Die zweite Ausgabe der Money 20/20 fand mal wieder im schön warmen Singapur statt und wir durften aufgrund unsere globalen Partnerschaft bei der Money 20/20 dabei sein und uns das Geschehen in Payment und Banking in Süd-Ost Asien aus der Nähe anschauen.
SEA – Wachstum gefolgt von noch mehr Wachstum
Wie auch im letzten Jahr bekommt man leichte Komplexe wenn man sich die Wachstumszahlen der FinTechs in dieser Region anhören darf. Natürlich passiert erst einmal alles auf einer kleinen Basis aber das soll niemanden in die Irre führen.
Nehmen wir z.B. Grab. Gestartet als Uber in Südostasien mit Basis in Singapur, hat Grab nicht nur Uber aus der Region vertrieben (respektive deren SEA Operations übernommen) und sich auf 8 Länder und 366 Städte ausgebreitet. Ziemlich genau vor einem Jahr auf der Bühne der Money 20/20 Asia kündigte der Gründer von Grab die Ausweitung der Services auf Financial Services an (fokussiert auf Dienste für die Fahrer). Fast genau 12 Monate später ist Grab Financial in 6 Märkten mit eigenen (!!) Lizenzen verfügbar und ist nunmehr das größte Payment-Ökosystem in Südostasien. In Europa feiern wir Start-Ups wenn sie eine Million Nutzer erreichen.
Grab Financial ändert dabei ganz nebenbei das Leben Ihrer Fahrer und deren Familien. In der diesjährigen Ausgabe der Money 20/20 wurden “Grow with Grab” (Micro-Loans), POS und eCom Payment sowie Micro-Insurances in Zusammenarbeit mit ZhongAn vorgestellt. Grow with Grab ermöglicht Micro-Merchants einfach Kapital aufzunehmen um zu expandieren. Da es sich bei den meisten Grab Merchants um under-banked Merchants handelt, ist das Fehlen von Kredithistorie natürlich ein Killer-Argument, warum diese Händler keinen Zugang
Südostasiatische Super-App
Spannend ist auch das Joint Venture, welches zwischen Grab und ZhongAn (einer der erfolgreichsten Online-only Versicherer China’s) geschlossen wurde. Die Timeline sah so aus: Januar JV Vertrag geschlossen, März Roll-out der ersten Versicherungsprodukte an Grab Fahrer (Krankenversicherung und KFZ-Versicherung).
Auf die semi-schlaue Nachfrage des Langnasen-Moderators wie man denn kommuniziert hätte bei der Produktentwicklung (ob per WhatsApp oder WeChat), kam die herrlich trockene Antwort: “Die Teams saßen in einem Raum nebeneinander.”
Grab entwickelt sich immer mehr zu der südostasiatischen Variante der chinesischen Super-App. Variante deshalb, weil es nicht eine Super-App á la WeChat ist, die täglich mehrere Stunden von Konsumenten genutzt wird, sondern eher eine Super-App für die Fahrer (Händler) wird und Services rund um deren Notwendigkeiten zur Verfügung stellt.
FinTech-Erfolgsstory
Eine weitere Erfolgsstory in Südostasien ist OVO aus Indonesien. Gestartet in 2017 als stand-alone payment app, kam der Durchbruch letztes Jahr mit der Grab Partnerschaft (GrabPay in Indonesien wird durch OVO zur Verfügung gestellt). Heute ist OVO auf 150 Millionen Geräten verfügbar, hat mehr als 300k Händler und kann mehr als 90% der Erwachsenen in Indonesien bedienen. Nicht schlecht für ein zwei Jahre altes FinTech im viert-bevölkerungsreichsten Land.
Von wegen Entwicklungsland
Auch OVO hat sich bereits von “nur” Payment weiterentwickelt. Der stored value auf dem OVO Wallet hat sich YoY verfünffacht auf $18.11. Das mag für sich für uns nicht viel anhören, stellt aber 18 Mahlzeiten für eine Familie der Mittelschicht in Indonesien dar. Indonesien ist immer noch ein offline-Markt (60% underbanked), aber Apps wie OVO probieren sich an dem scheinbar Unmöglichen. Neben Payment hat OVO inzwischen noch weitere Services aufgenommen. Mit ihrem Lending Produkt stellt OVO nunmehr 60% des Online-Lending Volumens in Indonesien dar und in der Partnerschaft mit Tokopedia (Indonesiens größter e-Commerce-Händler) stellt OVO Lending 80% des Lending auf Tokopedia dar. Wohlgemerkt alles auf kleinen Zahlen aber mit einem enormen Potential (Kreditdurchdringung ist < 10%).
OVO hat auch ein Loyalty-Produkt (OVO Points) gestartet, seit Start 600 Millionen OVO Points ausgegeben (1 point = 1 indonesische Rupee) und hat eine unfassbare Redemption Rate von 95%! Fast noch unfassbarer ist allerdings das geniale Bareksa Produkt.
Mit dieser Partnerschaft erlaubt es OVO jedem OVO-Partner ab einem Rupee zu investieren – und zwar in Gold oder Mutual Funds (!!!). Das Ganze passiert auf Knopfdruck und T-0 rein und raus aus dem Wallet.
Sprich: Über Nacht kann nun ein SME Händler in Indonesien sein in OVO gespeichertes Guthaben per Knopfdruck in einen Mutual Fund investieren und 5-6% (p.a.) Return erwirtschaften. Und wenn er das Geld braucht, holt er das ebenfalls per Knopfdruck wieder zurück und hat es sofort zur Verfügung. Wer ist jetzt wohl das Entwicklungsland?
E-Commerce-Riese
Aufgrund der Vielzahl der SME Händler hat OVO auch ein eigenes Social-Scoring-Produkt ausgerollt, um mehr Transparenz für traditionelle Banken in diese Kundengruppe zu bringen. Dieser Score wird, Stand heute, schon von drei “normalen” Banken genutzt um diese Kundengruppe zu bedienen.
Um das Bild abzurunden, sprechen wir kurz noch über Tokopedia. Wie bereits erwähnt ist Tokopedia Indonesiens größter eCommerce Marktplatz. Allerdings: Um eCommerce in einem Land mit 17.000 Inseln zu ermöglichen, muss man “nebenbei” sein eigenes Logistikunternehmen aufbauen. Tokopedia ist mit zehn Jahren schon fast “alt” und war die ersten fünf Jahre auch tatsächlich ein etwas kleineres lokales Unternehmen. Erst durch das 2014er-Investment von Softbank und Sequoia, startete das rasante Wachstum. 2016 kamen dann die ersten Financial Services dazu und 2017 stieg Alibaba mit läppischen $1.1bn in das Unternehmen ein (und in Europa glaubt man, ein-bis zweistelloge stellige Millionen-Investments wären strategisch). 2019 legten Alibaba und Softbank dann nochmal mit 1.1 Mrd nach.
Zahl der Investoren verdoppelt
Tokopedia hat als eCommerce-Marktplatz fünf Millionen Händler, erreicht 93% Indonesiens mit 30% same-day (!!!). 70% der Händler auf Tokopedia sind das erste Mal selbständig. Die angebotenen Financial Services sind Lending, Investment und Insurance. Die Kredite werden mit vergleichsweise angenehmen 24% (APR) angeboten, was immer noch die Hälfte der marktüblichen Rate darstellt.
Auch Tokopedia hat eine Partnerschaft mit Bareksa und erlaubt seinen Händlern ab $0,04 in e-Gold oder ab $0,70 in Mutual Funds zu investieren. Wieder mit T-0 Ein- und Auszahlung in die Wallets. Die Zahl der Investoren in Indonesien hat sich von 2017 auf 2018 mehr als verdoppelt (2,1x). 40% der Neu-Investoren kamen über Tokopedia.
Während im Silicon Valley jeder über “do-good and change the world” redet, passiert dies mit jedem einzelnen dieser Start-Ups “in echt”. Trotz dieses Wachstums sind immer noch 190 Millionen Indonesier nicht Teil dieser Investor-Base. Da ist noch Luft nach oben.
Internationalisierung der chinesischen Tech-Titanen
In der ersten Ausgabe der Money 20/20 Asia 2018 dominierten zwei Fragen: „Wann“ und „wie“ würden sich die chinesischen Tech-Giganten wohl in Südostasien ausbreiten? Und: Würde das nur das Vorspiel für eine allgemeine Internationalisierungsstrategie sein?
Zwölf Monate später: Die Frage nach dem „Wann“ hat sich erledigt und die Frage nach dem „Wie“ wird aktiv anhand von Beispielen diskutiert. Die Mär vom “wir folgen dem chinesischen Touristen” kauft den BAT’s inzwischen keiner mehr ab. Schauen wir uns erstmal die “Großen” und dann die “Kleinen” (in chinesischen Maßstäben) an:
Das „Öko-System“ WeChat
WeChat sagt heute, dass die Internationalisierung vor 12 Monaten startete und dass sie ohne diesen Schritt nicht die 1 Mrd. monthly active User (MAU – jap, richtig gelesen) Marke geschafft hätten. Diese MAU verbringen dann im Schnitt 90 Minuten in der App. WeChat Pay liegt bei läppischen 800 Mio. MAU. Dabei ist das Öko-System WeChat mitnichten ein hausgemachtes, vielmehr werden die meisten Funktionen innerhalb von WeChat von Drittanbietern zur Verfügung gestellt. Der Drittanbieter Lifecycle geht von WeChat-Mini-Programm über offiziellen Accounts bis zu Card und Offers.
Den Retail-Merchants bietet WeChat dabei ein komplettes Produkt-Paket an – „WeChat Product“ system genannt. Dabei bietet die Plattform alles an: von geofenced Coupons, Payment, Advertising bis hin zu Social Kommunikation. Klingt wie Google auf Steroids und ist es wohl auch. Ein weiteres Vertical ist Transportation und Hospitality mit e-Cards bis hin zur kompletten Buchungsplattform für Hotels inklusive Facial Recognition für Check-in und Check-out.
In welchem Umfang WeChat die Internationalisierung geplant hat, lässt sich an der Zahl von 39 Ländern ablesen, die bereits analysiert und für attraktiv befunden wurden (zusätzlich zu den 40 Märkten, in denen WeChat Pay heute schon verfügbar ist). Die Marktmacht von WeChat Pay zeigt die fast schon freche Folie, welche prominent die im Saal befindlichen Acquirer aufforderte, sich doch auf der eigens eingerichteten Landing-Page für eine mögliche Zusammenarbeit zu bewerben – ganz klar wer jetzt der Hund und wer der Schwanz ist.
Erfolgs-Feature
WeChat Pay startete z.B. im Juni 2018 in Malaysia und hatte am ersten Tag bereits 20 Millionen (!!) aktive Nutzer. Spannend in dem Kontext war auch das Eingeständnis, dass der “Red Packet Day” (traditionell werden zum chinesischen Neujahrsfest rote Briefumschläge mit Geld verschenkt) einer der absoluten Erfolgs-Features von WeChat Pay war und ist (2017 wurden 14.2 Mrd. Red Packets über WeChat Pay versandt). Dieses Feature hat über die Grenzen Chinas hinweg Akzeptanz gefunden.
„Der ‚Red Packet Day‘ hat als Feature über die Grenzen Chinas hinaus Akzeptanz gefunden.“
Aufbauend hierauf hat Tencent dann WeRemit in Hong-Kong gestartet. Dieses Produkt erlaubt es philippinischen Gastarbeitern, Geld von Honkkong zurück auf die Philippinen zu senden.
Ein dem alten Credo “follow the tourist” geschuldetes, ebenfalls neu vorgestelltes Produkt war WeTax Refund. Eine neue Funktion die es dem Chinesen erlaubt, sein Tax Refund in 27 Ländern und 83 Flughäfen in WeChat durchzuführen.
Auf der Financial-Services-Seite reichen zwei Zahlen. Im Wealth Management hat man inzwischen > 500 Mrd Rmb (65 Mrd €) unter Management und auf der Mikro-Kredit-Seite hat Tencent 870 Mio Rmb (114Mio Euro) in drei Jahren an Krediten vergeben.
Ant Financial sprach ebenfalls von den 1 Mrd. MAU die man auf Alipay hat, schlug dann aber einen interessanten anderen Ton an. Hörte sich das bei WeChat noch alles nach chinesischer Dampfwalze an, war Ant Financial sehr bemüht dabei immer wieder zu betonen, dass die Herausforderung doch darin liege, die lokalen Märkte zu verstehen und sich ihnen anzupassen. Das Beispiel hierfür war, für den indischen Markt ein Investment in Gold anzubieten. Wie viel lokales Verständnis man für den indischen Markt tatsächlich aufbringen muss um zu verstehen, dass das eine gute Idee ist, mag dahin gestellt sein.
Kampf um Marktanteile und Dominanz
Natürlich sieht man aber auch international, dass Ant Financial mit AliPay und Tencent mit WeChat Pay um Marktanteile und Dominanz kämpfen. Natürlich hat auch Alipay ein Remittance Produkt von Hong-Kong zu den Philippinen im Angebot. Ach ja und wo wir schon dabei sind – das Ant Financial Produkt basiert komplett auf Blockchain (der hauseigenen Variante). Ich höre schon das Durchatmen bei dem ein oder anderen – es gibt sie doch, die verzweifelt gesuchten Use-Cases für die Blockchain.
Ant Financial hat sogar sehr offen darüber gesprochen, warum gerade bei Remittance die Blockchain-Implementierung Sinn machte. Jetzt müsst ihr Crypto-Fans stark sein. Es ging nämlich um Transparenz gegenüber dem Regulator und der Transparenz für KYC / AML / ATF. Spannend dürfte es demnächst in Südostasien im B2B-Markt werden. Ant Financial hat mit Worldfirst einen “lokalen” Player komplett übernommen und will diesen Markt aggressiv ausbauen.
InsurTech-Player
Wechseln wir kurz die Branche – InsurTech – namentlich PingAn. PingAn ist der größte InsurTech-Player im chinesischen Markt und bietet seine B2B Lösung bereits 500 chinesischen Banken an. Das Interesse für Kooperationen aus Südostasien war so stark, dass auch PingAn als einer der ersten InsurTech-Player (mit ZhongAn) mit der Internationalisierung anfängt.
Ein paar Zahlen rund um PingAn:
- 94Mio $ Umsatz aus Versicherungsprämien
- Marktkapitalisierung um die 180 Mrd $ und
- nach dieser Metrik der weltgrößte Versicherer hinter Warren Buffet’s Berkshire Hathaway
Die Firma hat auch nur so „läppische“ 1,8 Mio Angestellte mit 30.000 Engineers und 1.000 “Real AI People”.
Die für die Internationalisierung ausgesuchten Felder sind hauptsächlich im Mikro-Insurance- und Digital-Health-Bereich. Wichtig war PingAn aber die Betonung auf ein “asset light”-Vorgehen. Selbst wann man mehr und mehr in den FinTech-Bereich wachsen wolle, so wolle man auf jeden Fall keine Bank außerhalb von China sein.
Da scheint der Regulierungsschmerz der letzten Jahre im Heimatmarkt doch ein wenig Spuren hinterlassen zu haben.
PingAn hat wie auch die großen FinTech-Player einen eigenen Investment Fund für Investments in der InsurTech Branche. Dieser “kleine” 1 Mrd. $ Fund soll global spannende Investments finden, um zu “lernen”. Dabei ist der selbst proklamierte “Sweet Spot” 10-30 Mio $ Investments für 10-15%. Mal sehen, wann wir das erste Mal ein Investment in Deutschland sehen – es mag sehr zeitnah sein.
„Phänomenale Wachstumsaussichten“
Kurz in eigener Sache ein kleiner Ausflug zum Thema „Voice“. Auch hier spricht man nicht drüber „ob“ und „wann“, sondern nur noch “wie besser”? Beim Beispiel PingAn werden Versicherungsansprüche per Voice Bot eingereicht und dieser kann eine ca. 8-minütige “echte” Unterhaltung mit den Endkunden führen. Da muss Alexa noch ein wenig die Schulbank drücken.
Sowohl Ant Financial als auch PingAn betonten, dass die Herausforderung in Südostasien in der Fragmentierung der Märkte, dem Fehlen von Standards und der Kommunikation liegen, aber die Wachstumssussichten für die Region seien phänomenal. Wie brachte es Matthew Chen, der CEO von Sunline (größter Core Banking Provider in China, auf dem etliche hundert chinesische Banken und WeBank aufbauen), so schön trocken auf den Punkt:
„Die Herausforderungen in Südostasien liegen in der Fragmentierung der Märkte, dem Fehlen von Standards und der Kommunikation.“
“Why are you in SEA? – Money!”, “What excites you about SEA? – Food!”.
Altruistische Gründe haben die chinesischen Player sicherlich nicht im Sinn. Auch wenn immer von „Learnings“ aus dem chinesischen Markt gesprochen wird. Ebenfalls von Matthew stammt dieses Zitat:
“SEA is very diverse with lots of small pockets of innovation, maybe all of SEA will be as big as WeChat one day”.
Dem bleibt kaum etwas hinzuzufügen. Die Money 20/20 Asia war wie immer die Reise wert und man darf gespannt sein, was in der Region in den nächsten 12 Monaten passieren wird. Wir freuen uns auf 2020.