Nicht erst seit Corona, aber vor allem durch Corona sind Robo-Advisor ein Thema in der Berichterstattung geworden. Die Liste der Anbieter wird hierzulande immer länger. Rund 40 verschiedene Unternehmen bieten hierzulande aktuell entweder aktive oder passivere Strategien an. Je nach Risikoneigung der Anleger werden diese in unterschiedlichen Portfolios umgesetzt.
Allerdings sind digitale Vermögensverwalter trotzdem weiterhin Nischenplayer: Ihr Anteil am Wertpapiervolumen in Deutschland beträgt unter 0,5 Prozent. Ob sich daran etwas ändert? Zuletzt stellte Ende Januar beispielsweise Moneyfarm hierzuland seine Aktivitäten ein. Ein Zeichen? „Nein“, ist sich Thimm Blickensdorf von Growney sicher, denn „der deutsche Markt ist ein überaus attraktiver.“ Denn auch, wenn die Deutschen über viele Jahre hinweg vor allem als wahre Börsenmuffel geglänzt haben, so zeigt auch das gestiegene Interesse an den Neobrokern, das selbst die bislang so risikoaversen Deutschen eine wachsende Affinität für Aktien entwickeln.
Als einer der ersten Robos der Stunde startete Growney, ein digitaler Vermögensverwalter, der mit Sparplänen ab bereits 25 Euro oder einem einmaligen Investment von 500 Euro wirbt – und damit die Einstiegshürde niedrig legt. Dennoch fliegen die Berliner neben Wettbewerbern wie Scalable, Quirion, Oskar und Co. medial immer ein bisschen unter dem Radar.
Als Familienunternehmen gehört Growney bezüglich des Anlagevolumens eher zu den kleineren Robo-Beratern. Growney wurde Ende 2014 von Gerald Klein gegründet, der vorher 17 Jahre lang bei der Landesbank Berlin tätig gewesen war. Im Mai 2016 ging das erste Angebot für Privatanleger an den Start. Heute beschäftigt das Unternehmen 15 Mitarbeiter.
Der eingefleischten Robo-Szene sind Sie ein Begriff, dennoch agieren sie gefühlt ein wenig unter dem Radar. Was zeichnet Growney aus?
Von jeher bieten wir eine Lösung, die sich nicht nur an Vermögende richtet, sondern das Thema Geldanlage für alle zugänglich macht. Mittlerweile wissen viele, dass sie etwas für die Altersvorsorge tun müssen und in Zeiten wie diesen geht mittlerweile kein Weg mehr am Kapitalmarkt vorbei!
Wir sind seinerzeit parallel auch mit einer B2B-Lösung an den Markt gegangen. Seit April 2020 verfügen wir über die Vermögensverwaltungslizenz der BaFin und können daher Unternehmen eine White Label zur Verfügung stellen. Das können Versicherungen, Geldhäuser aber auch große Medienunternehmen sein – also all jene, die einen direkten Zugang zu den Kunden haben und für die Anlagestrategien und -lösungen interessant sind.
Sie haben ein B2C- als auch ein B2B-Standbein: Welches ist denn das größere bzw. dickere?
Das lässt sich schwer sagen, das geht Hand in Hand. Wir kommen klassischerweise aus dem B2B-Geschäft, haben aber dabei aber über die Jahre so viel Erfahrung gesammelt, dass auch das Privatkundengeschäft ein wichtiges Standbein geworden ist.
Nun sind sie nicht als einziger Anbieter auf dem Markt. Was unterscheidet sie von den Mitbewerbern?
Auch, wenn die Pandemie natürlich kein schöner Anlass ist, so freuen wir uns natürlich, dass das Thema in den letzten Monaten so sehr an Fahrt aufgenommen hat. Wir sehen unsere Wettbewerber eher auf der klassischen Banken- und Versicherungsseite als bei den digitalen Mitstreitern. Wir zielen vor allem auf Kunden, die vorher bei Banken oder anderen Vermögensverwaltern waren.
Hinzu kommt: Wir investieren passiv über ETFs, so dass wir den „alle 20 Minuten aufs Handy schauen“-Effekt vermeiden. Bei uns schauen die Kunden durchschnittlich so alle 2 Wochen in ihr Depot. Und da wir schlank aufgestellt sind, können wir im Gegensatz zu einem klassischen Vermögensverwalter die Kosten gering halten.
Für die Dienstleistung berechnet Growney eine Gebühr, die bei einer Anlage unter 50 000 Euro bei 0,68 Prozent im Jahr liegt und darüber 0,38 Prozent. Für Depot- und Kontoführung fallen keine Kosten an, es gibt auch keine Ordergebühren. Der Kunde trägt die Fondskosten, die zwischen 0,16 Prozent und 0,24 Prozent jährlich liegen.
Sie zielen also auf Kunden, die auf den Service der klassischen Banken verzichten können. Wie sieht denn der klassische Growney-Kunde aus?
Bei uns kann man bereits mit einer Erstanlage von 500 Euro Kunde werden, daher decken wir ein breites Mischverhältnis ab. Nach dem Durchschnittskunden gefragt ist der bei uns 42 Jahre alt und männlich. Allerdings haben wir auch 18-Jährige und unser ältester Anleger ist Mitte 80.
Seit letztem Jahr kann man bei Growney auch nachhaltig und „grün“ anlegen kann. Sehen Sie da auch einen Unterschied im Anlageverhalten der Generationen und wird „Green Investment“ bei Ihnen ein immer wichtigeres Kriterium?
Wir sind von der Relevanz dieses Themas überzeugt, dennoch möchten wir unseren Kunden die Wahl lassen. Denn wer nachhaltig investieren möchte, hat bislang ein kleineres Investment-Universum zur Verfügung. Es stehen aktuell 5 000 Unternehmen in 45 Ländern aktuell nur 500 Unternehmen in 40 Ländern im Portfolio gegenüber.
Trotzdem beobachten wir eine fast eine 50/50 Verteilung bei unseren Kunden. Heißt: knapp 50 Prozent entscheiden sich für die klassische Variante. Die soziodemokratischen Daten unserer „grünen“ Anleger sind übrigens identisch zu unserem Durchschnittskunden. Sie sind weder jünger noch weiblicher.
Wie erklären sie es sich, dass sich Frauen noch immer zu wenig um das Thema Geldanlage und Altersvorsorge kümmern? Immerhin zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, dass fast jede 5. Frau über 65 Jahren von Altersarmut bedroht ist.
Es legen ja durchaus auch Frauen über Growney an. Und sie sind tatsächlich die besseren Anleger, weil sie eine ruhigere Hand haben und nicht so hektisch reagieren. Aktives Trading ist wie Roulette spielen. Langfristig kann man da gar nicht gewinnen. Das haben Frauen viel eher verinnerlicht. Frauen legen bei uns im Durchschnitt länger an und wenn man sie als Kunden gewinnt, dann sind sie einem treuer!
Allerdings müssen wir in Deutschland bei beiden Geschlechtern weiterhin Aufklärungsarbeit in Sachen Kapitalanlage machen. Das ist wie in der Medizinvorsorge – man darf damit nicht erst anfangen, wenn es bereits zu spät ist.