Fürchtet Euch nicht, wir haben auch viele gute Nachrichten. Wir kriegen vielleicht sogar ein ganz neues Internet. Der zweite Tag der Banking Exchange 2024 nochmal zum Nachlesen.
Bei der „Bex of Change“ besprechen die klügsten Köpfe aus den Top-Etagen und Maschinenräumen der deutschen Fintechs und Banken. Hier gibt es alle News vom zweiten und finalen Tag der Konferenz mit Herz und Hirn.
Ein Überfallkommando von der Uni: Wie Web3 und KI die Wirtschaft grundlegend verändern werden.
Na, alle noch wach? Falls nicht, rüttelt Isabell M. Welpe, Leiterin der Forschungsgruppe Strategie und Organisation an der TU München, alle wieder auf. Direkt aus dem Taxi springt sie auf die Bühne und erklärt uns erstmal, was es mit Web3 und KI wirklich auf sich hat und warum die Veränderungen, die diese Technologien mit sich bringen, vielleicht weitläufiger sind, als wir alle glauben.
Klingt nach einem Buzzword-Gewitter? Ist es auch, aber eins mit Substanz. „Web3 und KI muss man zusammen betrachten, dann ergeben sie das Next-Generation-Internet“, sagt Welpe. Was das heißt: Das Transaktionsvolumen explodiert durch das Internet of Things, Tokenisierung ermöglicht ganz neue Geschäftsmodelle. Angeblich können wir bald sogar alle Appartements in New York und Wahrhol-Gemälde kaufen – zumindest teilweise. Wer dachte, dass sich das Thema mit dem NFT-Hype und dem anschließenden Crash erledigt hätte, der denkt jetzt vielleicht noch mal nach. Und wer wollte nicht schon immer am Central Park leben – zumindest virtuell?
Das Ganze dann mit KI gepaart ist dann eine Art Innovations-Molotowcocktail. Denn so kriegen Finanzfirmen nicht nur tolle neue Geschäftsfelder, sondern auch noch „Millionen neue Arbeitskräfte, und die arbeiten umsonst“, wie es Welpe formuliert.
Und dann, so schnell wie sie kam ist sie wieder weg. Und auch wir sind jetzt weg, rien ne va plus. Das war die BEX 2024. Vielen Dank an alle Besucher und auch an alle, die einfach so mal mitgelesen haben. Wir sehen uns dann im März bei der Payment Exchange in Berlin. Bis dahin!
Omaha ist überall, sogar im deutschen Mittelstand
Am Ende führen auf dem Kapitalmarkt alle Wege nach Omaha, genauer zum dort beheimateten Orakel namens Warren Buffet. Viele Kapitalmarkt-Teilnehmer verehren den alten Herren wie einen Rockstar. Irgendwie auch passend, dass einer der Helden des Finanzsektors ein alter, weißer Mann ist. (Und bevor Ihr Euch jetzt aufregt, bitte runter zum Diversity Panel scrollen für weitere Informationen)
Nichtsdestotrotz hat Buffet natürlich sehr oft Recht. Dachte sich auch Fabian Mohr, der Mitgründer und Chef von Unitplus. Der hat die Lehren des Buffet genommen und versucht sie nun, auf das Thema KMU-Liquidität zu übertragen. „Unternehmen suchen gerade aktiv höhere Zinsen“, berichtet er. Die will Unitplus bieten, und das auch noch schnell. Statt mehreren Wochen Wartezeit soll es nun in 15 Minuten klappen. Und dann: Liquidität parken, aber so flexibel wie Tagesgeld.
Damn Germans: Warum die Deutschen sich nach wie vor gegen bargeldloses Zahlen sträuben
Ein Fireside Chat am helllichten Tag erscheint witzlos, aber es kommt ja immer drauf an, wer am Kamin sitzt. Hier ist es direkt nach der Mittagspause Robert Bueninck, CEO von Unzer. Mit einem Mal fühlt es sich hier sehr international an, mit dem ersten englischsprachigen Programmpunkt der BEX. Thema ist die so grundlegende wie schwierige Frage: Kommen wir bald in die bargeldlose Gesellschaft?
In Deutschland, so Bueninck, dürfte das schwierig bleiben. Zu konservativ, zu privatsphärenversessen sind die Leute hier. Ein Blick in Buenincks Heimat, die Niederlande, zeigt wie es gehen könnte, zahlen dort doch nur noch etwa 20 Prozent der Leute mit Bargeld. Auch wegen einfacher Lösungen. „Die sind mit gerade einmal drei relevanten Banken in den Niederlanden aber einfacher zu finden als mit so vielen Banken wie in Deutschland“, erklärt der Unzer-Chef.
Ob Vero, mit viel Brimborium gestartet, den lang ersehnten Durchbruch für die Cashless Society wird? Ob es der Digitale Euro ist? Bueninck bleibt im Gespräch mit Moderator Christian von Hameln-Bonten zurückhaltend und gibt die klassische Juristenantwort: Kommt drauf an. „Wer erfolgreich sein will, muss das Konsumentenverhalten ändern“, sagt er. „Denen ist aber zum Beispiel egal, ob die Lösung günstig für die Händler ist.“ So wendet Moderator von Hameln-Bonten noch zurecht ein: „Niemand sucht aktiv nach den neuesten Payment-Produkten, die sind ein Mittel zum Zweck.“
„Die Kunden sind froh, wenn man ihnen Entscheidungen abnimmt“
Es ist eines der Buzzwords der vergangenen Jahre: Embedded Finance. Dahinter versteckt sich die Idee, dass auch Firmen abseits der Finanzbranche beispielsweise Konten, Kredite oder andere Produkte anbieten können. War das Thema einst heiß diskutiert, ist es zuletzt etwas ruhig geworden um das Thema. Was also sagen Miriam Wohlfarth (Payment & Banking, Banxware), Christian Steiger (Lexware) und Anna Fromme-Schoen (Tide) zum aktuellen Stand und dann auch zum Potenzial des Marktes im Bereich KMU?
Miriam Wohlfarth sieht naturgemäß mehr Chancen als Hürden und sieht Embedded Finance auch quer über alle Branchen hinweg. „Wir arbeiten mit Fintechs zusammen, aber auch mit Lieferando. Da machen wir dann Restaurantkredite, da hätte ich ja Anfangs nie drüber nachgedacht“, erzählt die Banxware-Gründerin. Angefangen hatten sie im E-Commerce, seither seien aber viele Branchen hinzugekommen.
Gerade bei Lexware sind die neuen Finanzprodukte ein wichtiger Baustein im eigenen Portfolio. Zu den Beweggründen auch Bankprodukte anzubieten sagt der Lexware-Chef: „Wir wollen alles aus einer Hand anbieten, das hilft bei einem hohen Automatisierungsgrad in den anderen Lösungen, die wir anbieten“, sagt Steiger. Ob das als Kundenbindung hilft? Direkt beantwortet Steiger das nicht, wir lesen aber zwischen den Zeilen: Na klar.
Anna Fromme-Schoen betont, wie zuvor auch Steiger, dass es um „Convenience“ geht: „Die Kunden sind froh, wenn man ihnen Entscheidungen abnimmt und ihnen einfach alles anbietet und die sich um nichts kümmern müssen“, sagt sie. Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sei oft wichtig, dass alles schnell und einfach geht. Da will Tide punkten. Sie betont auch nochmal, dass Kooperationen zwischen beispielsweise Buchhaltungssoftware und Banking-Apps: „Da können beide von profitieren.“
In Vorstandsetagen gilt Leistung nicht: Die ersten Banker hier werden nervös
Weiter geht es mit dem Thema Diversität und Inklusion mit Alex Gessner (ACI Consulting), Simona Stoytchkova (ehm. State Street) und Florian Malicke (Influencer), die die deutsche Bankenlandschaft einmal auf Herz und Nieren prüfen. Das Ergebnis der Analyse von Alex Gessner: „Uns geht es hier zu geht und alle glauben, dass es immer so weiter geht. Aber wir brauchen Veränderung. Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Der Finanzstandort ist einfach nicht mehr sexy.“ Das sind erstmals ernüchternde Worte. Doch ist es wirklich so schlimmer?
Simona Stoytchkova, ehemals State Street, und jetzt Buchautorin („Die aus dem Osten“) jedenfalls kann die Analysen von Gessner mit eigenen Erfahrungen stützen. Sie selbst kam aus dem Plattenbau im Osten und stieg in die Vorstandsetage auf. Dabei fiel ihr auf: Nur Leistung zählt nicht. Denn befördert wird noch immer der und die, die ähnlich aussieht und ähnlich redet wie alle, die schon im Vorstand sitzt. „Wenn eine weiße, heterosexuelle Sabine jetzt Vorstand wird statt dem Thomas, der vorher da war, dann ist da nicht diverser. Denn die denkt wie alle anderen da.“ Sie konstatiert: „Das Mindset in Deutschland steckt noch immer in der Nachkriegszeit weg.“
Eine These, die natürlich auch Florian Malicke bestätigt. Er selbst ist, so erzählt er, Autist und hat ADHS – und ist damit einer von 20 Prozent in der Bevölkerung, der neurodivergent ist. In deutschen Banken und Fintechs werde das Thema bisher aber kaum angesprochen, geschweige denn umgesetzt. Das führe dann dazu, dass man Potenziale verschwende, weshalb er sagt: „Neuroinklusion ist kein Nice-to-have sondern der entscheidende Vorteil für Unternehmen, die wirklich zukunftsfähig sein wollen.“
„Wir beschäftigen und seit vielen Jahren mit Diversität und wir haben es geschafft, dass auf jeder Webseite etwas mit Vielfalt steht. Toooooll“
Alex Gessner weckt mit ihrem Impulsvortrag mal eben das Publikum auf – und zwar mit drastischen Zahlen, Fakten und ihrer wie immer starken Meinung zum Thema Diversität. So sagt sie gleich zum Einstieg: „Wir beschäftigen und seit vielen Jahren mit Diversität und wir haben es geschafft, dass auf jeder Webseite etwas mit Vielfalt steht. Toooooll.“ Falls es textlich nicht rüberkommt, hier noch der Hinweis: Das war natürlich Ironie. Denn tatsächlich sind deutsche Banken bei den Themen Inklusion, Gender oder auch Equity absolutes Schlusslicht in Europa. „In Deutschland ist das Thema rückläufiger als in jedem anderen Land“, konstatiert unsere Kolumnistin (Krawallex) und auch die Zahlen auf ihren Folien zeigen mehr als deutlich: Deutschland ist weit, weit abgeschlagen.
Gessner fordert deshalb: „Wir müssen dahin kommen, dass wir Vielfalt nicht nur unseren Stakeholdern um die Ohren hauen, sondern wirklich etwas machen.“ Bisher geht es bei dem Thema ihr zufolge nämlich „scheiße langsam“ voran – im Banking, aber auch bei Fintechs. „Alle reden von hippen Fintechs, aber was machen die für Inklusion? Fast nichts.“ Dabei könnte man Zeichen setzen, die fast kostenlos sind, Stichwort: True-Name-Feature bei der GLS Bank. Gessner appeliert dann auch deutlich an alle Banker:innen: „Walk the talk“. Und zwar mehr als nur einen Tag im Jahr.
Kuscheln im Boxring, oder: Die Nächstenliebe der „as-a-Service“-Anbieter
Laaadies aaaaand Gentlemen, in der einen Ecke heute Morgen für Sie: Investment-as-a-Service, ein noch junges Mittelgewicht, hungrig, frisch, ganz klar der große Herausforderer am heutigen Tag. Und in der anderen Ecke: Banking-as-a-Service, ein wahrer Veterinär im Investment-Ring, bereit seinen Platz gegen die Jungspunge zu verteiden. Wer also kann sich durchsetzen, wer den ersten Punch landen – und gibt es vielleicht ein Knock-Out? So oder so ähnlich haben wir uns die zweite Diskussion vorgestellt, bei der Ralf Heim von Fincite, Laura Cüppers von Lemon Markets und Chris Püllen von NarolQ heute morgen auf der Bühne sitzen.
Wer also macht das Rennen, wo sind die ganz großen Potenziale im „as-a-Servie“ Geschäft? Chris Püllen macht erstmal eine Beobachtung: „Investment-as-a-Service ist noch nicht so weit wie Banking-as-a-Service, ich sehe dort aber noch viel Potenzial.“ Auch die Zielgruppe wird ihm zufolge unterschiedlich sein, so werden gerade im Investment-Bereich kaum die ADAC ein Depot oder ähnliches anbieten – anders als die klassische Kreditkarte des Automobilclubs. Das sieht auch Ralf Heim so, der das für „zu weit weg“ hält Laura Cüppers von Lemon Markets so und nimmt direkt mal die Luft aus diesem Boxkampf: „Ich finde, es ist kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander zwischen Banking- und Investment-as-a-Service.“ Und vielleicht kann man ja sogar zusammenarbeiten? So viel Liebe haben wir im Boxring wenn überhaupt mal bei Stefan Raab gesehen. Und auch Ralf Heim von Fincite will nicht zum Lucky Punch ansetzen, sondern sieht die Zukunft rosarot: „Es gibt einen großen Markt für Investment-as-a-Service, gerade wenn es darum geht, Kosten für Onboarding zu reduzieren.“ Er überlegt sogar, auch Produkte für kleinere Firmen wie Lemon Markets anzubieten. Sieg durch Nettigkeit in Runde 7.
Fuck, jetzt redet die Künstliche Intelligenz schon mit uns
Der zweite Tag der Bex startet mit allem, was das Herz begehrt: Kaffee, Croissants – und Stephan Paxmann (LBBW), der den ersten Vortrag zu der Frage hält: Wie wird unsere Interaktion und Kommunikation in der Zukunft aussehen? Dafür nimmt er die (vielleicht leicht müde) Runde mit auf Zeitreise: zurück zum Feuer, zur Elektrizität, zum ersten Computer und zeigt auf, wie sich die Kommunikation in dieser Zeit verändert hat. Seine These: „Wir haben vergessen, wir man sich verständigt, wie wir Emotionen zeigen. Denn mit dem Computer haben wir unsere Kommunikation auf Plastiktasten verlegt“, sagt der Leiter des strategischen Entwicklungsbereichs Digitalisierung und Innovation. Viele mussten lernen, wie sie einen Computer bedienen und beispielsweise Programmcode schreiben können. Erst die Künstliche Intelligenz mit ihren Sprachmodellen hätten das wieder geändert. ChatGPT sieht er als den großen Durchbruch, weil jetzt jeder mit natürlicher Sprache jeder etwas generieren kann: Bilder, Videos, Zusammenfassungen und natürlich Texte.
Doch was bedeutet das? Paxmann macht deutlich, wie einfach Fakes heute zu erzeugen sind. Er selbst zeigt ein Video von sich, dass er mit dem Smartphone aufgenommen hat – und die KI es auf Chinesisch, Englisch oder Arabisch übersetzt, live und mit neuer Gestik. Für Banken könnte das gerade im KYC-Bereich gefährlich werden: Denn, wer will so eine KI noch von einem echten Menschen unterscheiden? Mein Co-Autor Lars lehnte sich passend dazu zu mir rüber und fasst es ganz gut zusammen: Wir sind so am Arsch.
Wobei es ja auch positive Beispiele gibt: Die LBBW beispielsweise nutzt ChatGPT heute schon im Call-Center, um Gespräche mitzuschreiben, zusammenzufassen und dann auch noch direkt Anweisungen an alle wichtigen Abteilungen gibt. Auch Emotionen sollen da erfasst werden, um die Kundeninteraktion zu verbessern. Langfristig sollen Kund:innen dann auch Funktionalitäten über Sprache steuern können. Beispielhafte Prompts: Füll mir einen Freistellungsauftrag aus oder schick eine Überweisung an Mama. Paxmann sieht deshalb schon den nächsten Paradigmenwechsel: „Menschen werden mit KI sprechen und sich mit ihnen unterhalten – mit Emotionen und wie ein echtes Gespräch“, sagt der LBBW-Mann. Ex Machina, anyone?
Nom, Nom, Nom: Banking-Exchange Tag 2 startet
Frühstück bei bestem Wetter und Kontakte knüpfen (oder den Kater loswerden): Auf geht es!
Neues PEX-Thema steht fest
Gäste wissen es seit gestern Abend, nun darf es auch die Weltöffentlichkeit erfahren. Die nächste Payment-Exchange wird märchenhaft.
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Wir aktualisieren diesen Blog regelmäßig im Laufe des Tages. Schaut also gerne immer mal wieder rein – und verpasst keine Highlights. Alle Fotos kommen von den wunderbaren Fotografinnen Helena Heilig und Ziska Thalhammer.