Knapp vor Auslaufen der EU-Frist verabschiedet der Bundestag das FinmadiG und setzt damit die EU-Krypto-Regulierung Micar um. Doch die Hängepartie schadet dem Vertrauen der Krypto-Branche in die deutsche Politik. Was jetzt gefragt ist.
Unspektakulärer hätte die monatelange Hängepartie um die Umsetzung der Micar in Deutschland nicht enden können. Als das Finanzmarktdigitalisierungsgesetz (FinmadiG) mit dem Tagesordnungspunkt 54 in der letzten Sitzung des Bundesrates im vergangenen Jahr zur Abstimmung kommt, gibt es keine Wortmeldungen und keine Ausschussberatungen. Ganze 22 Sekunden dauert die Abstimmung, die laut der deutschen Kryptobranche viel früher hätte kommen müssen. Zwei Tage zuvor ging das Gesetz durch den Bundestag. Es kommt also doch. Besser spät als nie, werden wohl die meisten sagen. Denn neben weiteren Schäden in der Branche konnte so eine Vertragsstrafe der EU für Deutschland im letzten Moment abgewendet werden.
Auch wenn das Gesetz nun doch gerade so rechtzeitig kommt, wirft die Art und Weise, wie die deutsche Politik das Thema Kryptoregulierung behandelt, bei vielen in der Szene Fragen auf. Die Verabschiedung des FinmadiG passte ins Bild der stiefmütterlichen Behandlung des Themas. Obwohl sogar Oppositionsfraktionen wie die Union das Gesetz unterstützt hatten, wurde es zu einem Schauplatz des Ampel-Konfliktes und drohte diesem zum Opfer zu fallen. Nun wurde es schlussendlich ein nachträglicher Ordnungspunkt im Sitzungskalender des Bundestags.
Ampelparteien schieben sich die Schuld zu
Noch während der Diskussion am 18. Dezember zu dem Gesetz im Bundestag schoben sich die Parteien gegenseitig die Schuld für die Hängepartie zu: „Warum findet der Abschluss des Gesetzes erst heute im Plenum statt?”, fragte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lennard Oehl, der auch Mitglied des Finanzausschusses ist. Seine Antwort: Das eigentlich unstrittige Gesetz sei Gegenstand von Machtspielchen geworden. Erst hätten die Grünen das Gesetz monatelang blockiert, danach die FDP. Sein Kollege im Finanzausschuss Maximilian Mordhorst von der FDP wies die Vorwürfe in seiner Rede zurück.
Philipp Maume, Professor für Kapitalmarktrecht an der TU München, schätzt den Schaden groß ein. Die einheitliche EU-Regulierung sorge dafür, „dass die einzelnen Mitgliedsstaaten untereinander im Wettbewerb stehen.” Und in diesem droht Deutschland zurückzufallen. Einige Kryptodienstleister (CASP) haben sich bereits um Lizenzen im EU-Ausland bemüht. So holte sich etwa der Stablecoin-Issuer Circle (USDC) in Frankreich im Juli 2024 eine E-Geld-Lizenz, um mit seinem Geschäft der EU-Regulierung zu entsprechen. Währenddessen lag der Gesetzesentwurf im Bundestag schon seit ein paar Monaten vor. Eigentlich gelte die deutsche Politik und Verwaltung als verlässlich, sagt Maume. Die „politischen Ränkespielchen” hätten diesem Vertrauen geschadet.
Von den Schäden berichten auch die Abgeordneten selbst. Laut Oehl von der SPD habe die Zitterpartie für Irritationen gesorgt: „Regelmäßig haben mich betroffene Finanzunternehmen kontaktiert und mir ihre Verunsicherung über die Nichtumsetzung von Micar und Dora [eine Richtlinie für digitale Sicherheit im Finanzsektor] geschildert”. Auch dem Einfluss der deutschen Aufsichtsbehörden habe das Zögern geschadet, meint Philipp Maume: „Hier hat Deutschland völlig unnötig Porzellan zerschlagen.” Viele Krypto-Unternehmen seien bereits von den langen Wartezeiten bei Lizenzen frustriert gewesen und hätten ohnehin überlegt, ins Ausland zu gehen. „Die Verzögerung des FinmadiG hat hier in einigen Fällen das Fass zum überlaufen gebracht”, sagt Maume. Wie viele Unternehmen genau damit vergrault wurden, könne man derzeit noch nicht sagen.
Was die Krypto-Branche von einer neuen Regierung erwartet
„Ich glaube, es gibt eine Kluft zwischen der Finanzbranche und besonders den Fintechs, der Bafin und der Spitzenpolitik”, sagt Cedric Heidt vom Frankfurt School Blockchain Center (FSBC). „Ich finde es frustrierend, dass die Politiker Krypto in Deutschland immer noch für ein Nischen-Thema halten.” Er sehe wenig Diskussion auf nationalpolitischer Ebene über Krypto, vor allem im Vergleich zu Amerika, wo das Thema öfter im Kongress angesprochen werde. Auch nach der Verabschiedung des FinmadiG stehe die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich auf der Kippe. „Es ist wichtig, dass das Thema ernst genommen wird.”
Das sieht auch Hans Joachim Lefeld, Partner beim Beratungsunternehmen LPA. „Deswegen fordert man seitens der Regierung, eine progressive Krypto-Strategie, die sicherstellt, dass Deutschland weiterhin als führender Standort für Blockchain-Technologie und Web3 gilt.” Dafür müssten Lizenzierungsprozesse beschleunigt und Förderprogramme entwickelt werden. Dazu gehörten auch Bildungsinitiativen, die Bürgern und Politikern die Risiken und Potenziale von Krypto-Assets näher brächten. Politiker wie Maximilian Mordhorst beschweren sich darüber, dass Krypto von anderen Parteien durch das Klischee von den „Bitcoin-Bros” wahrgenommen werde. Man ist sich einig: So kann es nicht weitergehen.