Wieder einmal steht das Thema Payment for Order Flow“ (kurz: PFOF) in der Kritik. Wie letzte Woche bekannt wurde, stemmt sich Finanzminister Christian Lindner gegen das Verbot – und steht damit offenbar nicht alleine. Finanz-Szene und Finance Forward zitieren aus einem vertraulichen Positionspapier der Bundesregierung, das den Redaktionen vorliegt. Darin heißt es: „Germany strongly opposes the inclusion of the general ban on payment for forwarding client orders for execution.“

PFOF steht für „Payment for Order Flow“. Das ist eine Vergütung, die ein Broker von einem Ausführungsplatz erhält, an den er eine Kundenorder zur Ausführung weiterleitet. Solche Vergütungen zahlen Ausführungsplätze an Broker, sofern diese Kundenorder an sie weiterleiten.

Hiesige Neobroker sind abhängig von Vergütung

Abhängig von solchen Vergütungen sind insbesondere Neobroker wie unter anderem Trade Republik, nach deren Preismodell Kunden für Order keine oder nur eine geringe Vergütung zahlen. Der wesentliche Teil der Vergütung erzielen solche Anbieter aus den Payment for Order Flows.

Länder wie die Niederlande oder Frankreich dürften sich über Diskussion hierzulande wundern. Insbesondere die Niederlande sind klare Verfechter eines Verbotes von PFOF. Dortige Neobroker haben früh andere Preismodelle finden müssen. Diesen strategischen Schritt müssten im Falle eines Verbotes auch hiesige Neobroker gehen.

Wir sprechen mit Till-Christopher Otto, Rechtsanwalt bei Annerton und Autor, über die Konsequenzen eines Verbotes von PFOF über den engen Spielraum nationaler Alleingänge.

Was würde ein Verbot für Payment for Order Flow für die hiesigen Neobroker bedeuten?

Ein vollständiges Verbot – wie ursprünglich von der Kommission vorgeschlagen – wäre für die Neobroker eine Herausforderung gewesen. Sie hätten ihr Vergütungsmodell umstellen müssen. Folge wäre vermutlich gewesen, dass die Kunden mehr je Order hätten zahlen müssen.

Warum sind hauptsächlich die Vergütungen für Neo-Broker so heikel? Immerhin kassieren andere ja auch an der Vermittlung von Dienstleistungen …

Gerade PFOF war den Aufsichtsbehörden und der Kommission zunehmend ein Dorn im Auge, allerdings weniger aufgrund der Tatsache, dass eine Zahlung durch die Ausführungsplätze erfolgte, als mehr aus der Tatsache heraus, dass Zahlungen insbesondere von Ausführungsplätzen erfolgten, die als sogenannte „Market Maker“ gelten. Das sind Wertpapierunternehmen, deren Geschäftsmodell hauptsächlich darauf beruht, Kundenorder zu bündeln bzw. außerbörslich zu platzieren und so Kursvorteile auszunutzen. Das kann sich nachteilig auf die Markttransparent auswirken, da der Handel nicht mehr 1:1 die tatsächlichen Orderverläufe abbildet. Markttransparenz ist aber ein zentrales Ziel der europäischen Finanzmarktregulierung, weswegen die Kommission letztlich auch das Verbot vorgeschlagen hat.

Nun stellt sich Finanzminister Christian Lindern offenbar vor die Neo-Broker und will das mögliche Verbot stoppen. Kann er das eigentlich?

Klar kann er das, allerdings nicht alleine. Der Kommissionsvorschlag soll im Rahmen einer Änderung der sogenannten MiFIR erfolgen, einer europäischen Verordnung. Über die Änderung wird im formalen Rechtsetzungsverfahren entschieden. Teil dessen ist auch die Zustimmung des Rates der EU, in dem auch Deutschland eine Stimme hat. Für die vorgeschlagene Änderung der MiFIR wäre die Zustimmung der Mehrheit der Mitgliedsstaaten im Rat erforderlich. Insofern hätte eine Ablehnung der Neufassung durch Deutschland Gewicht. Eine pauschale Ablehnung durch Deutschland ist aber weniger wahrscheinlich, als dass Deutschland versuchen wird, über den Rat Änderungen am Kommissionsvorschlag einfließen zu lassen, um das PFOF-Verbot aufzuweichen oder vollständig aufheben zu lassen.

Übrigens ist es nicht allein Finanzminister Lindner, der gegen ein PFOF-Verbot ist. Er ist mit der Position auf einer Linie mit der, die der ehemalige Abgeordnete des EU-Parlaments Sven Giegold vertreten hat. Der urteilte bei Vorstellung des Kommissionsentwurfs, ein PFOF-Verbot „wäre ein Geschenk für alle konventionellen Anbieter, die sich die lästige Fintech-Konkurrenz vom Hals schaffen“ wollten. Sven Giegold ist mittlerweile parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Insofern kann sich Christian Lindner von dieser Seite möglicherweise Unterstützung erhoffen.

Selbst die für den Kommissionsentwurf zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness hatte kurz nach Veröffentlichung des Entwurfs geäußert, dass das Verbot keineswegs bereits ausgemachte Sache sei.

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Die ESMA hatte bereits im Juli 2021 in einer Stellungnahme die Ansicht vertreten, PFOF sei bereits nach derzeitiger Rechtslage kaum zulässig. Auch die BaFin vertrat diese Meinung. Mit welcher Begründung wird PFOF als rechtlich nicht zulässig erachtet?

Die Aufsichtsbehörden stützten ihre Ansicht auf die Vorgaben, die für Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Annahme sogenannter Zuwendungen gelten. Zuwendungen sind vereinfacht ausgedrückt sämtliche Gelder, die etwa ein Neobroker von Dritten, also nicht den eigenen Kunden, erhält. Dazu zählen gerade auch die Vergütungen, die im Rahmen von PFOF gezahlt werden. Solche Zuwendungen müssten grundsätzlich an den Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens weitergeleitet werden und dürfen nur ausnahmsweise einbehalten werden. Insbesondere müssen sie zur Verbesserung des Angebots für den Kunden führen, offengelegt werden und Interessenkonflikte müssen vermieden werden.

Die ESMA hatte nun leicht apodiktisch behauptet, PFOF seien mit dem Zuwendungsregime in den meisten Fällen vermutlich unvereinbar. Die BaFin war in ihren Äußerungen zurückhaltender.

Schwierigkeiten bereitet in einer Vielzahl der Fälle die Begründung, weswegen PFOF zu einer Qualitätsverbesserung für den Kunden führe. Ein Argument, das oft angeführt wird ist, dass durch PFOF die Leistung für den Kunden kostenlos oder zumindest wesentlich günstiger angeboten werden kann. Tatsächlich sollen die Angebote der Neobroker dazu geführt haben, dass die bis dahin existierende Gebührenstruktur, die gerade Kleinanleger benachteiligte, unter Druck geriet. Das stärkt das Argument der Neobroker, durch PFOF werde das Angebot für den Endkunden günstiger. PFOF trage daher zur Qualitätsverbesserung für den Kunden bei.

Einig sind sich die Aufsichtsbehörden dagegen beim Thema Interessenkonflikt. PFOF darf nicht dazu führen, das Aufträge an den Ausführungsplatz geroutet werden, der die höchste Zuwendung leistet. Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen bei Auftragsausführung im bestmöglichen Kundeninteresse handeln. Praktiken, die den Ausführungsplatz, der die höchste PFOF leistet, an erster Stelle listet, sind daher in der Regel unzulässig.

Es hatten bis Ende letzten Jahres viele erwartet, dass die Kommission die bisherigen Regelungen zu Zuwendungen verschärft und Neobroker zu (noch) mehr Transparenz verpflichtet. Der Vorschlag wurde nicht angenommen, sondern PFOF sollte vollends verboten werden. Wäre also die Ursprungsidee die Alternative für Länder, die sich dem Verbot von PFOF nicht anschließen wollen?

Die Finanzmarktrichtlinie MiFID II mit ihren delegierten Rechtsakten und die Finanzmarktverordnung MiFIR sehen eine 1:1-Umsetzung vor. Spielraum für den nationalen Gesetzgeber, eigene Regelungen zu erlassen, sind daher eng begrenzt. Wahrscheinlicher ist aus meiner Sicht, dass entweder der europäische Gesetzgeber selbst Anpassungen am Zuwendungsregime vornimmt, um PFOF in den ungewünschten Varianten zu begrenzen oder das den Aufsichtsbehörden überlassen wird. So könnte die ESMA etwa näher definieren, welche Formen von PFOF mit dem Zuwendungsregime noch vereinbar seien und welche nicht. Die nationalen Aufsichtsbehörden würden die Klarstellungen der ESMA dann in ihre nationale Aufsichtspraxis übernehmen.

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