Fintechs, die sich auf die Vermittlung von Krediten an kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland spezialisiert haben, gehen reihenweise pleite oder wurden verkauft. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. 

Die Nachrichten für den Markt der jungen KMU-Finanzierer könnten deutlich besser sein: Übernahme folgt auf Übernahme, Insolvenz auf Insolvenz. Dabei hatten sich Fintechs, die kleinen und mittelständischen Unternehmen schnell und unkompliziert Kredite anbieten wollen, so viel vorgenommen. 

Und warum auch nicht? Denn der Kuchen ist eigentlich recht groß. Schließlich sind über 99 Prozent aller deutschen Unternehmen klein oder mittelständisch und beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer dieses Landes. Viele davon haben seit langem ein solides Geschäftsmodell oder wachsen stark. Für Finanzierer ist dort also ordentlich was zu holen: Das Gesamtvolumen bei der Vergabe von Krediten an Mittelständler in Deutschland lag 2014, als viele Fintechs antraten laut KfW, bei 93 Milliarden Euro. Nur ein Jahr zuvor waren es noch knapp 80 Milliarden. Die Zuwächse ließen also hoffen. 

KMUs bleiben überwiegend bei Hausbanken

Vom damaligen Hype ist jedoch kaum noch was übrig. Die Liste der Start-ups, die geschluckt wurden oder dicht machten, ist lang. Der Kreditvermittler Creditshelf wurde Anfang des Jahres durch den schweizer Konkurrenten Teylor übernommen. Der „Direct-Lender” Lendico wurde von der ING gekauft. Ähnlich lief es beim Vermittler Fincompare und einer Gruppe von Volksbanken. Der Kreditmarktplatz Crosslend implodierte vergangenes Jahr wegen bilanzieller Überschuldung und hat sich seitdem nicht erholt. Compeon, derzeit mutmaßlich der größte digitale Vermittler von KMU-Krediten in Deutschland, musste seine Jahresprognose für 2022 nach unten korrigieren und wurde im vergangenen Jahr vom Fintech Dock Financial (ehemals Crosscard) geschluckt. Was ist passiert? 

Ein Problem für die Fintechs ist, dass sich KMUs weiterhin mit Kreditanfragen an ihre Hausbanken wenden. Zudem hat der Markt für KMU-Kredite so seine Eigenheiten. Laut einer Analyse des Instituts für Mittelstandsforschung zu den Chancen für Fintechs auf dem Markt für KMU-Kredite, bleiben viele Unternehmen bei ihrer Hausbank, weil sie oft über viele Jahre eine Vertrauensbasis aufgebaut haben und persönliche Gespräche und Beratung immer noch schätzen. 

An Fintechs wendete sich der Rest

In einer Umfrage von Roland Berger gaben 83 Prozent der KMU an, höhere Bankgebühren zu akzeptieren, wenn für mindestens ein Beratungsthema – von Finanzdienstleistungen bis hin zu strategischen Themen – ein Firmenkundenberater bei der Bank bereitstehe. Die meisten sind zwar bereit, digitale Angebote zu nutzen, doch für viele ist die Filiale und die persönliche Beratung immer noch wichtig. Gleichzeitig läuft die Digitalisierung bei vielen KMUs selbst noch schleppend. Für die Fintechs, die mit einer höheren Migration in ihre Kreise rechneten, bedeutete das nichts Gutes. 

Auch die Corona-Krise brachte den Start-up keinen Schub – und das, obwohl viele Firmen auf schnelle Kredite angewiesen waren. „Mittelständische Unternehmen orientieren sich in Krisen stark an ihren Hausbanken“, sagt Martin Hülsen, KMU-Finanzierungsexperte bei Roland Berger. Viele solide KMUs schoben ihre Investitionen nach hinten oder griffen über ihre Hausbank auf besonders günstige Kredite von Förderbanken zurück, statt sich kurzfristig bei den Fintechs zu bedienen. Die standen damit im Abseits. Zudem haben es etablierte KMU bei ihrer Hausbank leicht, an einen Kredit zu kommen. Vor allem wenn sie eine gute Profitabilität vorweisen, reicht oft ein Anruf. 

Deswegen agieren KMU-Finanzierer vor allem in Nischenmärkten wie unbesicherte Kredite oder kurzfristige Finanzierungen. Ein Weg für Fintechs könnte es sein, besonders junge Unternehmen mit Krediten zu versorgen. Denn die scheitern häufiger bei einer etablierten Bank mit ihrer Anfragen. Doch auch Fintechs taten sich damit bisher schwer, lehnten Anfragen ab – und wenn sie doch zusagten, kam es vermehrt zu Ausfällen. 

Trotzdem müssen Hausbanken aufholen

Zumindest in zwei Bereichen konnten Fintechs lange punkten: Digitalisierung und Benutzerfreundlichkeit. Doch dieses Alleinstellungsmerkmal schrumpft zunehmend. Denn Martin Hülsen sagt, dass die Hausbanken bei Benutzerfreundlichkeit und Digitalisierung aufgeholt haben: „Mittlerweile haben viele Hausbanken stark in ihre Firmenkundenportale investiert und diese erheblich weiterentwickelt.” Auf einem Level sind Banken da mit den Fintechs aber noch nicht. Luft nach oben sieht Hülsen zum Beispiel bei Produkten, die auch bei einer Hausbank komplett online abgeschlossen werden können. Zudem fehle eine Möglichkeit, die Abrechnungssysteme der KMU mit dem Online-Banking zu vernetzen.

Direkte Kreditgeber im Vorteil

Am Ende werden diese Defizite die KMUs wahrscheinlich nicht in die Arme der Fintechs treiben. „Die eigene Hausbank wird auch in naher Zukunft die erste Adresse für die KMU-Finanzierung bleiben”, schreiben die Forscher vom Institut für Mittelstandsforschung in ihrer Analyse. „Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die etablierten Kreditinstitute ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln und sich auch als Plattformen verstehen, die laufend neue Dienstleistungen in ihr Angebot integrieren.”

Der Markt für die deutschen Fintechs wird indes noch umkämpfter: Gerade stoßen ausländische KMU-Finanzierer auf den Deutschen Markt vor, die überwiegend selbst Kredite vergeben, statt sie bloß zu vermitteln. Mit der Übernahme von Creditshelf stärkt der Schweizer Direct-Lender Teylor seine Position in Deutschland. Ähnlich macht es der deutsch-britische Direct-Lender Iwoca, dem von der US-Bank Citi gerade eine Kreditlinie in Höhe von 175 Millionen Euro zugesagt wurde. Das französische Kredit-Start-up Silvr trat im vergangenen Jahr auch in Deutschland auf den Plan. 

Martin Hülsen von Roland Berger sieht in dem umkämpften Markt die direkten Kreditgeber wegen ihres differenzierten Geschäftsmodells im Vorteil. Für ihr Geschäftsmodell seien besonders eigene Risikomodelle ein Wettbewerbsvorteil. Die erzielten oft eine genauere Ausfallprognose. Für die meisten Fintechs im KMU-Kreditgeschäft sieht es damit düster aus, selbst wenn den Hausbanken ihre Entwicklung auch nur langsam gelingt. 

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