Die VR-Banken möchten das Bezahlen mit Girocard auf iPhones bald über eine eigene App ermöglichen. Der Digital Markets Act (DMA) zwingt Apple den Zugang über die eigene Wallet hinaus für Kartenanbieter zu öffnen. Werden andere folgen?
Für Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken, die ein iPhone besitzen, hat das Warten ein Ende. Denn die deutschen VR-Banken möchten das Bezahlen mit Girokarten über eine eigene App auf dem iPhone anbieten. Ab Mitte 2025 soll das für die 27 Millionen Kunden der 800 Banken des Verbandes möglich sein. Bisher konnten sie nur eine Kreditkarte von Visa oder Mastercard in die Apple Wallet laden. Neben der Girocard, werden die VR-Banken auch die Visa- und Mastercard in ihrer Bezahl-App „Pay” hinterlegen. Ganz von Apple Pay verabschieden wollen sich die Banken aber auch nicht. Auch damit sollen Kunden weiterhin zahlen können. „Wann die genossenschaftlichen Kreditkarten folgen werden, steht noch nicht fest”, teilte der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) mit. Die Kreditkarten werden jedoch weiter in der Wallet bleiben. Apple äußerte sich auf Anfrage bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht zu dem Thema.
Bisher ging kontaktlose Bezahlen per iPhone nur über die hauseigene Funktion Apple Pay. Die dafür nötige NFC-Schnittstelle wurde exklusiv von Apple genutzt. Dabei mussten Kartenanbieter ihre Karten in der Apple Wallet hinterlegen. Doch seit der Verabschiedung des Digital Markets Act (DMA) darf Apple die Nutzung der NFC-Schnittstelle Dritten nicht mehr vorenthalten. Die Europäische Kommission verpflichtete den Konzern im Januar, die Schnittstelle zu öffnen. Mitte Juni gab der Techriese bekannt, die Schnittstelle über ein iOS-Update im Herbst freizuschalten.
Bei Nutzern ist Apple Pay beliebt
Anders als die Sparkassen, die bereits 2020 ihre Girocard für Apple Pay freischalteten, verzichteten die VR-Banken darauf. Den Zahlen einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK zufolge, die im August 2023 im Auftrag von Mastercard erhoben wurden, verwenden aktuell 40 Prozent der mobilen Bezahler am häufigsten Apple Pay, gefolgt von Google Pay (26 Prozent), den Bezahl-Apps der Banken und Sparkassen (20 Prozent) und Samsung Pay (4 Prozent). Die VR-Banken verzichteten also bisher auf einen recht wichtigen Service für ihre Kunden. Die Entscheidung, die Girocard nun auf dem Apple-Betriebssystem IOS auf eine eigene App zu überführen, sei eine rein geschäftsstrategische Entscheidung, teilt der BVR mit. Man habe sich bei Apple Pay bisher bewusst auf Kreditkarten fokussiert. Auf die genauen Abwägungen wollte der BVR nicht eingehen.
Thomas Walkner von der Unternehmensberatung Capco kann darüber nur spekulieren. „Vielleicht wollte der BVR seinen Mitgliedsbanken eine kostengünstigere einheitliche Lösung bieten”, sagt Walkner.
Denn Apple verlangt für das Nutzen seiner Bezahlfunktion Gebühren und verdient so bei jeder Transaktion über seine Apple-Wallet mit. Wie viel das genau ist, hält der Konzern geheim. Bei Kreditkarten sind es vermutlich 0,15 Prozent pro Transaktion. In der EU sind die Interbankenentgelte auf 0,3 Prozent bei Kreditkarten und 0,2 Prozent bei Debitkarten begrenzt; hier sind es bei Debitkarten möglicherweise zwischen 0,05 und 0,25 Prozent.
Es geht also um die Frage, ob sich die Entwicklungskosten für eine eigene App der VR-Banken mehr lohnen als Gebühren zu bezahlen. „Der BVR ist ja auch eine große Organisation, die langfristig denkt.” Lediglich auf die Girocard zu verzichten, sei da ein notwendiges, aber verkraftbares Übel gewesen. Walkner vermutet, dass dies auch mit der Nutzergruppe zu tun hat. „iPhone-Nutzer bezahlen häufiger mit Kreditkarten, die es für die Kunden der VR-Banken bereits seit längerem in der Wallet gab.” Gleichzeitig würden Mastercard und Visa auch eigene Debitkarten anbieten. Zudem nutzten Menschen mit einem geringeren Einkommen seltener ein iPhone. Walkner ist deshalb ohnehin skeptisch, was die neue App bringen soll: „Ob das Bezahlen mit der Girocard auf Apple-Geräten ein Massengeschäft ist, werden erst die Nutzungszahlen zeigen.”
BVR leistete Lobbyarbeit
Mit der Entscheidung der EU-Kommission hat der Verband nun einen Sieg gegen Apple errungen. „Der BVR war federführend bei den Bemühungen Apple dazu zu zwingen, die Schnittstelle zu öffnen”, sagt Walkner. „Er hat Lobbyarbeit geleistet und auf Wettbewerbsgleichheit gepocht.”
Für Apples Marktposition im Payment-Sektor bedeutet die Öffnung daher nichts Gutes. Dem Techkonzern könnten Einnahmen wegbrechen. Wie weitreichend die Folgen der Öffnung der Schnittstelle für Apple sein werden, hängt davon ab, wie viele Banken es den VR-Banken gleichtun werden. Experte Walkner sieht, dass sich andere Geldhäuser eher abwartend verhielten: „So aktiv wie der BVR das angekündigt hat, habe ich das von anderen Banken nicht gehört.” Für einen großen Bankenverband sei eine eigene Lösung durch Größeneffekte günstiger als für kleinere Banken. Für diese wird das wahrscheinlich erst interessant, wenn es gute, sichere und erschwingliche Whitelabel-Lösungen auf dem Markt gibt.
Bei den Banken sei gerade viel in Bewegung, sagt Walkner. Mit dem Digitalen Euro, der European Payment Initiative (EPI) mit Wero und anderen Lösungen müssten sich Banken genau überlegen, welches Angebot den Kunden einen wirklichen Mehrwert bieten könne: „Macht es Sinn, dem Kunden fünf verschiedene Apps anzubieten, wahrscheinlich aus Bankensicht eher nicht”, sagt er. Im schlimmsten Fall bedeute das vierfache Kosten für die Banken. Insofern sei es eine geschäftspolitische Entscheidung, für die Banken momentan abwägen müssten.
„Der Kunde wird wahrscheinlich den einfacheren Weg gehen.”
Kunden, die bald über die Apps der Banken mit der Girocard bezahlen, müssen dann auch auf die Token von Apple Pay verzichten. Diese sind Erkennungszeichen, die keine persönlichen Karteninformationen enthalten. Bei einem Bezahlvorgang wird lediglich der Token übertragen, aus dem sich keine Informationen über den Zahlungssender ableiten lassen. Apple möchte das kontaktlose Bezahlen so sicherer machen. Die VR-Banken teilen mit, dass sie wie auch bei Android auf eine andere Verschlüsselung zurückgreifen werden, die sich nach den Regeln der Deutschen Kreditwirtschaft richtet. Diese können dann also mehr Information enthalten.
Am Ende sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich nur eine Methode durchsetzt, glaubt Walkner. Dabei spiele Sicherheit für viele Kunden eine untergeordnete Rolle, diese werde erstmals vorausgesetzt: „Die Überlegung, die viele Banken gerade beschäftigt ist: Kann ich als Finanzdienstleister gegen so einen großen Techkonzern antreten, der User-Experience-Prozesse versucht, so leicht wie möglich zu machen?” Der Vorteil für Apple sei, dass sich die Nutzer bis zur endgültigen Entscheidung der EU bereits an ihr Bezahlsystem gewöhnt hätten: „Wir haben eingeübt, mit Uhr, Doppelklick, Face ID, zu zahlen”, sagt Walkner. Auch auf Bezahlung mit der Apple Watch müssen Kunden, die mit der App der VR-Bank bezahlen, verzichten. Was auch immer als nächstes kommt: „Der Kunde wird wahrscheinlich den einfacheren Weg gehen.”