Mit dem neuen Trend „Buy now pay later“ und der Verschiebung hin zu mehr Online-Handel, müssen Banken und Fintechs das Thema Inkasso neu denken. Es ist längst überfällig.
Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab sofort monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.
Wer des Titels wegen hier ist, um zu schauen, ob ich weiterhin auf der CDU rumlatschen werde wie James über den Tigerkopf in Dinner for One, der kann diese Kolumne an der Stelle schon einmal schließen. Hier soll es vorrangig nicht um die CDU, ihre Krise, ihre Klimapolitik gehen, wohl aber um ein Thema, das ebenso eine Erneuerung braucht: das gute alte Inkasso.
Inkasso macht Konsumenten das Leben schwer
Die Deutschen, sie zucken schon zusammen, wenn sie das Wort nur hören. Da müssen die gar nichts falsch gemacht haben, aber es könnte ja sein, dass morgen die Eintreiber des Inkassounternehmens vor der Tür stehen. Schlimmer ist eigentlich nur noch das meist spaßig angebrachte Moskau Inkasso. Oder bin ich der Einzige, dem diese leicht veraltete Assoziation von Inkasso in Form von ein paar Schlägern durch den Kopf zuckt?
Ich hatte bisher das Glück, das Thema Inkasso zu umgehen, bin aber ein Meister darin Mahnungen aus Schusseligkeit zu sammeln. Während einige Händler das gut mit einer freundlichen Zahlungserinnerung lösen, zahle ich bei anderen ab Tag 1 nach meinem Versäumnis mindestens fünf Euro – und das hat mir das Einkaufserlebnis schon so oft so doll vermiest, dass ich diese Shops heute meide.
Mit einem nun zunehmend wachsendem Online-Handel und diversen Bezahltrends, muss die Szene der Fintechs, Banken und Bezahldienstleister sich dem Thema Inkasso unbedingt noch einmal annehmen. Denn es macht vielen Konsumenten das Leben schwer und Unternehmen in der Regel unbeliebt. Noch ekliger wird es dann, wenn ein Unternehmen genau mit der oft prekären Lage von Spätzahlern ihr Geld verdient.
BNPL befeuert den Trend
Denn leider haben viele Inkasso-Unternehmen es geschafft, massig Kohle auf Kosten der Ärmsten zu scheffeln, die teils aufgrund schlimmer Schicksalsschläge gerade nicht daran gedacht haben, Rechnungen zu bezahlen. Fünf Milliarden Euro aus 20 Millionen Aufträgen trieben Firmen allein in Deutschland pro Jahr ein. Nicht falsch verstehen: Ich finde es grundsätzlich in Ordnung, wenn sie Geld für Unternehmen einfordern, in seinen heutigen Auswüchsen ist Inkasso aber nicht nur verwerflich, sondern richtig schäbig. Wenn sich beispielsweise die Vorwürfe erhärten sollten, dass Kunden unter Druck gesetzt werden, dass mit einem Eintrag bei der Schufa gedroht wird und die Kosten dabei künstlich nach oben getrieben werden, ist das – ja ich meine das so wie es da steht – asozial. Schämt euch, liebe Eintreiber. Und schämt euch ebenfalls, liebe Unternehmer, die solche Unternehmen beauftragen.
Dass es diese Auswüchse gibt, ist schon schlimm genug. Mit dem nun aber immer stärkeren Drang hin zu „Buy now pay later“ (BNPL) wird das Thema Inkasso noch einmal deutlich wichtiger. In der Kombination ergibt sich nämlich eine hochexplosive Mischung, die zu zwei sich bedingenden Entwicklungen führen wird: Die Verschuldung von immer mehr Personen steigt rasant an, weil sie Dinge kaufen, die sie sich nicht leisten können, aber glauben, sich dank BNPL leisten zu können. Das führt dann im zweiten Schritt zu mehr Inkassofällen, was wiederum das eigene Budget noch weiter nach unten schraubt. Die Folge: Mehr Menschen rutschen in die Schuldenfalle, was ein gesamtgesellschaftliches Problem ist.
Schafft Inkasso ab!
Um all das aus der Welt zu räumen, gäbe es eine einfache Lösung: Schafft das Inkasso ab. Aber weil das nicht geht, brauchen wir zumindest eine Revolution und zwar von allen Seiten. Von der Politik verlange ich, die Inkassogebühren auf die Selbstkosten, plus einen kleinen Obolus zu begrenzen. Von den Bezahldienstleistern erwarte ich, dass sie bessere Due Diligence machen und ähnlich wie Banken bei Krediten schon vor dem Kauf wissen, ob die Menschen auch zahlen können – Acces to Account lässt grüßen. Und von den Unternehmen verlange ich, dass sie Inkassounternehmen auswählen, die auf mehr als hohe Gebühren setzen.
Nun könnten Firmen sagen, dass das nicht ihr Problem sei. Warum sollten sie dafür verantwortlich sein, wenn Menschen über ihre Verhältnisse shoppen? Warum sollten sie auf ihr Geld verzichten oder warten? Ich sage es euch, liebe Sportsfreunde: Ihr macht das aus gesellschaftlicher Verantwortung – und weil euch euer eigenes Unternehmen lieb ist. Ihr seht, liebe Branche, es wäre viel zu tun, gerade solange der Trend zu BNPL eher noch zu- als abnimmt. Aber ihr könnt natürlich auch alle so weitermachen wie bisher. Ist dann halt nur so fortschrittlich wie die Ideen der CDU beim Klimaschutz.
Ps: Nein, die Neuregelung ab dem 01. Oktober reicht nicht aus, auch wenn sie ein Schritt in die richtige Richtung ist.
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