insolvenz rutscht. Zudem sind Anleger nicht wie beim Tagesgeld davon abhängig, wie ihre Bank die Einlagezinsen weitergibt. Stattdessen sollen Geldmarktfonds den Einlagezins eins-zu-eins als Rendite abbilden.
Gerade in den vergangenen Monaten, als die Zinsen hoch waren, stieg die Nachfrage nach solchen Fonds an. Es ist ein Trend, auf den nun auch die finnische Neobank Holvi setzt. Gemeinsam mit dem Start-up Lemon Markets bietet sie ihren Unternehmenskunden an, in Geldmarktfonds zu investieren und stellt eine Rendite von bis zu 3,78 Prozent in Aussicht. Das soll Holvi neue Kunden bringen, die Neobank verzichtet dazu sogar bis Jahresende auf Servicegebühren. Kunden zahlen lediglich die laufenden Fondskosten von 0,15 Prozent jährlich. Nur ist der Trend nicht eigentlich schon wieder längst vorbei?
Holvis finanzielle Herausforderung
Eigentlich geht es dem Start-up den Zahlen nach blendend. Nachdem der finnische Gründer Tuomas Toivonen das Fintech 2020 von der spanischen Großbank BBVA zurückkaufte, stand Holvi mit einem desaströsen Jahresergebnis da. Schrittweise erholte sich das Unternehmen auch dank einiger Sparmaßnahmen. Auf ein Minus von fast zwei Millionen Euro im Jahr 2022 folgte schließlich der Turnaround mit einem Plus von fünf Millionen im Jahr 2023, zeigt der letzte Jahresbericht laut FinanceForward. Der Umsatz stieg gleichzeitig um fast 140 Prozent auf mehr als 18 Millionen Euro.
Auffällig ist, wie schnell das Produkt an den Start ging. Erst im Juni begann man damit, das Produkt zu entwickeln. Holvi musste schnell reagieren, denn das Fintech steht trotz steigender Umsätze vor einer Herausforderung: Über die Hälfte des Rekordumsatzes 2023 stammt aus Zinseinnahmen – eine Einnahmequelle, die durch sinkende Leitzinsen bedroht ist.
Sinkende Zinseinnahmen ausgleichen
Zwar erhöhte Holvi Anfang 2023 auch die Abopreise, womit die Gebühreneinnahmen pro Kunde um 18 Prozent stiegen. Jedoch erhöhten sich die Gesamteinnahmen aus Gebühren und Provisionen nur um 14 Prozent. Denn im selben Jahr sank die Zahl der Kunden von Holvi um vier Prozent. Der Effekt war also nur gering.
Nun möchte Holvi für Kunden wieder attraktiver werden und mehr Einlagen von Anlegern einsammeln, sonst könnten weitere Gebührenerhöhungen für die 35.000 Bestandskunden fällig werden. Noch müsse sich da keiner Sorgen machen, sagt Alexander Müller, Commercial Director bei Holvi: „Weder für die Fonds noch für die Kontoführungsgebühren haben wir das aktuell vor.” Er gibt sich zuversichtlich, dass Holvi die sinkenden Zinseinnahmen kompensieren wird: „Wir sehen, dass die Einlagen unserer Kunden weiter wachsen und damit die Auswirkungen der sinkenden Zinsen teilweise kompensieren.”
So möchte Holvi KMUs locken
KMUs für sich zu gewinnen, fiel vielen anderen Fintechs zuletzt schwer. Denn traditionell trennen kleinere Unternehmen sich nur schwer von ihren Hausbanken. Oft ist ihnen der persönliche Kontakt wichtig: Das ist ein Problem für viele Fintechs, die nicht gerade für Kundennähe bekannt sind. Müller möchte den Geschäftskunden daher mehr persönlichen Kontakt bieten. „Dementsprechend gibt es auch die Firmenkundenbetreuer bei uns, die sich gezielt um ihre Anliegen kümmern”
Doch Holvi möchte nicht unbedingt den Sparkassen und Volksbanken bei den KMUs den Rang ablaufen. „Es gibt da eine ganz klare Positionierung im Markt”, sagt Müller. „Ich würde auch jedem Geschäftsführer eines KMUs empfehlen, ein Kreditangebot erst einmal bei der Hausbank einzuholen.” Stattdessen sieht er das Angebot als Ergänzung für überflüssiges Geld, das KMUs häufig ohne vorteilhafte Renditeaussichten herumliegen ließen. Das soll künftig also über Holvi in Geldmarktfonds fließen – und wenn das gelingt, so Müllers Kalkül, dann wird sicherlich auch das ein oder andere Unternehmen auch direkt ein Geschäftskonto eröffnen.
Ein leeres Versprechen?
Die Werbung von bis zu 3,78 Prozent Rendite wird sich bei sinkenden Zinsen sehr wahrscheinlich nicht einlösen lassen, denn mit den sinkenden Leitzinsen wird auch die Rendite der Geldmarktfonds geringer. Das könnte zu Enttäuschungen führen und das Produkt unattraktiver machen. Die Befürchtung hat Müller nicht: „Ich würde sagen, solange die Zinsen oder die Rendite positiv sind, ist hier auch ein Markt vorhanden”, meint er.
Zudem ist Holvi nicht der einzige Anbieter mit einem Geldmarktfonds für KMUs. CashPlus von UnitPlus verspricht ähnliche Renditen und investiert in den Goldman Sachs Euro Liquid Reserves Fund – bei einer Gebühr von 0,25 bis 0,40 Prozent pro Jahr je nach Einlagenhöhe. Konkurrent Vivid bietet zudem eine anfängliche Rendite von fünf Prozent, die nach zwei Monaten auf bis zu vier Prozent sinkt. Doch Alexander Müller glaubt, dass sich Holvi mit seinem Angebot von der Konkurrenz abhebt: „Wir sind meines Wissens nach die einzige Neobank mit deutscher IBAN, die auch wirklich zinstragende Depots über ein Investmentkonto anbietet”, sagt Müller.
Das Ziel: Einlagen im mittleren achtstelligen Bereich
Als Fonds hat sich Holvi den State Street EUR Liquidity Standard VNAV Fund ausgesucht, in den nur institutionelle Investoren einzahlen können. Das Ziel sei, mit dem Geldmarktfonds-Angebot bis Ende des Jahres Einlagen in einem mittleren achtstelligen Bereich anzulegen, sagt Alexander Müller. Aus aktuellen Zahlen des Fonds geht hervor, dass nach einigen Monaten ohne Zuflüsse in der ersten Oktoberwoche erstmals wieder fast 100.000 Euro an Mittel in den Fonds flossen. Das könnte also an Holvis neuem Angebot liegen. Zumindest kurzfristig scheint der erste Teil des Plans also aufzugehen.