Mitten im alljährlich Nachrichten-schwachen Sommerloch machte in den Medien dann doch eine Meldung die Runde – und die Schlagzeile liest sich so: „PayPal goes Stablecoin“ und schafft eine eigene Währung! Das Unternehmen will damit seinen Einstieg in das Ökosystem der digitalen Währungen markieren. Wirklich?
Sommerlöcher führen schnell dazu, dass es News in die Berichterstattung schaffen, die sonst keine weitere Beachtung erfahren hätten. Doch wie verhält es sich mit dieser Meldung? Überrascht die PayPal-Ankündigung? Wir sind ehrlich: eigentlich nicht, denn bereits vor einigen Jahren versuchte PayPal an dem Geschäft mit den Kryptowährungen zu partizipieren und wurde seinerzeit ein namhafter Partner bei Facebooks Libra – diese Partnerschaft beendete der Online-Bezahldienst im Herbst 2019 die Kooperation. Hinzu kommt, dass das US-amerikanische Unternehmen seit über einem Jahr sowohl Crypto Trading und Verwahrung anbietet.
Startet PayPal einen neuen Versuch?
Ab sofort bietet PayPal den Kund:innen in den US einen eigenen Stablecoin (PYUSD) an – dieser kann gegen US-Dollar eingetauscht und dann im PayPal Netzwerk, sowie externen Wallets genutzt werden. Den Stablecoin stemmt PayPal jedoch nicht im Alleingang, sondern in Kooperation mit dem Finanzunternehmen Paxos Trust Company aus New York. Das Unternehmen bietet seit etwas über einem Jahr ein mehr oder weniger identische Set-up, mit eher mäßigem Erfolg – der USDP (Paxos Stablecoin) hat bisher keine wirkliche Zugkraft erlangen können. Paxos ist vor allem als Emittent des drittgrößten Stablecoins Binance USD (BUSD) bekannt.
Die fehlende Marktdurchdringung mag jedoch daran liegen, dass Paxos zwar ein regulierter Player ist, sich aber in der Selbstdefinition eher als „Stablecoin as a Service“-Anbieter versteht. Diesen Ansatz nutzt der US-amerikanische Zahlungsdienst an dieser Stelle. Gedeckt ist sowohl der USDP als auch der neue Stablecoin (PYUSD) durch Dollarreserven sowie kurzfristige US-Staatsanleihen. Ein PYUSD entspricht dem Wert eines US-Dollars.
Überraschend ist der Launch in den USA, da es anders als in der EU (MiCA, etc.) weiterhin eine große regulatorische Ungewissheit in Hinblick auf digitale Assets in den USA vorherrscht. Dennoch ist der Start erst einmal ausschließlich für die USA vorgesehen. Technisch basiert der PYUSD auf der Ethereum Blockchain (ERC-20-Token), was sowohl Vorteile (großes Developer Netzwerk) als auch Nachteile (hohe Transaktionskosten) mit sich bringt.
Warum ist ein Stablecoin Business spannend?
Die anhaltende Zinswende und vor allem die sehr hohen Zinsen in den USA sind für den Herausgeber des Stablecoins – hier Paxos und PayPal – sehr lukrativ. War es in den vergangenen Jahren eher ein Problem, Liquidität zu parken (reserve manager), so ist dieses Verwahren von Liquidität allein in den letzten Monaten zu einem ausgezeichneten Business geworden. Das wird einer der Treiber auch für PayPal sein, es den großen Vorbildern in den USA, darunter Tether und Circle, gleichzutun.
Handelt es sich hierbei um den großen Wurf – und welche Strategie könnte PayPal mit der Herausgabe verfolgen? Das sagt das Payment and Banking-Team:
Ich glaube nicht, dass es für PayPal selber zum Game-Changer wird. Allerdings schaffte es auch außerhalb der Kryptowelt noch einmal mehr Aufmerksamkeit für die Themen rund um Stablecoins. Nach der Ankündigung von SAP und Circle gemeinsam Treasury / Payment-Lösungen zu schaffen, sehe ich hier einen zweiten, traditionellen Player, der sich dem Thema mit mehr als einer Ankündigung widmet.
Traue ich PayPal selber einen großen Wurf in der Sache zu? Da bin ich skeptischer, da das Unternehmen im erfolgreichen Kerngeschäft gefangen zu sein scheint. Viele neue Themen wurden von PayPal in den letzten Jahren gestartet und getestet, aber außerhalb des Kernbusiness hat keines dieser Themen wirklich massiv Erfolg gehabt (POS, Kreditkarte etc).
Das klingt alles sehr nach einem etablierten Web2 Player, der krampfhaft versucht bei Web3 einen Anschluss zu finden, wo er doch schon etliche Payment-Züge im Web2 irgendwie verpasst hat. Auch nach langem nachdenken verstehe ich nicht, welches Problem PayPal für seine Kunden mit dem neuen Produkt eigentlich lösen will:
- X-Border Payments? Dafür hilft ein reiner USD Stable Coin nicht und es müssen mehr Währungen unterstützt werden.
- Sofortiges/Instant Payment? Für Kunden ist eine PayPal-2-PayPal-Transaktion seit Gründung 1999 schon “sofort” und das egal wo weltweit die PayPal-Kunden sitzen. Übrigens bot PayPal das schon Jahrzehnte als Standard, bevor etablierte Finanzdienstleister Initiativen wie Instant- oder Faster Payments starteten.
- Günstigere Gebühren? PayPal P2P Payments außerhalb von Handelskäufen ist seit langem kostenfrei. Gibt es günstiger als kostenfrei?
Der erste Einstieg von PayPal in den Cryptobereich, nämlich Trading und Verwahrung, den auch wir noch hoffnungsvoll begleiteten, liegt schon gut zwei Jahre zurück. Wirkliche Relevanz gemessen an einer Business-Traktion hat das Thema dort immer noch nicht bekommen. Es ist im PayPal-Gesamtbusiness ein Rundungsfehler und teilt ein ähnliches Schicksal wie die lautstark angekündigte, aber bisher gefloppte PayPal Super-App-Strategie.
PayPal hat darüber hinaus bekanntlich schon sehr lange massive Executionprobleme neue Produkte zu vermarkten, die nicht zur absoluten Kernkompetenz gehören. Adyen, Apple/Google Pay, Stripe, Klarna, SumUp, Square/Block, PayU und einige mehr haben PayPal mit ihren jeweiligen Konkurrenz-Lösungen bekanntlich ziemlich alt aussehen lassen. Sie schafften es schneller Kunden und Händler komplett neu zu gewinnen und zu onboarden als PayPal, die „nur“ eine Lösung in ihren großen, aber gleichzeitig schrumpfenden Kundenbestand aktivieren muss. Selbst die ehemalige Mutter eBay hat die Paymentabwicklung mittlerweile an Adyen vergeben, statt PayPal als zentralen Payment Service Provider zu beauftragen.
Es spricht daher viel dafür, dass andere Crypto-Native-Player wie z.B. Circle oder Coinbase PayPal genauso alt aussehen lassen, wie die oben genannten Web2 Player bei Web2-Paymentlösungen. So gesehen war die Ankündigung und die kurzfristig sehr positive Reaktion des Aktienkurses wenigstens ein kleines Trostpflaster für die stark gebeutelten Aktionäre des Zahlungsdienstes.
Crypto-Nerds, die jede noch so kleine Meldung einer Crypto-Adaption durch Incumbents beklatschen, haben dem PayPal Stable Coin viel Aufmerksamkeit in sozialen und digitalen Medien verschafft. Wie es aber schon sprichwörtlich heisst: The proof of the pudding is in the eating. PayPal muss erst noch beweisen welches Problem ihrer Kunden der PayPal Stable Coin wirklich löst und ob dieses Nebenprojekt wirklich Marktanteile von lupenreinen Web3 Anbietern abjagen kann, die 24/7 an Cryptoökosystemen bauen. Ich bin angesichts der vielen Fragezeichen zur Value Proposition und Execution-Fähigkeiten von PayPal sehr skeptisch ob der Coin mehr wird als ein kurzfristiges Rauschen im digitalen Medienwald.
Eines muss man PayPal ja lassen. Hustet das Unternehmen, berichten alle darüber. Ob man die Ankündigung als Kehrtwende im Hinblick auf einen möglichen Einstieg in das Ökosystem lesen darf – fraglich! PayPals Versuche, sich in dem Krypto-Space zu etablieren, scheiterten bislang. Ob es überhaupt zur Herausgabe eines Stablecoins kommen würde, war ohnehin fraglich, denn die Entwicklung wurde zunächst gestoppt, nachdem sich Paxos dem prüfenden Blick der US-Regulierung stellen musste.
Aber nachdem Paypal bereits 2020 mit Kryptozahlungen gestartet ist, liest sich die Herausgabe des PYUSD als nächster logischer Schritt, um seine Position im Kryptosektor zu stärken. Für mich stellt sich nur die Frage, wer hier Treiber und Getriebener ist. Denn mit der Ankündigung SAPs, das ‚Problem vieler kleiner und mittlerer Unternehmen, Geld ins Ausland zu schicken, mit ‚digitalem Geld‘ und der Blockchain-Technologie lösen zu wollen“, kratzt SAP gemeinsam mit Circle am Kerngeschäft PayPals.