Das neue Bezahlverfahren SEPA Request2Pay (kurz: RTP) ist in Europa im Juni offiziell gestartet. Doch was soll dit denn nu schon wieder sein: R2P oder auf neudeutsch Zahlungsaufforderung. Neuer heißer Scheiß oder alter Wein in neuen Schläuchen? Fest steht, dass vor allem Onlinehändler von der Zahlungsaufforderung profitieren. Doch wie reagieren die Banken und welche Anwendungsfälle gibt es?

Wir haben mal das Payment and Banking Experten-Team gefragt und um eine Einordnung gebeten:

André Bajorat:

R2P ist für Deutschland betrachtet ein alter Hut. Worum es geht, ist die Nutzung der Banken-Rails für die Initiierung von Zahlungen aus einem Prozess, wie beispielsweise die Bezahlung einer Rechnung oder aber im eCommerce Checkout. Also wenn man es modern sagen möchte: Es ist eine Vorstufe von “contextual Banking”. In Deutschland haben sich bereits seit Mitte der 2000er R2P Lösungen mit Sofortüberweisungen und giropay 1.0 etabliert. Das Thema hat aber durch die Einführung von PSD2 und dem SEPA RTP Rulebook in Europa und generell durch Open Banking around the world eine neue Dimension erhalten und ist daher nun weltweit ein Thema.

Vorteile von RTP-Lösungen

Ein großer Vorteil von einigen RTP Lösungen wie giropay und auch dem SEPA RTP Scheme ist: Die Zahlung ist garantiert. Dies wird auf verschiedene Arten erreicht: 1. Historisch durch die Aussprache einer sogenannten Zahlungsgarantie und 2. aktuell durch eine Real-Time Zahlung. Beides führt dazu, dass der Empfänger kein Zahlungsausfallrisiko hat und Waren und Dienstleistungen risikolos aussenden / bereit stellen kann.

Die Anwendungsfälle sind vielfältig und man sieht es in Deutschland bereits seit Jahren, wo sich sofort und/oder giropay vor allem breit gemacht haben (Tickets, digitaler Content). Aber auch die Überweisung im Prozess einer Buy Now Pay Later (kurz: BNPL) Zahlung ist ein schöner Case.

Das Thema wird außerhalb von Deutschland beinahe heißer diskutiert als hierzulande selbst – das liegt daran, dass das Thema in diesen Regionen noch neuer ist und daher ein echter Verdrängungswettbewerb startet. Für Banken ist es eine Chance im Bereich Payment wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen und neben den CC-Rails die eigene Infrastruktur zu monetarisieren.

two woman sitting by the window laughing

Jochen Siegert:

Danke für die gute Erklärung von André! RTP kann ein Paradigmenwechsel von Pull-Payment (Karte, bei der Merchant/Terminal die Payment-Transaktion initiiert) hin zu Push-Payments (Kunde/App initiiert die Payment-Transaktion) führen. Dies ermöglicht unter anderem Account2Account-Transaktionen und somit am Point of Sale und im Online-Payment mehr Wettbewerb im Zahlungsverkehr.

Vertriebsaktivitäten wegen RTP gestiegen. Warum bloß?

Was mir aber aktuell auffällt: Gefühlt hat jeder Anbieter von Banksoftware- und Payment Services wegen RTP eine neue Vertriebsinitiative gestartet. Wie häufig im Banking und im Payment gilt auch dieses Mal wieder: Je vergleichbarer die Produktlösungen sind, desto aggressiver und teilweise abstruser sind die Vertriebsaktivitäten. Gefühlt steht die Paymentwelt still und keine zukünftigen Finanzprodukte sind mehr möglich ohne die tolle RTP von Anbieter (Dienstleistername hier).

Verfolgt man die Präsentationen und Argumentationen auf der Zeitachse, so scheinen genau die gleichen Use Cases jetzt plötzlich nur noch möglich mit RTP, die vorher auch nur dann möglich waren, wenn Blockchain oder Instant Payment eingesetzt wird. Dieses Vorgehen der Dienstleister hat bei mir schon vor geraumer Zeit dazu geführt, dass ich alle Ansprachen, Pressemitteilungen und Salespräsentationen von Dienstleistern zum Thema RTP zunehmend ignoriere.

Quellennachweis Headerfoto: abdoudz (iStockfoto.com)

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