Obwohl Barrierefreiheit längst kein neues Thema mehr ist, scheinen die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen im Bankensektor oft übersehen zu werden – von stufenlosen Zugängen bis hin zu Apps, die für alle nutzbar sind, ist vieles immer noch Zukunftsmusik.
Trotz großer Ankündigungen stehen viele Banken noch am Anfang, wenn es um echte Barrierefreiheit geht. Vom Eingang mit Stufen bis zu unzugänglichen Apps – oft bleiben Menschen mit Behinderungen auf der Strecke.
Dabei gewinnt die Barrierefreiheit im Bankensektor zunehmend an Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf das am 28. Juni 2025 in Kraft tretende Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Dieses Gesetz verpflichtet Banken und andere Unternehmen, ihre digitalen Dienstleistungen, einschließlich Websites, Apps und Selbstbedienungsterminals, barrierefrei zu gestalten.
Aktuell stehen viele deutsche Banken dabei aber noch ganz am Anfang. Eine Studie des IT-Finanzmagazins zeigt, dass zahlreiche Institute ihre digitalen Angebote noch nicht vollständig barrierefrei gestaltet haben. Geld abheben – für viele ein Katzensprung, für andere ein Hürdenlauf. Aber, das sind nur dornige Chancen, Geld abheben kann zum Parcours werden, wenn der Automat hoch hängt und die Tasten ohne haptische Markierungen daherkommen!
Also, manche arbeiten daran, dass einige Filialen barrierearm sind. Andere betonen die Wichtigkeit von Inklusion im Leitbild auf ihrer – kein Witz – nicht barrierefreien Webseite. Und wieder andere bieten seit diesem Jahr eine haptische Unterstützung an, eine Kerbe an der kurzen Seite der Karte, die blinden Menschen das richtige Einführen der Bezahlkarten ermöglichen soll.
Deutsche Banken hinken bei Inklusion hinterher
Klar, jede noch so kleine Verbesserung ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Aber in Europa leben 27 Prozent der Menschen mit einer Form der Behinderung. Seit über 15 Jahren ist in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft. Sicherlich sollten wir da mehr zu bieten haben als ebenerdigen Zugang und blecherne Stimmen aus Geldautomaten. Das ist schon sehr basic.
Und dann gibt es noch allerhand Fintechs und Neobanken, bei denen man zum Thema Inklusion leider so gar nicht fündig wird, auf ihren barrierereichen Webseiten.
Positiv hervorheben kann ich nur die die Commerzbank. Die hat sicherlich auch noch Baustellen in dem Bereich, aber eben auch schon seit 2018 als erste deutsche Bank einen Aktionsplan zur Inklusion, der konkrete Schritte zur Schaffung einer barrierefreien und inklusiven Arbeitswelt beinhaltet.
Trotz dieser Fortschritte gibt es noch Herausforderungen. Viele Menschen mit Behinderungen stoßen im Alltag auf Barrieren, sei es beim Zugang zu physischen Filialen oder bei der Nutzung digitaler Angebote. Der Sozialverband VdK Deutschland betont die Notwendigkeit, dass Filialen barrierefrei auffindbar, zugänglich und nutzbar sein müssen. NUTZBAR! Es ist 2024 und wir müssen ernsthaft betonen, dass Bankfilialen nutzbar sein müssen. Wie marode kann ein System sein? Eine kleine Auswahl der verbreitetsten Probleme:
Physische Barrieren
Viele Bankfilialen sind für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen schwer zugänglich. Beispielsweise verfügen einige Filialen über Stufen am Eingang oder enge Türen, die den Zugang für Rollstuhlfahrer erschweren. In Berlin-Tegel ergab eine Untersuchung, dass von sechs Geldinstituten nur zwei stufenlos zugänglich waren. Die anderen wiesen mindestens eine Stufe auf, was den Zugang für mobilitätseingeschränkte Personen erheblich erschwert.
Zudem sind Geldautomaten oft nicht barrierefrei gestaltet. Häufig fehlen taktile Markierungen oder Sprachausgaben, die für blinde oder sehbehinderte Menschen notwendig sind. Einige Automaten sind zudem in einer Höhe angebracht, die für Rollstuhlfahrer nicht erreichbar ist. Das Centre for Accessible Environments (CAE) hat neun Leitlinien zur Verbesserung der Barrierefreiheit von Geldautomaten entwickelt, die unter anderem die Anpassung der physischen Hardware und der Software beinhalten. Spoiler, nichts davon ist Raketenwissenschaft. Wann setzen wir endlich um?
Digitale Barrieren
Auch im digitalen Bereich stehen Menschen mit Behinderungen vor weiteren Herausforderungen. Viele Online-Banking-Portale und Apps sind nicht barrierefrei gestaltet. Fehlende Kompatibilität mit Screenreadern, unzureichende Kontraste und komplexe Navigationen erschweren die Nutzung.
Zudem sind viele digitale Angebote nicht in Leichter Sprache verfügbar, was Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen den Zugang erschwert. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund betont, dass fehlende Untertitel, schwer lesbare Inhalte oder Bilder ohne Begleittexte in der digitalen Welt zahlreiche Hürden darstellen, die dazu führen, dass nicht alle Menschen gleichermaßen an den Angeboten teilhaben können.
Der Bick ins Ausland lohnt sich
Aber hey, bestimmt bin ich da jetzt wahnsinnig unfair und es ist total schwer und bisher unmöglich, mehr zu machen als stufenlosen Zugang zu MANCHEN Filialen und ein paar “sprechende” Geldautomaten in noch weniger Filialen anzubieten. Bestimmt finden wir keine Beispiele aus anderen Ländern, die das besser…
Von wegen: Die ANZ Bank in Neuseeland hat ein spezielles Team eingerichtet, das sich auf die Bedürfnisse von Kunden mit Behinderungen konzentriert. Sie bieten persönliche Beratungen an und stellen sicher, dass alle Kommunikationsmaterialien in zugänglichen Formaten verfügbar sind.
Lloyds in Großbritannien hat ihre mobilen Apps und Websites barrierefrei gestaltet: Sie bieten zudem Videos in Gebärdensprache an, die verschiedene Bankdienstleistungen erklären. RBC in Kanada kann das auch. Und bietet außerdem Anleitungen in Brailleschrift und Großdruck an.
Ach, schau. Es geht also. Gerade im digitalen Bereich ist es noch einfacher, barrierearme Angebote zu integrieren. Und wer nicht weiß, wo man am Besten anfängt: Die ersten barrierefreien Controller der Playstation und X-Box sind gemeinsam mit behinderten Menschen entwickelt worden.
Die Umsetzung des BFSG bietet Banken die Chance, ihre Dienstleistungen inklusiver zu gestalten und somit Kund*innenbedürfnisse noch besser zu bedienen, dafür braucht es aber aktives Mitwirken der Banken. Und somit auch Investitionen in Technologie und Schulungen, um sicherzustellen, dass alle Kund*innen gleichberechtigten Zugang zu Finanzdienstleistungen haben. Ich weiß zwar nicht, warum es irgendwie immer Regulatorik braucht, um das Richtige zu tun, aber wär halt schon schön, wir würden das jetzt endlich mal hinkriegen.
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