Nach der globalen Finanzkrise 2007-2008 haben die G20-Mitgliedsstaaten eine Regulierungsreform eingeleitet, um zu verhindern, dass sich solche Krisen wiederholen. Im Rahmen dieser Initiative (UMR) wurde eine Liste internationaler Standards für den außerbörslichen Derivatehandel erstellt.

Gastbeitrag von Torsten Joseph, Lead Solutions Consultant, Treasury und Capital Markets

Daraus ist das Regelwerk mit der Bezeichnung „Uncleared Margin Rules“ (UMR) entstanden. Die festgelegten Regeln sollen schrittweise über einen vorgegebenen Zeitraum eingeführt werden, wobei die letzte Phase, von der etwa 1.000 Unternehmen betroffen sind, im September 2022 in Kraft tritt. Die UMR fordern den Austausch einer sogenannten „Initial Margin“ (IM). Diese bezeichnet die von einer Vertragspartei erhobenen Sicherheiten, die beidseitig gebucht werden, um das aktuelle sowie das potenzielle Risiko zu minimieren. Typische Derivate, die in den Geltungsbereich der UMR fallen, sind FX-Optionen, FX-Forwards, Non-Deliverable FX-Forwards, Swaptions, Zinscaps und Zinsfloors.

Die Vorbereitung auf die Umsetzung der UMR ist ein umfangreicher und zeitintensiver Prozess. Mit der nahenden Frist für die vollständige Implementierung der nötigen Maßnahmen wird erwartet, dass die letzte Phase die größte Herausforderung darstellt. Doch gut umgesetzt bietet sie Finanzinstituten auch eine große Chance sich erfolgreich auf die Zukunft im Derivatehandel vorzubereiten – mit zentralen automatisierten Prozessen sowie effizientem und nachhaltigem Collateral Management.

Doch was müssen Finanzinstitute hinsichtlich der nahenden Frist zur Umsetzung der UMR wissen?

Zeitplan für die Einhaltung der Vorschriften der UMR

Von März bis Mai 2022 lag der Fokus für Finanzinstitute vorrangig darauf, den Anwendungsbereich der IM zu bestimmen. Dazu zählt die Berechnung des gesamten durchschnittlichen Nominalwerts (Aggregate Average Notional Amount (AANA)) – die Summe aller ausstehenden, nicht geclearten Derivatepositionen auf Bruttonominalbasis. Für Unternehmen mit einem AANA von über 8 Milliarden Euro gilt die im September beginnende UMR-Phase 6.

Um etwaige Probleme bis September beheben zu können, müssen Unternehmen, die diese Schritte noch nicht vollständig abgeschlossen haben, jetzt schnell handeln.

Anforderungen zur Einhaltung der Vorschriften

Um die Anforderung der Initial Margin (IM) erfolgreich zu erfüllen, gibt es fünf zentrale Aspekte:

  1. Berechnung der IM: Finanzinstitute müssen ihr Exposure berechnen. Die meisten Marktteilnehmer verwenden das Standard Initial Margin Model (SIMM) der International Swaps and Derivatives Association (ISDA). Das ist eine gängige Methode, die Marktteilnehmern bei der Berechnung der IM für nicht geclearte Derivate hilft. In einigen Rechtssystemen kann zusätzlich ein dynamisches Backtesting erforderlich sein.
  2. Überwachung des Schwellenwerts: Finanzinstitute müssen nur dann Sicherheitsleistungen austauschen, wenn die berechnete IM den festgelegten Schwellenwert überschreitet. Dazu müssen sie ein entsprechendes Kontrollverfahren einrichten, welches eine kontinuierliche Berechnung und Prüfung der IM garantiert – und die Verantwortlichen im Falle einer Überschreitung informiert.
  3. Überschreitung des Schwellenwerts: Bei Überschreitung der Schwellenwerte müssen die Gegenparteien entsprechend informiert werden. Anschließend müssen der Pfandschuldner und die besicherten Forderungen mit den Vertragspartnern vereinbart werden.
  4. Überwachung der Sicherheiten: Der Wertpapierbestand muss laufend geprüft werden, damit sichergestellt ist, dass die Unternehmen Zugang zu Wertpapieren haben, die als Sicherheiten anerkannt sind. Dann müssen die ausgewählten Wertpapiere bewertet und anschließend als Sicherheit eingesetzt werden.
  5. Getrennte Abwicklung: Die Sicherheiten müssen gesondert verrechnet werden. Das bedeutet, dass die eigenen Verwahrstellen/Triparty-Agenten und die der Gegenpartei instruiert werden müssen.

Die Kernherausforderungen bei den UMR bewältigen

Eine große Herausforderung bei der Einhaltung der UMR besteht darin, dass die Berechnung der IM weitaus komplexer ist als die Berechnung der Variation Margin (VM). Neben einer Mark-to-Market-(MtM)-Bewertung, müssen auch verschiedene Sensitivitäten wie Delta, Vega oder die Korrelation berücksichtigt werden. Dafür sind genaue Daten über die Transaktionen, die Cashflows und den Markt entscheidend für eine korrekte Berechnung.

Der Prozess birgt weitere Herausforderungen. Bei der IM sind Wertpapiersicherheiten der Marktstandard, doch viele kleinere Unternehmen haben bislang nur mit Barsicherheiten gearbeitet. Hinzu kommt die Komplexität im Zusammenhang mit Wertpapierbeständen, Eignung als Sicherheit, Haircuts und Abwicklung.

Weiterhin stehen viele Finanzinstitute offensichtlich vor Herausforderungen im Infrastrukturbereich. Die IM führt zu höheren Anforderungen an die Systeme zum Management von Derivaten und Sicherheiten, etwa der Berechnung von Sensitivitätsparametern nach entsprechenden Richtlinien und Formeln sowie der anschließenden operativen Verarbeitung der Ergebnisse. Zudem müssen Finanzinstitute technische Anforderungen und Upgrades schnell und erfolgreich implementieren, was vor dem Stichtag im September kein leichtes Unterfangen ist.

Mit dem richtigen Partner gut vorbereitet

Durch die Kooperation mit einem Technologieunternehmen, welches cloudbasierte Dienste für das Collateral Management anbietet, können diese Herausforderungen effizient und einfach gelöst werden. Auch die Verarbeitung von Daten sowie die Umwandlung in Abwicklungsaufträge und Berichte wird erleichtert. ISDA-zertifizierte Dienste garantieren korrekte SIMM-Berechnungen, wodurch SIMM-spezifische Formeln nicht selbst intern implementiert werden müssen. Das Technologieunternehmen unterstützt auch komplexe Tätigkeiten wie die Verwaltung von Marktdaten und Änderungen im SIMM-Modell.

Ein weiterer Vorteil ist ein einheitlicher End-to-End-Prozess für VM und IM. Dieser mindert das operationelle Risiko, minimiert die Kosten für Wertpapiersicherheiten und die Straight-Through-Processing-(STP)-Abwicklung mittels Depotbank- und Triparty-Konnektivität über SWIFT verbessert. Außerdem minimiert ein IM-Cloud-Service die Auswirkungen auf bestehende lokale Systeme. Es macht kostspielige Inhouse-Entwicklungen oder Versions-Upgrades überflüssig – und ermöglicht so eine schnelle, fristgerechte und erfolgreiche Implementierung der UMR-Anforderungen für Finanzinstitutionen.  

Anders als bei Vorschriften wie MiFID geht es im Falle einer Nichteinhaltung der Frist für Phase 6 der UMR nicht nur um eine Geldstrafe, sondern es besteht sogar die Möglichkeit, dass der Handel komplett eingefroren wird. Unternehmen, die nicht angemessen vorbereitet sind, gehen daher enorme Risiken ein. Daher ist eine klare Strategie zur fristgerechten Einhaltung der Vorschriften von entscheidender Bedeutung.

Über den Autor:

Torsten Joseph ist Lead Solutions Consultant, Treasury und Capital Markets bei Finastra, einem der größten Fintech-Unternehmen mit einem breiten Portfolio an Lösungen für Finanzinstitute.

Headerbild: Bildnachweis: metamorworks

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