Deutschland ist da, wo Bargeld lacht. Kaum ein anderes Land der Welt liebt Bargeld so sehr wie die Deutschen. Trotzdem besitzen, laut der GFK, 95 Prozent der Deutschen eine Girocard und 75 Prozent nutzen diese auch im stationären Einzelhandel, also zum Einkaufen. Auch wenn ein signifikanter Anteil immer noch bar bezahlt wird, steigt die Nutzung von Giro- und Kreditkarten stetig. Im E-Commerce ist das natürlich kein Thema, dort zahlt man, abgesehen von wenigen Ausnahmen, im Prinzip nur barlos. Egal ob bar oder barlos: Mit Geld kann man alles kaufen. Geld hat abgesehen von der Währung und dem Nominalwert, keine Eigenschaften. Ob der Konsument für 5 Euro eine Currywurst-Pommes, Zigaretten oder ein Paar Socken kauft ist dem Fünf-Euro-Schein, aber auch der Kreditkarte oder Girocard, egal.
Gutscheine: Geld mit Eigenschaften
Die Regel ist einfach: Wenn Geld vorhanden ist, kann es ausgegeben werden. Ob man nun waffenfähiges Plutonium kauft oder Bio-Bananen, spielt bei der Transaktion erst einmal keine Rolle. Je nach Produkt empfiehlt es sich anonym zu bleiben, weshalb eine Überweisung mit dem Betreff “Plutonium” keine gute Idee ist. Ob man nun legale oder illegale Geschäfte macht, Bargeld stellt keine Fragen und stinkt bekanntermaßen nicht. Anders sieht es bei Gutscheinen aus. Ein Amazon-Gutschein kann nur im Amazon Ökosystem eingelöst werden, ein Gutschein für Zalando nur bei Zalando. Auch wenn solche Gutscheine gerne als Bargeld wahrgenommen werden funktionieren diese einzig im jeweiligen Ökosystem. Ein Gutschein über 50 EUR bei Amazon und Co. ist universeller einsetzbar als ein Gutschein für das örtliche Fachgeschäft für Kristalle, Mineralien und Heilsteine. Ein weiteres Beispiel sind die vom Jobcenter ausgegebenen Lebensmittelgutscheine, welche bei Sanktionen an HartzIV Empfänger ausgegeben werden. Diese können vom Leistungsempfänger nur sehr begrenzt eingesetzt werden und haben Eigenschaften bzw Einschränkungen: Lebensmittelgutscheine sind personenbezogen, d.h. der Konsument muss sich ausweisen können. Der Konsument darf nicht gegen Bargeld eintauschen, auch kein Wechselgeld. Mit dem Gutschein darf weder Tabak noch Alkohol erworben werden. Neben der Stigmatisierung der Leistungsempfänger, haben diese Gutscheine Eigenschaften, die reguläres Geld noch nicht hat – aber in Zukunft haben könnte.
Smart Money: Segen?
In Deutschland gibt es bereits intelligentes oder smartes Geld, zumindest in elektronischer Form. Die Girocard, welche an 350.000 Zigarettenautomaten in Deutschland eingesetzt wird, hat auf dem Chip ein Jugendschutzmerkmal bzw. Altersinformationen gespeichert. Mit der Girocard können Zigaretten an Automaten erst ab 18 Jahren gekauft werden. Dieser Schutz kann natürlich umgangen werden, in dem eine Girocard benutzt wird, dessen Karteninhaber volljährig ist. Trotzdem ist die Geldkartenfunktion der Girocard auf einfache Art und Weise mit einer weiteren Eigenschaft ausgestattet: Der Altersinformation.
Auch manche Kreditkarten sind mit zusätzlichen Eigenschaften ausgestattet. Diese Kreditkarten können nur innerhalb von Deutschland, oder nur im E-Commerce eingesetzt werden. Bei N26 z.B. kann der Nutzer selbst definieren, ob eine Kreditkarte nur online oder im Ausland eingesetzt werden darf und bei bunq kann einfach ein Tageslimit festgelegt werden und Kontos mit anderen bunq-Nutzern geteilt werden. Das südafrikanische root geht einen Schritt weiter und bietet Entwicklern die Möglichkeit das Konto bzw. die Kreditkarte so zu programmieren, dass sie nur zu bestimmten Zwecken genutzt werden kann, etwa für Fahrten mit dem Taxi oder zum Einkaufen von Lebensmitteln.
Hat ein Konsument die Möglichkeit sein eigenes Konto, Kredit und Girocard nach Belieben einzustellen, sind schöne Anwendungsfälle denkbar. Mit einem Tageslimit ist eine Budgetierung leicht umsetzbar, lässt sich eine Karte nur für bestimmte Lebensbereiche einsetzen, kann man sich selber vor Impulskäufen schützen. Eine Karte die nur für Lebensmittel zugelassen ist, kann man eben nicht nutzen um ein neues iPhone zu kaufen. Es sei denn es ist aus Mett.
Smart Money: Fluch?
Durch die fortschreitende Digitalisierung, aber auch der Neuregulierung des Zahlungsverkehrs, der PSD2 und damit einhergehend der Möglichkeit über XS2A (Access to Account) auf das Girokonto des Nutzers zuzugreifen, sind völlig neue Anwendungsbeispiele denkbar. Beispiel: Elitäre Shopping Clubs die z.B. nur Produkte an Personen verkaufen die einen bestimmten Kontostand aufweisen und das völlig unabhängig vom Produktpreis. Aber auch im regulären E-Commerce sind Anwendungsfälle durch XS2A möglich: Durch einen obligatorischen Zugriff aufs Konto könnte ein Shop den Verkauf von Luxusgütern verhindern, weil ein Konto für eben solche nicht freigeschaltet ist.
Auch Lebensmittelgutscheine wären bei einem solchem Konto überflüssig. Eine Girocard oder Kreditkarte hätte nicht mehr nur eine Altersverifikation, sondern könnte mit Berechtigungsstufen ausgestattet werden: Arbeitslosengeld 1 (ALG1) Berechtigte können Waren in der Kategorie B, Arbeitslosengeld II (ALG II, Hartz IV) nur Waren der Kategorie C kaufen. Erwerbstätige oder Menschen die keinerlei Grundsicherungsleistung empfangen haben keine Beschränkung. Unheimlich? Wie wäre es wenn Straftäter im offenen Vollzug nur noch in einem Umkreis von 50 Kilometer Zugriff aufs Konto haben und ihre Girocard nur innerhalb dieses Radius benutzen dürfen, oder Alkoholiker keinen Alkohol bekommen? Was wenn Verkehrssünder nicht mehr tanken können, weil die Giro- oder Kreditkarte es verbietet? Dann wäre Geld vielleicht smart aber der Konsument in der totalen Abhängigkeit.
Fazit
Sonderlich realistisch ist eine solche Dystopie vielleicht nicht und eine Gängelung im Zahlungsverkehr scheint in der heutigen Zeit schwer vorstellbar. Dabei sollte man aber im Hinterkopf behalten, das die anfangs genannten Lebensmittelgutscheine in eine solche Richtung gehen. Die fortschreitende Digitalisierung und der, wenn auch langsame Trend, zu einer barlosen Gesellschaft macht am Ende ein zweckgebundendes Geldsystem mit einstellbaren Eigenschaften möglich. Solange der Konsument die Hoheit behält sind jedoch tolle Anwendungsfälle denkbar.
Maik Klotz ist Berater, Sprecher und Autor zu den Themen Banking, Payment, Digital Identity, E-Commerce und Retail mit starkem Fokus auf „mobile“. Seit vielen Jahren berät Maik Unternehmen zu kundenzentrierten Innovationsmethoden und der Fokussierung auf den Nutzer. Er wurde von der Süddeutschen Zeitung in der Serie „Impulsgeber“ der Branche portraitiert und moderiert und spricht auf vielen Branchen-Events. Maik ist Imker.Maik ist Co-Founder von Payment & Banking und ist im Team mitverantwortlich für Marketing, Strategie und Events, insbesondere der Transactions.io [more]