Neue agile Wettbewerber, disruptive Geschäftsmodelle, das historische Niedrigzinsumfeld sowie zunehmender Bedarf an Individualmobilität verlangen ein Überdenken des klassischen Mobilitätsangebots etablierter (Automobil-) Banken.
Gastbeitrag von Maximilian Kemper und Torsten Schuck von Bonpago
Insbesondere vor dem Hintergrund sich rasant entwickelnder Technologien wie künstlicher Intelligenz, Hochleistungs-Mobilfunknetz und Elektromobilität müssen Finanzdienstleister schnell reagieren. Es gilt, Dienstleistungen, zugeschnitten auf eine neue Generation Kunden, mit einer ausgeprägten „Digital Maturity“ und einem Nachhaltigkeits-Bewusstsein abzuleiten und anzubieten.
Captives werden zu Innovatoren
Captives haben nun die Möglichkeit, ihre Rolle als Innovatoren wahrzunehmen. Sie müssen ihr Portfolio gesamtheitlich überdenken und mit neuen Konzepten gestärkt in Richtung Zukunft gehen.
Der Kunde von heute definiert sich vorrangig über seinen Lifestyle und Erlebnisse. Das Credo lautet: Kunden kaufen Mobilität, kein Statussymbol. Umso wichtiger ist es, dass Banken und Hersteller verstehen, dass sinnstiftende Mobilitätsservices und eine verbesserte Customer Journey essenziell sind, um sich langfristig am Markt zu positionieren. Einen wesentlichen Aspekt dieses modernen Mobilitätverständnisses stellt das nahtlose Kundenerlebnis auch beim In-Car-Payment dar.
In-Car-Payment hat das Potenzial, ein wichtiger Baustein dieser neuen, digitalen Customer Journey zu sein und so das Kundenerlebnis entscheidend zu verbessern. Das Umsatz-Volumen der Bezahlungen, die im Fahrzeug ausgelöst werden, werden bis 2025 auf 86 Milliarden USD steigen.
Insbesondere die aktuelle Situation, in der beim kontaktlosen Bezahlen der vorrangige Komfort um den Sicherheitsaspekt erweitert wird, verleiht dem Thema eine immer größere Bedeutung. Ein vorrangiges Ziel der Automobilhersteller liegt in diesem Zusammenhang in der Schaffung einer immersiven Produktwelt: Der Fahrer muss sein Auto im Idealfall nicht verlassen.
Im Auto Bezahlprozesse auslösen
Das Auto ist also nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern zunehmend auch eine vernetzte Plattform. In-Car-Payment bezeichnet einen Baustein dieses Plattformgedankens und bietet dem Endkunden die Möglichkeit, im Automobil-Kontext Bezahlvorgänge komfortabel auszulösen. Ziel ist hierbei, die Conversion-Rate für Leistungen, die über die „Plattform Automobil“ angeboten und erbracht werden können, anzuheben. Der In-Car-Payment Vorgang wird durch die im Fahrzeug eingesetzte Technologie zu einer Nebensächlichkeit.
Grundsätzlich gibt es mehrere Wege, wie sich das Fahrzeug mit seiner Umwelt verbinden kann, sodass dessen Insassen Bezahlvorgänge initiieren können:
- Das Fahrzeug nutzt Bordtechnik wie Bluetooth, NFC oder WLAN.
- Das Fahrzeug benötigt weitere Hardware, wie zum Beispiel ein Smartphone.
- Das Fahrzeug verfügt über eine Hybridlösung, bestehend aus den zwei oben genannten Techniken.
Captives müssen Möglichkeiten nutzen
Den Zugewinn an Komfort erhält der Nutzer eines Fahrzeuges aber nicht in erster Linie durch die bargeldlose Zahlungsabwicklung, sondern vor allem durch die Primär-Leistungen, die über die „Plattform Automobil“ angeboten werden können. Hierbei lässt sich zwischen drei Arten unterscheiden:
- Waren oder Dienstleistungen (nutzungsabhängige Versicherung, Parken, Tanken/Aufladen, uvm.)
- Funktionalitäten (Drehmoment-On-Demand, Navigation, In-Car Wifi, uvm.)
- Mobilität (Car-Sharing, Ride-Hailing, uvm.)
Captives sollten sich dieser Sparten bewusst sein, um von den Möglichkeiten profitieren zu können, die das Fahrzeug als Technologieplattform bietet.
Technologische Standards als Wegbereiter
Customer Journeys lassen sich, wie oben gezeigt, durch den abgestimmten Einsatz bestehender Technologien weitreichend optimieren. Von der GPS-gestützten Parkplatzsuche bis hin zum Abschluss von individuellen fahrstilabhängigen Zusatzversicherungen: Verschiedenste Dienstleistungen rund um das Thema Mobilität können sofort genutzt und nutzungsabhängig sowie umgehend bezahlt werden. Nicht nur für Privatkunden ergeben sich völlig neue Möglichkeiten.
Auch Unternehmen, die auf eine Flotte zugreifen, können von neuen Angeboten partizipieren. Ein Use-Case besteht beispielsweise in der zentralisierten Abrechnung: Hotelbuchungen aus dem Fahrzeug, Tankvorgänge oder Restaurantbesuche via Drive-In lassen sich via In-Car-Payment-Technologie begleichen. Die daraus resultierenden Rechnungen können mithilfe der an das Fahrzeug angebundenen Dateninfrastruktur direkt und elektronisch an die Buchhaltung des jeweiligen Unternehmens übermittelt und dort verarbeitet werden.
Die Lösung lautet „Plattform“!
Voraussetzung für den Einsatz einer solchen Technologie ist, dass Automobilhersteller die Konnektivität ihrer In-Vehicle-Infotainment-Systeme über entsprechende Schnittstellen sicherstellen. Nur wenn die Systeme in der Lage sind, externe Geräte wie die Smartphones der Nutzer nahtlos einzubinden und die Abwicklung der Bezahlvorgänge mit einer gängigen Auswahl an Zahlungsmitteln (Payment-Mix) zu ermöglichen, ist die Nutzung eines solchen Angebots niederschwellig und Automobile können effektiv als mobiler POS fungieren.
In-Car-Payment kann durch die Unterstützung des Plattform-Gedankens zu einem Treiber der Individualmobilität werden. Der Datenstrom, der durch die Inanspruchnahme von Services und Dienstleistungen sowie die Nutzung des Fahrzeugs generiert wird, lässt sich zur laufenden Verbesserung der Customer Experience und (Weiter-) Entwicklung individueller Service-Produkte nutzen.
Kunde im Fokus des digitalen Ökosystems
Hersteller in Zusammenarbeit mit Automobilbanken könnten sich vor dem Hintergrund des verstärkten Wettbewerbs mit FinTechs und Technologieunternehmen als Bindeglied zwischen Automobil und Angebot positionieren und an den Umsätzen, die über ihre Plattform generiert werden, partizipieren. Dies erhöht langfristig die Resilienz in einem immer stärker innovationsgetriebenen Umfeld. Der Kunde steht im Fokus dieses digitalen Ökosystems.