Rares (nur noch) für Bares?

Die Devise „Bares ist Wahres“ scheint wieder populär zu werden. Gerade bei „Geschäftsvorfällen“ kann Cash Zahlungsströme verschleiern. Investitionen in die Infrastrukturen des digitalen Zahlungsverkehrs dürfen daher umso mehr keine Nebensächlichkeit sein.

Bares für Rares lautet der Titel einer die ZDF-Trödel-Show von Horst Lichter. Wer versehentlich hineinzappt oder absichtlich zuschaltet, sieht dabei zu, wie irgendeine Rarität oder Kuriosität von einem der fünf anwesenden Trödelhändler ersteigert und dann lässig mit Euroscheinen bezahlt wird. Von dieser Sendung gibt es inzwischen wohl über 1400 Folgen.

Letztlich ist der Titel eine Abwandlung der Devise: „Nur Bares ist Wahres“. Dies scheint nicht nur für den Trödelhandel im TV zu gelten, sondern auch bei Politikern, wie wir Bürger:innen in den Medien erst kürzlich wieder beobachten konnten.

Den Spendenkoffer von Herrn Schäuble schon fast vergessen, bringt nun die staatsanwaltliche Untersuchung eines Schließfachs bei einer Hamburger Sparkasse 214.800 Euro in Haushaltsmischung ans Tageslicht.

„Geschäftsvorfälle“ werden gerne weiterhin Cash abgewickelt

Mieter dieses Schließfaches ist ein ehemaliger sozialdemokratischer Bundestagsabgeordneter, der ausweislich Wikipedia seine Kompetenzen bei Haushaltsfragen, der Rechnungsprüfung sowie der digitalen Gesellschaft sieht. Kameralistik ist natürlich nicht die Buchhaltung eines Privatmanns. Dennoch gibt es auch dort normalerweise wenig Berührung mit Bargeld. Mutmaßlich hat allein aus diesem Grund eben jener Politiker das Bargeld dort (vermeintlich sicher) deponiert, damit er damit im Alltagsleben nicht in Berührung kommt. Und es ist natürlich auch nahezu ausgeschlossen, dass dieser Betrag von einer Hamburger Privatbank stammen könnte. Denn diese hätte sicherlich mit einer SEPA-Überweisung etwaige „Vermittlungshonorare“ beglichen.

Das „Dumme“ in der digitalen bargeldlosen Welt ist, dass Geldströme einfacher nachzuvollziehen sind. Damit können auch die Fährten zu Geldwäsche, Betrug oder Bestechung schneller aufgedeckt werden. Daher gibt es im wahren Leben eben immer noch viele „Geschäftsvorfälle“, die viel lieber in Cash abgewickelt werden.

Handel und Bürger:innen halten weiterhin viel Cash im Bestand

Das Filialsterben bei Banken und Sparkassen leistet sicherlich auch einen Beitrag dazu, dass es weiterhin größere Bargeldbestände in die Kassen der Händler, insbesondere die der Juweliere oder der gehobenen Hotellerie und Gastronomie, schaffen. Denn mit den Filialschließungen mussten zwangsläufig auch die Schließfächer geleert werden, die gern als Hort erheblicher Bargeldbestände nun ihren Weg in den Wirtschaftskreislauf finden.

Auch die aktuelle Studie der Bundesbank zum Zahlverhalten in Deutschland (erschienen im Juli 2022) lässt nicht vermuten, dass es sich bei dem Betrag von über 200.000 Euro um den berühmten „Notgroschen“ handelt. Zwar wird gemäß der Studie Bargeld nicht nur im Portemonnaie aufbewahrt, sondern auch zu Hause. Nur beläuft sich der durchschnittliche Betrag in der heimischen Schatulle auf 463 Euro. Die Bundesbank räumt hier ein, dass „bei dieser sensiblen Frage jedoch von einer zurückhaltenden Beantwortung ausgegangen werden muss.“ Die Einbeziehung von z.B. Berufspolitikern in diese Befragung mit unterstellter, ehrlicher Antwort hätte möglicherweise zu einem höheren Durchschnittswert geführt.

Politische Vorsicht bei bargeldlosem Zahlungsverkehr

Die Frage der Zukunftsfähigkeit des Bargelds ist offenbar nicht nur eine zentrale für deutsche Politiker. Denn auch der Deutsche Bundestag beschäftigt sich intensiv mit der Frage der Folgenabschätzung, wenn es plötzlich kein Bargeld mehr geben sollte. Dass das digitale Bezahlen im politischen Berlin seit der Causa Wirecard etwas in Verruf geraten ist, kann man mit einem gewissen oberflächlichen Betrachtungsansatz vielleicht noch verstehen. Dass aber direkt eine Studie mit dem Titel „Welt ohne Bargeld“ in Auftrag gegeben wurde, in der überwiegend allgemein bekanntes zu Papier gebracht wurde, mutet dann doch ein wenig übertrieben an.

Diese Studie liefert dem oben erwähnten Politiker (der mit den über 200.000 Euro Cash im Schließfach) jedoch eine Steilvorlage für seine Verteidigung. Denn danach heißt es: „Gegenüber unbaren Zahlungsmitteln bildet Bargeld ein wichtiges Korrektiv im Zahlungsverkehr. Kein unbares Zahlungsmittel erreicht ein vergleichbar hohes Inklusionsniveau und Schutzniveau der Privatsphäre. Durch Wertaufbewahrung in Bargeld können Verbraucher:innen Negativzinsen vermeiden.“ Das dürfte manchem Finanzbeamten Tränen in die Augen treiben. Das mit den Negativzinsen ist inzwischen auch Schnee von gestern! Aber was so mancher unter dem Schutz seiner Privatsphäre subsumiert wissen möchte, ist oftmals nur eine systemische Scheinheiligkeit für das Waschen von „schwarzen“ Geldbeständen, wo selbst modernste KI-gestützte Anti-Geldwäschesysteme nicht greifen können.

Kartenzahlung genießt großes Vertrauen in der Bevölkerung

Man kann es drehen und wenden, wie man will. An Bargeld, sofern nicht aus versteuertem Einkommen stammend und just dem Geldautomaten entnommen, zeitnah im Handel oder im Restaurant wieder ausgegeben, bleibt der Ruch des Illegalen kleben. Daher ist es nur konsequent und gut, wenn der Trend zum digitalen Bezahlen weiter auf dem Vormarsch ist. Und daran besteht kein Zweifel, wenn man den Ausführungen der Bundesbankstudie folgt. Galt früher noch das Bargeld im Portemonnaie als Garant für Kontrolle und Übersichtlichkeit, dann werden die Attribute „einfach, schnell, sicher und Ausgabenüberblick“ heute bereits von über einem Drittel der (Debit-)Karte zugeschrieben. Würde man die bis 30-Jährigen befragen, läge der Wert sicherlich bei über 70 %.

Selbst der „Hickup“ im Mai, der dem Kartenlesegerät H5000 eine unrühmliche Berühmtheit eingebracht hat, wird diesem Trend nichts anhaben können. Er war für die Paymentbranche ein kleiner „wake up call“, dass Investitionen in die Infrastrukturen des Zahlungsverkehrs bei Paymentdienstleistern und im Handel keine Nebensächlichkeit sein dürfen und ihren Preis haben.

Aber wenn wir uns die aktuellen Sorgen und Nöte vor Augen halten, die jetzt rund um Energieversorgungsfragen diskutiert werden, dann ist unsere schöne unbare Paymentwelt weit entfernt von solchen Risiken, die wir in anderen Bereichen der kritischen Infrastruktur derzeit erleben.

Angst machen gilt nicht

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich die Wettbewerbslandschaft im digitalen Zahlungsverkehr permanent verändert. Auch wenn es immer wieder zu Konsolidierungen bei etablierten Playern kommt, entstehen zugleich neue Anbieter, die einer digitaler lebenden Gesellschaft die notwendigen oder gewünschten Zahlungsinnovationen anbieten. Und Bares wird dabei noch lange im Spiel bleiben. Die Aufforderung zum „Retten des Bargelds“ – so wie sie kürzlich in einem Kommentar in der F.A.Z zu lesen war – ist meines Erachtens daher irreführend.

Damit noch eine zu hohe Abhängigkeit von digitalen Paymentinfrastrukturen zu implizieren und eine Analogie zur Abhängigkeit vom russischen Gas herzustellen, hat vom Zahlungsverkehr nicht allzu viel verstanden. Angst machen mit digitalem Payment gilt nicht!

Autor

  • Marcus W. Mosen, Babyboomer aus dem Spitzenjahr, kommentiert Payment- und Bankingthemen bei uns und u.a. bei Finanz-Szene.de und erfreut seine follower auf twitter (@mwmosen) mit pointierten Beiträgen zu Payment, Fintech oder Politik. Marcus W. Mosen hatte nach BWL-Studium in Koblenz und Birmingham seine ersten berufliche Stationen bei der Treuhandanstalt in Berlin und bei einem Telekommunikationsunternehmen in Düsseldorf. Seit 1999 hat er an verschiedenen Schaltstellen der deutschen und europäischen Paymentbranche die Entwicklungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs aktiv mitgestaltet. Heute ist er als Advisor und Investor in den Fintech & Tech-Szene engagiert.

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