Ob die digitale Identität eine notwendige Entwicklung ist oder sie Menschen für Betrügereien angreifbar macht, besprechen Nancy Timm von Hakata, Mirko Mollik von SPIND, Oliver Lauer vom DSGV und Hackerin Lilith Wittmann auf der PEX.
Es ist ein Thema, dass die Gemüter erhitzt und für viele überraschend auf der Payment Exchange 2025 wohl mit am härtesten diskutiert wurde: Sollte eine digitale Identität eingeführt werden oder ist sie eine digitale Schwachstelle? Moderator Jens Kohnen, Geschäftsführer von Starfish, warnte schon vor Beginn: Das Thema könnte nach der Kaffeepause mit viel Energie daherkommen. Und so war es auch.
Hakata-Gründerin Nancy Timm begann jedoch ganz ruhig bei den Basics: Sie erklärte, was es mit der „digitalen Abbildung der Brieftasche“, die die Europäische Union bald einfordert, auf sich hat. Sie betonte die Vorteile der digitalen Brieftasche: So können sich Menschen schnell verifizieren, wenn sie beispielsweise ein Konto eröffnen möchten. Und das überall in der EU. Kurz: Eine super User Experience. So weit, so unkontrovers.
Wie eine echte Brieftasche
Doch vor allem Mirko Mollik, Identity Architekt bei SPIND, und Lilith Wittmann, Deutschlands bekannteste Hackerin, stehen bei dem Thema auf sehr unterschiedlichen Standpunkten. Mollik betont all die Maßnahmen, die ergriffen werden können, um das ganze Konzept sicherzumachen. Wittmann wiederum weist auf umfangreiche Risiken hin. Eine Brieftasche könne geklaut werden, analog wie digital. „Digital merkst Du es aber vielleicht gar nicht und bis am Ende persönlich verantwortlich, wenn jemand damit Betrug begeht“, sagte sie. Individualisierung des Risikos sei das.
Wie sicher ist sie wirklich?
Dem entgegnete Mirko Mollik: Es gebe Sicherheitsmaßnahmen wie zusätzliche PINs, zwei Faktor-Authentifizierungen und Sperrungen. „Wir haben die Möglichkeit, das alles transparent zu gestalten“, sagte er zudem. Auch dürfe man nicht vergessen, dass es keine Pflicht geben werde, diese Wallet zu nutzen.
Oliver Lauer vom DSGV möchte sich nur ungern zwischen die Parteien stellen. „Ich habe eine andere Perpektive”, sagte er. Die geschäftliche Sicht sei, dass alles, was bisher im Portemonnaie war, aufs Handy komme. Das sei auch im Wesentlichen die Perspektive des Staates. „Am Ende entscheidet der Kunde mit den Füßen.” Wittmann stand dem Gedanken, dass Bürger:innen zu Kund:innen des Staates würden, kritisch gegenüber. Der Staat habe eine Fürsorgepflicht. Außerdem sei die Freiwilligkeit nur bedingt vorhanden.
Wie gut der Datenschutz in Europa funktioniert
Mirko Mollik betonte, dass die EUID stark darauf achte, dass Menschen transparent gemacht werde, an wen und wie die Daten vergeben werden. Dafür arbeite man mit der EU und den Ländern zusammen. Lilith Wittmann kritisierte, dass Datenschutzbehörden in einigen Mitgliedstaaten, wie Malta oder Irland, ihrer Wahrnehmung nach laxer in der Verfolgung von Datenschutzverstößen seien und dies von Unternehmen ausgenutzt werden könnte. Das Thema sei durchaus abgedeckt, sagte Mirko Mollik: „Wir sind auf einem sehr guten Weg.” Dafür rede man mit den Kritikern und Partnern und sei möglichst transparent.
Die Alternative: Es sein lassen
„Was ist die Alternative? Weiter mit der Plastikkarte rumlaufen?“, fragte Oliver Lauer vom DSGV Hackerin Lilith Wittmann. „Ein Ausweis ist für die User kein Problem”, sagte sie. Nur, weil es die Aussicht auf ein Produkt gebe, bedeute das nicht, dass man es auch brauche. Lauer sieht das anders: „Wir haben die Leute nicht in die Digitalität gezwungen und dadurch viele ausgeschlossen”, sagte er. Die Teilnahme am sozialen Leben sei ein Stück weit auch davon abhängig.
Notwendigkeit oder Geldesel?
Was von Nancy Timm aus Zeitgründen nur kurz gestreift wird, sind all die potenziellen Geschäftsmodelle, auf die gerade Finanzdienstleister und Payment Provider hoffen. Dabei gehe es nicht ausschließlich um den Personalausweis. Hier sieht Lilith Wittmann wiederum auch die Gefahr, dass Unternehmen digitale Nachweise und persönliche Daten an Menschen zurückverkaufen können.
Dann ist die Zeit schon wieder fast rum. Aus dem Publikum die Frage: Braucht es nicht einen blauen Haken auf Basis einer digitalen Identität, um Desinformation in Sozialen Medien zu verhindern? Ja, meinte Nancy Timm. Gerade um gegen Falschinformationen vorzugehen, sei dies wichtig. „Wir diskutieren 25 Jahre zu spät”, sagte ein anderer Publikumsgast. In Schweden sei man mit einer Bank-ID schon viel weiter. „Wenn wir weiter zurückfallen wollen, lassen wir es sein.” Man setze die Zukunftsfähigkeit Deutschlands aufs Spiel.
Fazit: Die Gräben sind tief
Es bleibt dabei: Der Schutz ganz persönlicher Daten bleibt in Deutschland ein heißes Thema, die Meinung dazu gespalten, wie auch die Meldungen aus dem Publikum zeigen, die sowohl Plädoyers für mehr Digitalisierung in allen Bereichen als auch Warnungen vor Aushöhlung von Persönlichkeitsrechten beinhalten. Halleluja, jetzt sind alle wieder wach.