Metaverse: Wie kommen Unternehmen vom Hype zur Umsetzung?

Metaverse

Führungskräfte gerade in den Unternehmensbereichen Strategie, Geschäftsentwicklung und IT sollten aufkommende Technologien — wie zum Beispiel das Metaverse — identifizieren, untersuchen und fortlaufend verfolgen, um bei der Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen, der Umgestaltung des Unternehmens und der Risikominderung zu unterstützen.

Das Metaverse ist eine solche Technologie, deren Potenzial für und Auswirkungen auf strategische Geschäftsinnovationen Führungskräfte proaktiv berücksichtigen müssen. In diesem Artikel spreche ich vier Empfehlungen für Führungskräfte aus, wie Unternehmen vom Hype zur Umsetzung im Umgang mit dem Metaverse kommen. Das Ziel ist es dabei, weg vom Hype und Zukunftstrend hin zu einer pragmatischen Implementierung in Unternehmen zu kommen.

Zuvor mache ich einen Schritt zurück, um vorgelagert folgendes zu tun.

  • Erstens teile ich meine derzeitige Arbeitsdefinition eines Metaverse mit euch.
  • Zweites erkläre ich, woher der ganze Hype um das Metaverse überhaupt kommt.
  • Drittens spreche ich dann wie angekündigt vier Empfehlungen für Führungskräfte gerade in den Unternehmensbereichen Strategie, Geschäftsentwicklung und IT im Umgang mit dem Metaverse aus.

Was ist ein Metaverse?

Ich betrachte ein Metaverse als eine unabhängige virtuelle Ökonomie (Metaverse-Ökonomie), die durch digitale Währungen und Non-fungible Tokens (NFTs) ermöglicht wird. Diese Ökonomie entsteht in einem virtuellen Raum durch die Kombination mehrerer Umgebungen, die wir bereits kennen: der einen, virtuell erweiterten physischen Umgebung und den vielen digitalen Umgebungen. Mit anderen Worten, ein Metaverse ist geräteunabhängig, gehört nicht einem einzigen Anbieter und bedarf Industriestandards, um ohne Medienbruch zwischen Metaversen teleportieren zu können.

Ein Metaverse stellt dabei eine kombinatorische Innovation dar. Kombinatorisch bedeutet, dass es mehrere Technologien und Trends benötigt, um zu funktionieren. Dazu gehören Augmented Reality, flexible Arbeitsstile, Head-Mounted Displays, Cloud Computing, das Internet der Dinge, 5G, künstliche Intelligenz und räumliche Technologien.

Warum gibt es einen Hype um das Metaverse?

Der mediale Hype um den Zukunftstrend Metaverse inflationiert derzeit. Gartner erwartet, dass bis 2026 25 % der Menschen mindestens eine Stunde pro Tag im Metaverse verbringen werden, um dort zu arbeiten, einzukaufen, sich weiterzubilden, soziale Medien zu nutzen und/oder sich zu unterhalten. Die US-Börsenaufsichtsbehörde berichtet, dass das Wort „Metaverse“ in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 mehr als 1100-mal in behördlichen Anträgen auftauchte. Im Vorjahr waren es 260 Erwähnungen—und in den beiden vorangegangenen Jahrzehnten? Insgesamt weniger als ein Dutzend.

Viele Unternehmen haben das Bedürfnis, es zum Beispiel in Geschäftsstrategien oder Investorenberichten zu erwähnen — und natürlich auch, dass es besser zu den Fähigkeiten ihres Unternehmens passt als zu denjenigen der Konkurrenz. Nur wenige Unternehmen erklären, was es für sie ist oder was genau sie aufbauen werden. Die Unternehmen scheinen sich auch über die grundlegenden Aspekte dieser neuen Technologieplattform uneinig zu sein, einschließlich der Bedeutung von Virtual-Reality-Headsets, Blockchains und Kryptowährungen, sowie darüber, ob das Metaverse jetzt schon da ist, bald kommen könnte oder noch Jahrzehnte in der Zukunft liegt.

Börsennotierte Unternehmen bereiten sich auf das Metaverse vor

Auch die Investitionsvolumina erklären, warum ein medialer Hype ausgebrochen ist. Zunächst wurde viel über die Namensänderung von Facebook in „Meta“ und die mehr als 10 Milliarden US-Dollar geschrieben, die Meta aktuell jährlich mit seinen Metaverse-Initiativen verliert. Aber sechs weitere der größten börsennotierten Unternehmen der Welt — Amazon, Apple, Google, Microsoft, Nvidia und Tencent — bereiten sich ebenfalls darauf vor.

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Sie reorganisieren sich intern, schreiben ihre Stellenbeschreibungen um, rekonstruieren ihre Produktangebote und bereiten milliardenschwere Produkteinführungen vor.

Im Januar kündigte Microsoft die größte Übernahme in der Geschichte von Big Tech an und zahlte 75 Milliarden US-Dollar für den Spielegiganten Activision Blizzard, der „Bausteine für das Metaverse“ liefern würde. Modelle schätzen, dass Unternehmen, Private-Equity-Gesellschaften und Risikokapitalgeber in den ersten fünf Monaten des Jahres 2022 120 Milliarden US-Dollar in Metaverse-bezogene Investitionen investiert haben.

Die Aufregung ist also groß

Ein Großteil dieses Hypes wird von den genannten Technologieunternehmen vorangetrieben, die sich selbst als Metaverse-Unternehmen bezeichnen oder tatsächlich zentralisierte virtuelle Räume schaffen. Weiterhin werden mittelfristig Aktivitäten, die derzeit noch in getrennten Umgebungen stattfinden, irgendwann in dem einem Metaverse stattfinden, wie zum Beispiel dem Kauf von Outfits und Accessoires für Online-Avatare oder Interaktionen beim Onboarding von Mitarbeitern, im Kundendienst, im Verkauf und bei anderen geschäftlichen Interaktionen.

Doch wie können Unternehmen den Hype hinter sich lassen und konkret aktiv werden, um sich die neue Technologie auch zunutze zu machen? Dafür spreche ich im Folgenden vier Empfehlungen für Führungskräfte gerade in den Unternehmensbereichen Strategie, Geschäftsentwicklung und IT im Umgang mit dem Metaverse aus. Das Ziel der Empfehlungen ist es, dass Unternehmen vom Hype zur Umsetzung kommen können.

Vom Hype zur Umsetzung

Vier Empfehlungen für Unternehmen

1. Strategie: Entwickelt digitale Geschäftsstrategien, die die Infrastruktur und die Teilnehmer eines Metaverse nutzen.

Ich sehe aktuell drei solcher digitaler Geschäftsstrategien.

Strategie #1: Mit Metaverse-Plattformen zusammenarbeiten

Unternehmen können ihre Geschäftspräsenz im Metaverse aufbauen, indem sie eine Parzelle (digitales Grundstück) kaufen und dort eine maßgeschneiderte Struktur errichten (z. B. einen Laden, in dem Nutzer digitale Gegenstände ansehen und ihre Avatare anziehen können). Sie können auch themenbezogene Veranstaltungen organisieren und eine Gemeinschaft rund um die Marke im virtuellen Raum aufbauen.

Unter der Vielzahl von Metaverse-Plattformen bietet es sich an, mit den drei Großen zusammenzuarbeiten, die derzeit ein großes Potenzial haben:

  • Roblox: Die Plattform ist bekannt für eine große Anzahl an Spielen und Avatar-Zubehör von führenden Marken.
  • Decentraland: Angetrieben von der Ethereum-Blockchain, unterscheidet es sich durch die Möglichkeit, immersive virtuelle Gebäude wie Häuser, Konzertsäle und Kunstgalerien zu erstellen.
  • Sandbox: Neben dem Bau von Strukturen ermöglicht es, virtuelle Immobilien mit NFTs und SAND, dem eigenen Utility-Token, zu kaufen und zu verkaufen.

Strategie #2: Eigene maßgeschneiderte Metaverse-Lösung erstellen

Wie großartig eine Metaverse-Plattform auch sein mag, sie ist dennoch durch ihre Standardfunktionen begrenzt. Daher können Unternehmen eigene, maßgeschneiderte Metaverse-Lösungen erstellen, die ihren Geschäftsanforderungen entsprechen. Weiterhin können Marken eigene virtuelle Umgebungen in ein Ökosystem für ihre spezielle Nische verwandeln. Nehmen wir unter anderem die Modeindustrie. Eine Metaverse-Lösung kann ein virtuelles Einkaufszentrum sein, in dem Unternehmen von der Anmietung virtueller Grundstücke, dem Verkauf digitaler Waren und dem Anstieg der Kundenzahl profitieren. Der Betreiber des virtuellen Einkaufszentrums kann Geschäftspartner aus der gleichen Mode-Nische einladen, die wiederum mehr Menschen anziehen werden. So wird die Zielgruppe solcher Nischen-Metaverse-Plattformen, die bereit sind, Modeartikel zu kaufen, wachsen.

Strategie #3: Ein Teleportations-Tool zwischen Metaverse-Plattformen erstellen

Mit der steigenden Vielfalt an Metaverse-Plattformen steigt die Notwendigkeit einer Lösung, die diese miteinander verbindet. Metaverse-Plattformen müssen in gewisser Weise miteinander «sprechen» können. Dies könnte in einem Teleportations-Tool implementiert werden, das es Nutzern ermöglicht, einfach zwischen Metaverse-Plattformen verschiedener Unternehmen zu wechseln. Solch ein Tool kann eine hilfreiche Option sein, um den Wechsel von einer Umgebung in eine andere zu erleichtern. Wenn ein Nutzer eine neue Metaverse-Plattform betritt, muss er nicht jedes Mal ein Konto erstellen. Daten und Aktivitätsverlauf können nach Zustimmung automatisch in die Zielumgebung integriert werden. Folglich wird ein Teleportations-Tool auch für Metaverse-Plattformen ein Vorteil sein, da es mehr Nutzer anziehen wird.

2. Capabilities: Etabliert ein Ideen- und Innovationsmanagement, das sich dezidiert auf Metaverse-Möglichkeiten und -Geschäftsmodelle konzentriert.

Wesentliche Kompetenzen, die eine Unternehmen für das Metaverse benötigt, sind aus meiner Sicht folgende:

  • Digitale Produkte: Die ständige Online-Interaktion hat dazu geführt, dass die Menschen bereitwillig den Gedanken akzeptieren, digitale Produkte zu besitzen. Außerdem hat 3D-Grafik die Möglichkeit erhöht, eine genaue und ganzheitliche Wahrnehmung der Produkte zu bekommen. Auch wenn sie nicht so „real“ sind, wie wir es normalerweise von der Realität erwarten, so sind digitale Produkte doch real genug, um sie anzuprobieren. Als Beweis dafür hat sich Gucci mit der oben genannten Metaverse-Plattform Roblox zusammengetan, um eine zweiwöchige Kunstinstallation zu schaffen. Die Nutzer konnten digitale Gucci-Kleidung ausprobieren, indem sie ihre virtuellen 3D-Avatare einkleideten. Außerdem gab es die Möglichkeit, digitale Outfits zu kaufen.
  • Digitales Kundenerlebnis: Ein Metaverse bietet mittels VR- und AR-Technologien eine reiche Vielfalt an Tools, die die Produkte einer Marke ergänzen können. So hat Microsoft seine Videokonferenz-App Teams um eine Azure-basierte Cloud-Plattform erweitert, die kollaborative Mixed-Reality-Apps ermöglicht. Sie ermöglicht es Teams-Nutzern, gleichzeitig dieselbe virtuelle Umgebung zu teilen. Diese Mixed-Reality-Plattform wird häufig in der Online-Bildung eingesetzt. Studierende können über lebensechte 3D-Avatare miteinander interagieren und in immersiven Klassenzimmern zusammenarbeiten.
  • App-Integration: Die Integration von Apps innerhalb eines Metaverse ist wichtig, da sie das Problem des Medienbruchs beim Wechsel von einer App zur anderen umgeht. Ein Beispiel dafür ist die jüngste Metaverse-Präsentation von Meta. Mark Zuckerbergs Avatar betritt den Facebook Messenger und WhatsApp, ohne die Sitzung im Metaverse zu unterbrechen. Es dauert nur wenige Sekunden, um seinen Freunden oder seiner Familie eine Nachricht zu schicken. All dies verdeutlicht die Idee von tief in die virtuelle Realität integrierten Apps, die eine reibungslose und schnelle Interaktion mit den Funktionen eines Metaverse ermöglichen würden.

3. Risik & Compliance: Identifiziert und steuert die Risiken eines Metaverse auf allen Ebenen.

Wir werden tendenziell einen immer größeren Teil unserer Zeit in virtuellen Welten verbringen. Infolgedessen werden die Betreiber von Metaverse-Plattformen noch dominanter sein als Unternehmen, die in der heutigen digitalen Ökonomie führend sind. Ein Metaverse wird daher viele der Probleme der heutigen digitalen Existenz – Datenrechte, Datensicherheit, Fehlinformation und Radikalisierung, Plattformmacht und Nutzerzufriedenheit — verschärfen. Die Philosophien, Kulturen und Prioritäten der Unternehmen, die im Zeitalter des Metaverse führend sein werden, werden daher mit darüber entscheiden, ob unsere Zukunft tatsächlich besser ist als die jetzige, und nicht nur virtueller und lukrativer.

Während Unternehmen weltweit ein Metaverse vorantreiben, ist es wichtig, dass wir — Nutzer, Entwickler, Verbraucher und Wähler — verstehen, dass wir immer stets Einfluss auf unsere Zukunft haben und die Möglichkeit, den Status quo zu ändern.

4. Methode: Visualisiert Auswirkungen, Chancen, Hindernisse und Ergebnisse, die ein Metaverse mit sich bringt, zum Beispiel in Form eines sogenannten Emerging Technology Wheel.

Unternehmen verlassen sich vor allem auf die Funktionen Strategie, Geschäftsentwicklung und IT, um sich im Hype des Metaverse zurechtzufinden. Führungskräfte dieser Bereiche sollten eine einfache Visualisierung erarbeiten, die unternehmensweit über die Auswirkungen, Chancen, Hindernisse und Ergebnisse informiert, die ein Metaverse speziell für eine jeweilige Geschäftsstrategie bietet.

Wie die meisten Technologien verspricht auch ein Metaverse Möglichkeiten zur grundlegenden Umgestaltung des Geschäfts und führt zu einer digitalen Transformation. Wenn Unternehmen jedoch nicht in der Lage sind, die spezifischen Auswirkungen, Chancen, Hindernisse und Ergebnisse, die ein Metaverse mit sich bringt, zu erkennen und zu bestimmen, werden sie sich nur im Kreis drehen und sich auf jedes „glänzende neue Ding“ konzentrieren, ohne eine wirkliche Richtung einzuschlagen.

Emerging Technology Wheels (ETW) werden daher verwendet, um eine Momentaufnahme und eine einfache Visualisierung für Technologien zu erstellen, die ein Unternehmen verfolgt. ETWs erlauben ein detailliertes Technologieprofil für das Metaverse. Aus diesem Profil kann eine digitale Geschäftsstrategie abgeleitet werden, die auf die spezifischen Anforderungen des Unternehmens zugeschnitten ist. Ein ETW besteht aus vier konzentrischen Kreisen, die eine bestimmte neue Technologie wie das Metaverse beschreiben. Das ETW dabei ist in gleiche Teile unterteilt, die nach bestimmten Wirkungsbereichen geordnet sind.

Fazit und Empfehlungen

Damit komme ich zum Fazit und fasse die vier Empfehlungen zusammen:

  1. Strategie: Entwickelt digitale Geschäftsstrategien, die die Infrastruktur und die Teilnehmer eines Metaverse nutzen.
  2. Capabilities: Etabliert ein Ideen- und Innovationsmanagement, das sich dediziert auf Metaverse-Möglichkeiten und -Geschäftsmodelle konzentriert.
  3. Risik & Compliance: Identifiziert und steuert die Risiken eines Metaverse auf allen Ebenen.
  4. Methode: Visualisiert Auswirkungen, Chancen, Hindernisse und Ergebnisse, die ein Metaverse mit sich bringt, zum Beispiel in Form eines sogenannten Emerging Technology Wheel.

Vieles an der Zukunft ist ungewiss, so wie es das Internet in den 1990er und 2000er-Jahren war. Aber wir können bereits heute verstehen, wie ein Metaverse wahrscheinlich funktionieren wird und warum; welche Erfahrungen wann, warum und für wen verfügbar sein werden; was schiefgehen könnte und was richtig laufen muss. Und wir können diese Informationen nutzen, um die Zukunft zu gestalten, so wie es Big Tech tut und tun wird. Es stehen Billionen von Dollar auf dem Spiel, wie uns die Führungskräfte zu erinnern pflegen — und, was noch wichtiger ist, unser aller Zusammenleben.

Autor

  • Michael Blaschke ist Unternehmensberater für Technologiestrategie mit mehr als 6 Jahren internationaler Berufserfahrung bei Kearney Digital, Accenture Strategy und SAP in den Bereichen Top-Management-Beratung und Software-Engineering. Auf Blockchain-Projekten berät Michael Klienten weltweit zu digitalen Vermögenswerten und Währungen. Michael ist Mitglied des Metaverse-Kernteams bei Kearney Digital und war Mitglied des Digital Asset-Kernteams bei Accenture. Seine akademische und praktische Expertise bringt er als Co-host im Podcast Bitcoin, Fiat & Rock’n’Roll ein. Michael hat einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftsinformatik, einen Master-Abschluss in Informatik und einen Ph.D. in Information Systems an der Universität St. Gallen (HSG) und der London School of Economics (LSE).

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