IoT Pay…

IoT Pay oder wenn der Sensor zahlt

…oder wenn der Sensor zahlt

Manchmal wundert man sich ja über die Payment Branche und fängt an zu grübeln. Wie oft soll diese Branche eigentlich noch links überholt werden? Erst e-Commerce, dann PayPal, dann Square, dann Stripe.
IoT Pay oder wenn der Sensor zahlt
Photo credit: portalgda via VisualHunt
Jedesmal waren die Lösungen offensichtlich und hätten jahrelang schon von den Incumbents umgesetzt werden können, statt dessen gab es immer erst hektischen Aktionismus nachdem die “jungen Wilden” schon längst relevanten Marktanteil hatten oder der Aktionismus war so stümperhaft, dass es einem die Tränen in die Augen treibt (manchmal auch beides, wie man an einem Payment Projekt in Deutschland gerade miterleben darf). Nun denn, da wir hier nicht immer nur meckern wollen und der Zug für Voice Payments eigentlich schon abgefahren ist und es wieder keiner mitbekommen hat – nee nee einfach weiter pennen, eh zu spät – hier also die Warnung JETZT über das Thema IoT Pay nachzudenken.

Eine Geschichtsstunde – “Damals vorm Krieg” – oder Guido Knopp für Nerds

Wir erinnern uns ein paar Jahre zurück, da dachte der Normalsterbliche, dass bei ca 6-8 Mrd., mit dem Internet verbundenen Geräten, Schluß sein wird (so grob also 1,2 Mobiltelefone pro Erdenbürger). Diese mobile Revolution sorgte für mehr als nur 4G Mobilfunk, die AppStore-Ökonomie oder always-on Mentalität – nein, die Smartphones sind vollgestopft mit Sensoren. Durch die schiere Masse der Nachfrage wurden diese Sensoren plötzlich spottbillig. Während wir noch 30 Jahre benötigten um ca 300 Mio. PC’s zu verkaufen, wurden von 2008-2014 ca 1,5 Mrd. Smartphones (plus die 250 Mio. Tablets im gleichen Zeitraum oben drauf) verkauft. Ende 2015 waren wir damit bei der immensen Zahl von 2,5 Mrd. Smartphones angekommen und damit einhergehend also auch mindestens genauso vielen Sensoren.
IoT Pay oder wenn der Sensor zahlt
Photo credit: Internet Archive Book Images via VisualHunt.com

Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Eine Smartphone Kamera.

Als die ersten Kameras in Mobiltelefone verbaut wurden war das ein „AHA-Moment“. Für alle die es jetzt genau wissen wollen, das erste Mobiltelefon mit Kamera war das Sharp SH04 aus dem November 2000 (was nur in Japan vertrieben wurde und die wahnsinnige Auflösung von 0.11 MP hatte – Historie zum Nachlesen). Innerhalb von 17 Jahren hat sich diese Komponente von einem Luxus – zu einem Cent-Artikel entwickelt und die Point-and-shoot Kameras wurden ersetzt durch Smartphone Kameras. GPUs und CPUs wurden von einem 300 Mio. PC-only Markt zu einem 3 Mrd. Markt (Smartphone und PC’s addiert) und damit wurden die Kosten ebenfalls geringer. Die Smartphones, Laptops und Tablets dieser Welt brauchten aber auch eins – immer bessere und leistungsfähigere Batterien – ist nämlich doof wenn mobil nur im Umkreis einer Steckdose stattfindet. Für die 2,5 Mrd. Smartphones und die always-on Mentalität mussten also die Mobilfunk-Netze mit Milliarden Aufwänden in die Neuzeit katapultiert werden (4G und 5G Netzwerke).
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Photo credit: fumi via VisualHunt.com

Und plötzlich… kommt IoT das Internet of Things.

Aufgrund des Smartphone Booms kann man plötzlich einen Sensor bauen, der eine 10 MP Kamera auf einer Mini-Platine mit simpler CPU oder GPU verbauen, die per 4G Modem auch noch die ganze Zeit mit dem Internet verbunden ist. Das bekannteste Produkt aus dieser Generation dürfte wohl der Raspberry Pi sein. Ein “vollwertiger” Computer der nicht größer als eine Zigarettenschachtel ist und schon für 5 $ zu haben ist. Ich kann aber auch eine Platine bauen, die nur eine Kamera, einen Prozessor und einen Wifi Chip hat und TADAA habe ich eine Überwachungskamera gebaut, die mit dem Internet verbunden ist. Wenn ich der Kamera noch einen Soundchip und einen Knopf spendiere, habe ich für unter 15$ eine intelligente Klingel gebaut. Was also ist das Internet of Things? Man stelle sich das Internet vor, nur statt Computer, Smartphone und Tablets sind da alle möglichen vernetzbaren Geräte – meine Überwachungskamera genauso wie meine intelligente Klingel.
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Photo credit: Pierre Metivier via Visual Hunt

Willkommen in der Hölle!

Stand 2017 variiert die Schätzung der vernetzten Geräte zwischen 6 und 9 Mrd. – wir sind zum heutigen Stand also schon bei der Zahl der Geräte angelangt die eigentlich maximal online sein sollten. Eine oft zitierte Zahl besagt, dass im Jahr 2020 50 Mrd. vernetzte Geräte online sein werden. Na dann, Gute Nacht Marie… Jedem Netzbetreiber läuft es, bei diesen Zahlen, kalt den Rücken herunter, jedem Netzwerker wird übel bei dem Albtraum seine Netzwerke noch einigermaßen unter Kontrolle zu halten und jeder Hacker kriegt das Grinsen nicht aus dem Gesicht weil er jetzt viel Spaß mit smart “things” haben kann (hier zwei Beispiele – der Hack eines smarten Gewehrs  – und der Hack eines smarten Vibrators).

Was sabbelt der da und was hat das ganze nun mit Payment zu tun?

Ein toller Nebeneffekt der Sensorenflut war die Datenflut. Wir erzeugen heute pro Tag Unmengen an Daten und zwischen 80-90% der gesamten Datenflut wurden in den letzten 2 Jahren, mit wenigen smart devices, erzeugt. Big data ist also ein Fakt (hier mehr interessante Fakten zu Big data u.a. um wieviel man seinen Umsatz vervielfachen kann (englisch). Sinnfreier Fakt aber auch spannend – eine männliche Ejakulation setzt übrigens 15.875GB an Daten frei – das ist mal eine Transferrate da ist 5G ein Pups gegen :). Diese Datenflut und die billigen Prozessoren bescherten uns die Renaissance des Machine Learnings. Plötzlich haben wir die Daten für die Modelle und die Prozessoren um mit Hilfe von 60er und 70er Jahre Algorithmen Modelle zu erstellen. Egal ob für Go (Google Alpha Go), Jepardy (IBM Watson) oder für selbstfahrende Autos. Diese Modelle wiederum brauchen keine Hunderte von Prozessoren um zu laufen, sondern können wieder auf vergleichbar billigen Prozessoren innerhalb eines smart devices ihren Dienst tun. Meine Überwachungskamera von oben kann ich also mit einem Gesichtserkennungsmodell füttern und Schwups ist sie noch schlauer. Jetzt gibt es natürlich wieder ein paar “Experten” die daraus widerum was tolles neues fabrizieren wollen – Stichwort Industrie 4.0. In Kurz: Smart devices in der Industrie Produktion. Ich sage “Experten” weil die sicherlich noch nie eine Werkhalle von innen gesehen haben oder mal drüber nachgedacht haben welche Herausforderungen man hat eine solche zu vernetzen (Stichwort elektromagnetische Felder und so – hilft wenn man mal Physik hatte) – viel Spaß Jungs.
IoT Pay oder wenn der Sensor zahlt
Photo credit: JulianBleecker via Visualhunt.com
ABER und jetzt kommt endlich IoT Pay es gibt durchaus sehr gute und sinnvolle Anwendungsfälle für smart devices und auch diesen devices das Recht zu geben Zahlungen auszulösen.
  • Beispiel – das älteste vernetzte Gerät was immer durchs Dorf gejagt wird: Der smarte Kühlschrank. Mit Kamera’s ausgestattet kann ich nicht nur den Inhalt sehen ohne aufzustehen (kein Witz gibts schon hier), sondern mit wenig Fantasie kann ich hier auch eine Image Recognition Modell hinterlegen, was das Ablaufdatum auf Inhalten erkennt und ggf. sogar dem Produkt “ansieht” wann es abgelaufen ist, dann dieses auf die Einkaufsliste stellt oder noch besser, einfach beim Versender meiner Wahl nachbestellt und bezahlt. Analog dazu die Waschmaschine / Spülmaschine die den Entkalker bestellt, wenn er gebraucht wird.
Einer der Killer use cases ist aber das Thema Mobilität. Egal durch welchen drive thru ich fahre, nix mehr mit hektischem rumgekrame und Kleingeld was irgendwo rumfliegt. Analog für Maut, den Einkauf den ich per Voice bestellt habe, die Pizza die ich auf dem Heimweg abhole und das nervige Tanken – in und um das Auto gibt es dutzende dieser IoT Pay cases. Um die Herausforderung noch ein wenig zu erhöhen, soll es auch noch komplett davon unabhängig sein welches Auto ich fahre! Es gibt Projekte da wird probiert eine NFC Kreditkarte in den Autoschlüssel zu integrieren (Augen verdreh), was ist aber wenn ich das andere Auto nehme, oder das Carsharing Auto oder den gesharten Elektro-Roller (Mega Fan :) ). Heute stecken in Mittelklasse Automobilen schon hunderte von aktiven Sensoren und mindestens genauso viele, die bisher nur Daten sammeln aber noch keine aktive Funktion haben. Es ist nur eine Frage der Zeit bis jemand anfängt Autos “instant” zu personalisieren (und ich rede nicht nur von der Sitzeinstellung und nicht nur vom eigenen Auto).
IoT Pay oder wenn der Sensor zahlt
Photo credit: der_dennis via Visualhunt

Wie muss also IoT Pay aussehen?

  • Es muss mich als Person kennen (Identität).
  • Es muss mein Zahlverhalten in jedem Kontext verstehen um das richtige Zahlungsmittel im richtigen Kontext auszuwählen und zu nutzen.
  • Es muss sicher sein (Authentifizerung).
  • Es muss bedienbar sein und wissen ob die Transaktion zu mir passt (Autorisierung).
  • Es muss mich überall hin begleiten können und es muss unsichtbar sein.
  • Es wird smart devices biz zu einem gewissen Grad vertrauen müssen wenn ich als Nutzer dem Gerät vertraue.
IoT Pay wird nicht ausschließlich eine Bezahlmethode sein sondern ein Sammelsurium davon. Es wird kein Wallet sein, aber Eigenschaften eines Wallets haben, dabei diverser sein als alle Wallets die es bisher gab. Es wird mehr als Card on file sein, aber von der Nutzung wird es genauso unsichtbar sein. Es wird keine NFC Karte, kein HCE, kein Universal-Token sein. So, die Pressemitteilung ist geschrieben (Witz – bei Amazon fängt man bei der Produktentwicklung mit dem schreiben der Pressemitteilung an), jetzt wünsche ich allen viel Spaß an und in der Umsetzung. Nachher aber nicht wieder jammern, wenn der nächste Disruptor die Branche aufmischt. Das ist Eure Chance – legt los!

Autor

  • Rafael Otero ist seit mehr als 15 Jahren im Payment- und Banking Bereich tätig. Nach mehreren Co-Founder Rollen im Fintech Bereich u.a. als Co-Founder bei payleven der globalen Kartenakzeptanz-Lösung für KMUs und Co-Founder Voice First – einer Strategie-Beratung / Agentur für Sprachassistenz-Lösungen im Bereich Finanzdienstleistungen, Mobility und VoiceCommerce.

    Seit Anfang 2020 ist er Managing Director bei der Deutschen Bank und dort als Chief Product Officer Teil der Corporate Bank. Rafael ist Business Angel/Board Member im Fintech und DeepTech-Umfeld.

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