Ist Tesla das neue Wirecard?

Ist Tesla das neue Wirecard?

Ein Beitrag von Robin Brass

Wirecard war lange die meist gehandelte und heiß diskutierteste Aktie Deutschlands. Es fragen sich viele, ob nicht auch Tesla viele Parallelen mit Wirecard aufweist.

Insgesamt zeigt das Bild in der Tat einige Parallelen, aber eben auch große Unterschiede, welche hier sicherlich nicht nur für Investoren interessant sein sollten.

The big short

Bei beiden Aktien werden große Short-Wetten – also Spekulationen auf fallende Kurse – eingegangen.

Bei Wirecard waren es zuletzt etwa 30 Mio Aktien oder 25 % des Freefloats geshortet. Dies entsprach zwischenzeitlich einem Aktienwert von über drei Milliarden Euro. Aufgrund des hohen Aktienkursverfalls von über €100 auf noch €2 seit Mitte Juni, erzielten die Shortseller mittlerweile über drei Milliarden Euro an Profit.

Bei Tesla ist auf Grund der hohen Marktkapitalisierung die Dimension sogar noch größer, aktuell sind 20 Mrd Dollar, also über 12 Mio Tesla Aktien geshortet – was einem Freefloat von knapp 9% entspricht. Das bedeutet: Tesla ist von Volumen her die am meisten geshortete Aktie in den USA. Allerdings gibt es hier zumindest einen großen Unterschied zur Wirecard Aktie, denn bei Tesla haben sich die Shortseller bisher eine blutige Nase geholt und alleine in 2020 unglaubliche 22 Mrd Dollar verloren. (Zahlen von S3 Partners).

Der polarisierende CEO

Markus Braun aber auch Elon Musk erhitzten in der Vergangenheit stets die Gemüter. Beide werden von einigen als Visionäre gesehen, als große Scharlatane von anderen. Was beide verbindet ist jedoch ihr gemeinsamer Hass auf Shortseller. Laut der Financial Times verklagte Markus Braun seine Kritiker gerne und ließ Short-Seller sogar durch Detektive beschatten. Bei Musk wird das ganze meist eher verbal ausgefochten.

Ist Tesla das neue Wirecard?

Erst kürzlich hatte er beispielsweise eine Short Shorts (Hose) für nur 69.420. Dollar herausgebracht. Ein Wink mit dem Zaunpfahl? Die Zahl hinter dem Komma könnte nämlich auch ein Hinweis auf den verkündeten Buyout der Tesla Aktie im Jahr 2018 sein – zu einem Kurs von $420 ! Funfact: Interessanterweise ist das auch das Kürzel von Marihuana-Liebhabern.

Ist Tesla das neue Wirecard?

Kein Profit?

Bei beiden Unternehmen wird das Argument gebracht, dass sie keinen Profit erwirtschaften. Wirecard hatte jahrelang mit EBITDA Margen von knapp 30% der Finanzwelt große Rätsel aufgegeben: Wie konnte die Firma so viel profitabler sein als die Konkurrenz? Mittlerweile deuten viele Zeichen darauf hin, dass die Firma seit Jahren quasi keinen Profit erwirtschaftet hatte und alles nur gefaked war.

Bei Tesla gab es in der Vergangenheit zahlreiche Quartale mit großen Verlusten, wodurch man sich zumindest bis 2019 immer die Frage stellen musste: Wie lange werden Kapitalgeber weiter Geld in das Unternehmen pumpen, um es am Leben zu halten? Seit mittlerweile nun vier Quartalen erwirtschaftet Tesla kleinere Gewinne und auch der Cash Flow verbesserte sich massiv, was zumindest den Druck der Insolvenz wegnimmt.

Allerdings erwähnen Kritiker weiterhin, dass der Gewinn eigentlich nur durch das Verkaufen von Klimazertifikaten erzielt wurde. Ohne diese hätte Tesla weiterhin einen Verlust ausweisen müssen. Im letzten Quartal verkündetet Tesla einen Umsatz von etwa 6 Mrd Dollar inklusive circa 400 Mio Dollar durch die CO2 Zertifikate sowie einen Gewinn von rund 100 Mio Dollar.

Ist Tesla das neue Wirecard?

Daher beinhaltet diese Aussage zwar eine gewisse Wahrheit, die allerdings öffentlich bekannt ist und im Gegensatz zu Wirecard keine erfundene Zahl! Tesla steht zudem vor einem großen Wachstum, denn die Nachfrage nach Elektroautos steigt und neue Fabriken werden demnächst eröffnet. Es ist zu erwarten, dass sich dadurch auch die Profitabilität verbessern wird.

Schlechte Technologie

Bei Wirecard stand oft im Raum, dass weder die Scalability des Geschäftsmodells vorhanden ist wie beispielsweise bei Konkurrenten wie Stripe oder Adyen. Die Konkurrenz baute in diesem Falle eine wirkliche Plattform auf mit nur einer Technologie (Gateway etc). Bei Wirecard wurden hingegen zum einen viele Entities mit eigenen Technologie-Stacks hinzugekauft und selbst innerhalb des europäischen Geschäfts konnte keine wirkliche Plattform vorgewiesen werden.

Bei Tesla wurden aufgrund der größeren Spaltmaße in den Autos oder auch Auslieferungsprobleme Kritiken laut, dass die Firma niemals mit etablierten Konkurrenten wie BMW oder Audi mithalten könne, da die nötige Qualität nicht erreicht werde. Mittlerweile hat Tesla die „manufacturing hell“ mit der Massenproduktion des Model 3s überstanden. Die Verarbeitungsqualität bleibt jedoch weiterhin gegenüber Premium-Marken zurück. Allerdings ist Tesla im Bereich Software (over the air updates etc), self driving und vor allem mit seiner Batterietechnologie den meisten traditionellen Herstellern sicherlich 2-3 Jahre voraus.

Valuation

Bei beiden Firmen war immer die Bewertung oder Valuation ein Grund auf fallende Kurse zu setzen.

Wirecard erreichte in 2018 eine Marktkapitaliserung von 24 Mrd Euro bei rund zwei Mrd Euro Umsatz, also eine Bewertung von 12x Umsatz. Tesla mit 25 Mrd Dollar Umsatz und einer Marktkapitalisierung von 280 Mrd Dollar hat damit auch eine Bewertung von 11x Umsatz. Solche hohen Bewertung werden normalerweise nur bei ausgezeichneten Softwareunternehmen gezahlt wie beispielsweise bei Adobe, Atlassian oder auch Nemetschek. Bei Wirecard war das Businessmodel zwar auch an Software angelehnt, aber die hohe Qualität war für solche Bewertungen sicherlich nie vorhanden. Bei Tesla wiederum sollte man wissen, dass anderen Autohersteller eher bei 1x-1.5x Umsatz handeln.

Letzteres ist aktuell wohl das größte Argument der Shortseller, dass die Bewertung der Tesla Aktie massiv überbewertet ist und man daher auf fallende Kurse setzen müsste. Allerdings sollte die aktuelle Bewertung der Aktie zukünftige Zahlungsströme diskontieren und je nach Erwartungen kann man niedrigere oder auch höhere Kursen errechnen – zweifelsohne ist die Aktie aber sehr hoch bewertet.

„Das aktuell wohl größte Argument der Shortseller: Die Tesla Aktie ist massiv überbewertet.“

Konkurrenz

Bei Wirecard gab es auch in der Vergangenheit viele Konkurrenten und Incumbents. Große Banken, Technologieunternehmen, Kreditkartenfirmen, PSPs etc. Zwar wuchs der Markt relativ stark und der Wandel von Cash zu digitalen Zahlungsmöglichkeiten dürfte für viele weitere Jahre weitergehen, aber man sah speziell in Europa schon einen Preisdruck bei Ausschreibungen aufkommen – besonders bei Standardthemen wie reiner Zahlungsakzeptanz. Insgesamt dürfte dieses Thema aber für Tesla eine viel größere Rolle spielen, da der Autohersteller in einen etablierten Markt drängt, welcher mit vielen Konkurrenten mit „deep pockets“ lange dominiert wurde. Belegt wird diese These mit dem Fakt, dass seit dem 2. Weltkrieg keine Newcomer im Automarkt überlebt hatten – bis eben Tesla kam.

Allerdings wurde Tesla schon das Ende in 2016 und 2017 bescheinigt. Tesla Killer wie Rivian, Byton, Faraday Future, Dyson etc. wollten den Markt erobern. Daraus ist bislang nichts geworden, denn einige der neuen Konkurrenten sind längst pleite und andere kämpfen noch daran, ihr erstes Auto auf die Straße zu bringen. Darüber hinaus haben die traditionellen OEMs, nicht nur den Trend zur Elektromobilität verschlafen, sondern kämpfen wie beispielsweise VW bei dem ID.3 nun selbst mit der „manufacturing hell“.

Is it just a fraud?

Der wohl größte Unterschied bei beiden Unternehmen ist aber das Thema Betrug. Wirecard hatte anscheinend über viele Jahre hinweg Anleger und die Öffentlichkeit betrogen. Viele Umsätze und vor allem auch Gelder/Cashbestände waren frei erfunden.

Als die fehlenden 1,9 Mrd Euro ans Tageslicht kamen, war dies der Todesstoß für das Unternehmen und ließ dem neuen CEO Freis keine Wahl, als den Weg in die Insolvenz zu gehen. Wie groß am Ende das wirkliche Loch in der Bilanz ist, wird sich noch zeigen und auch viele zusätzliche Themen, darunter mögliche Geldwäsche und illegale Aktivitäten, dürften die Öffentlichkeit noch weiter beschäftigen.

Ist Tesla das neue Wirecard?

Das undurchsichtige Geschäftsmodell mit Transaktionen auf zahlreichen Konten in allen Destinationen der Welt sind schwer nachzuvollziehen. Auch die Tatsache, dass Wirecard in der Vergangenheit Akquisitionen für hohe Beträge getätigt hatte bei denen bis heute nicht klar ist, wer der Verkäufer und damit der Nutznießer der Zahlungen ist, werfen viele Fragen auf.

Bei Tesla hingegen gibt es zwar aggressive Ankündigungen des CEO, welche oft nicht erreicht werden wie, dass volles autonomes Fahren bis Ende 2019 erreicht wird. Aber das generelle Business Model ist zweifelsohne kein Fake, da man überall auf den Strassen immer mehr Teslas fahren sieht und auch die weltweiten Ladestationen immer weiter ausgebaut werden.

Der Frank-Thelen Indikator:

Beide Aktien wurden vom Börsen-“Experten” Frank Thelen gehypt. Tesla, genauso wie vormals Wirecard.

Schlusswort:

Ist Tesla das neue Wirecard? Die Frage kann man sicherlich mit einem klaren nein beantworten. Der Bilanzskandal von Wirecard und die Frage ob nicht noch weitere illegale Aktivitäten in großem Umfang durchgeführt werden, haben offenkundig keine Parallelen zu Tesla. Zwar polarisiert Elon Musk gerne die Welt, allerdings kann er als Mitgründer von Paypal und nun mit seinen Errungenschaften bei Tesla, SpaceX und The Boring Company viele Erfolge vorweisen, welche nicht nur auf dem Papier gut aussehen. Wirecard`s Erfolge waren wie erwähnt oftmals nur Luftbuchungen und hohe Erwartungen die dem Kapitalmarkt verkündet wurden ohne wirkliche Substanz.

Die Frage von Anlegern ob man mit der Tesla Aktie nicht auch Geld verlieren kann ist allerdings sicherlich eine andere. Es gibt viele valide Argumente, dass der hohe Kurs der Tesla Aktie nicht gerechtfertigt ist und man hier als Anleger auch Kursverluste erleiden könnte.

AWirecardTeslaParallele
Short SellerHoher Short interest mit großen GewinnenHöchster Short Interest in den USA mit massiven VerlustenJa
Polarisierender CEOCEO mit großen Ankündigungen und vielen Klagen gegen KritikerCEO ebenfalls mit großen Ankündigungen aber vielen erreichten MeilensteinenTeilweise
Kein ProfitProfit war wohl jahrelang manipuliert – Firma nun InsolventJahrelang viel Cash verbrannt – Profit wird so langsam erreichtJa
Schlechte TechnologieOftmals Nachteile gegenüber high-end Playern im MarktMangelnde Verarbeitung aber gute Software und führend bei BatterienTeilweise
ValuationWirecard war besonders in 2018 stark überbewertet selbst wenn die Zahlen echt gewesen wärenAktie handelt auf Bewertungen, die sonst nur die besten Software Firmen erreichen, daher bleibt die Frage ob dies gerechtfertigt istJa
KonkurrenzEs gab stärkere Konkurrenten aber der Markt bot viele WachstumsmöglichkeitenHart umkämpfter Markt bei dem anderen Newcomer mittlerweile schon pleite sindTeilweise
FraudGroßteil des Business war erfunden und existierte nichtSolides BusinessNein

Autor

  • Nicole Nitsche ist studierte Theaterwissenschaftlerin und hat mehrere Jahre als Regieassistentin beim Thalia Theater Hamburg gearbeitet. Danach war Nicole Leiterin der Presse-und Marketingabteilung eines Hamburger Musiklabels. Als klassische Quereinsteigerin hat sie die komplette Kommunikation sowie den Aufbau der Redaktion bei Payment & Banking geleitet und verantwortet. Nicole ist seit August 2021 Geschäftsführerin von Payment & Banking und ist verantwortlich für die Bereiche Struktur, Planung, Umsetzung und Konzipierung von allen Events (z.B PEX, BEX, TRX & CryptX).

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