Im Jahr des Bullen: Das sind die fünf Blockchaintrends in 2021

Im Jahr des Bullen: Das sind die fünf Blockchaintrends in 2021

Ein Gastbeitrag von Patrick Hansen

2020 war viel los und viele sind vermutlich erleichtert, das Jahr endlich hinter sich gelassen zu haben. Obwohl mit neuen Regulierungen in Deutschland und der EU, über spannende neue Blockchain Projekte im Finanzsektor und der Industrie, bis hin zum neuen Bitcoin Allzeithoch im Dezember einiges dabei war, richtet sich der Blick nun nach vorne –  fünf Blockchain/Krypto Trends, die in diesem Jahr weiter an Tempo gewinnen und den Markt prägen werden. Spoiler-Alarm vorneweg: 2021 ist laut chinesischem Kalender das Jahr des Bullen.

Die Institutionalisierung von Bitcoin

Das institutionelle Interesse an Kryptowährungen, in erster Linie Bitcoin, hat 2020 deutlich an Fahrt aufgenommen. Angeführt vom börsengelisteten IT-Unternehmen Microstrategy in den USA, das seit Ende August 2020 in mehreren Runden inzwischen über eine Milliarde US-Dollar in Bitcoin investiert hat, schichten inzwischen mehr und mehr Unternehmen einen Teil ihrer Kapitalreserven in Bitcoin um. Gefolgt sind unter anderem das Fintech Square von Twitter-Chef Jack Dorsey, der US Versicherungsgigant MassMutual, oder der Hedge-Fund One River (Bitcoin Treasury Übersicht).

Riesige Krypto-Treuhandfonds wie der Bitcoin-Trust von Grayscale (der ca. 3% aller im Umlauf befindenden Bitcoins hält) sowie immer mehr und professionellere Krypto-Finanzdienstleistungen am Markt (Verwahrung, Prime-Brokerage etc.) vereinfachen das institutionelle Krypto-Investment.

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Dieses dient in erster Linie der Kapital-Diversifikation und –Werterhaltung angesichts der Milliardenausgaben der Notenbanken weltweit und drohender Inflation und Fiat-Wertverlustes. Diese Entwicklung wird in meinen Augen nächstes Jahr nochmal drastisch an Tempo gewinnen und mehr und mehr Unternehmen werden Kryptowährungen, insbesondere Bitcoin, in ihre Bilanz aufnehmen. Angesichts des steigenden institutionellen Interesses hat S&P Dow Jones bereits einen Krypto-Index für 2021 angekündigt und nicht zuletzt der nächste Blockchain-Trend, die voranschreitende Regulierung, wird die Dynamik weiter verstärken.

Blockchain/Krypto Regulierung weltweit nimmt Formen an

Angestoßen durch die Verkündung des Diem-Projektes (ehemals Libra) im Sommer 2019 ist das Thema Blockchain/Krypto letztes Jahr endgültig in den Fokus der Regulatoren und Politiker weltweit gerückt. Nationale und internationale Arbeitsgruppen und Expertengremien zu Blockchain im BMF, der EU Kommission, der EZB, der FED, dem FSB, den G7, der FATF und vielen weiteren Institutionen sprießten in den letzten 18 Monaten förmlich aus dem Boden, was in zahlreichen Regulierungsentwürfen resultierte. Angefangen mit der Kryptoverwahrregulierung in Deutschland, der Umsetzung der fünften EU-Antigeldwäsche-Richtlinie, über den EU Markets-in-Crypto-Assets Entwurf (MiCA), den amerikanischen STABLE-Act oder die neuen FINCEN Antigeldwäsche-Entwürfe, die FATF-Travel-Rule, bis hin zum im Dezember veröffentlichten deutschen Kabinettsentwurf zur Öffnung des Rechts für Kryptowertpapiere wurden weltweit die Weichen für mehr regulatorische Klarheit gelegt.

Viele der Entwürfe, z.B. MiCA, werden voraussichtlich in diesem Jahr politisch abgestimmt und verabschiedet. Gerade in internationalen Regulierungsfragen, beispielsweise was den Umgang mit den vieldiskutierten „globalen Stablecoins“ wie Diem angeht, werden sich Regulatoren weltweit noch stärker abstimmen und auf gemeinsame Initiativen einigen, z.B. im Rahmen des extra für Diem einberufenen internationalen Regulator-Kreises bei der Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA. Das bedeutet einerseits: Regulatorische Klarheit und Rechtssicherheit wird den Blockchain-Markt weiter institutionalisieren und für Wachstum durch neue Kooperationen mit klassischen Industrie- und Finanzunternehmen sorgen. Andererseits aber auch, dass Innovationen neue und zum Teil hohe rechtliche Hürden in den Weg gelegt werden und Standorte vermehrt um ihre globale Wettbewerbsfähigkeit in diesem Feld konkurrieren.

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Der junge Blockchain Sektor wird sich daher in meinen Augen weiter politisieren (müssen) und noch stärker den Austausch mit der Politik und der etablierten Industrie suchen, z.B. über unsere Blockchain Plattform beim Bitkom (Mitliederübersicht & Jahresrückblick 2020).

Self Sovereign Identity in der Praxis

Self Sovereign Identities (SSI) oder dezentrale Identitäten auf Blockchain Basis versprechen eine Alternative für digitale Identitäten, die eine größere Kontrolle der Nutzer über ihre Daten und eine größere Datensparsamkeit mit sich bringt (siehe Bitkom Publikation hierzu). Schon zahlreiche Unternehmen (-skonsortien) und Initiativen arbeiten an SSI-Projekten, und auch die Bundesregierung fördert Pilotprojekte mit Millionensummen im Rahmen des Förderprojektes Schaufenster Sichere Digitale Identitäten, eine von 44 Maßnahmen der Blockchain Strategie der Bundesregierung.

Einzelne dieser geförderten Projekte wie beispielsweise IDUnion (vormals SSI für Deutschland) haben inzwischen eine breite Beteiligung von zahlreichen privaten und öffentlichen Partnern (Commerzbank, BAMF, ING, Bosch, Stadt Köln, Berliner Senat etc.) erreicht. Es wird ein verteiltes Identitätsnetzwerk aufgebaut, welches von einer Europäischen Genossenschaft verwaltet werden soll. Das Thema SSI wird im Jahr 2021 endgültig aus seinen Kinderschuhen und insbesondere aus der Theorie herauswachsen und wir werden im Rahmen von IDUnion und anderen Projekten zahlreiche SSI Anwendungsfälle aus verschiedenen Branchen in der Praxis erleben. Nicht zuletzt, weil Kanzlerin Merkel das Thema digitale Identität zur Chefsache machen will und gemeinsam mit zahlreichen privaten Konzernen eine staatliche Initiative plant. Auch die EU ist mit dem European Self-Sovereign Identity Framework (ESSIF) als Teil der European Blockchain Services Infrastructure (EBSI) aktiv und hat zum Ziel, 2022 eine blockchain-basierte digitale Identität für Bürger bereitzustellen.

Enterprise Blockchain Projekte in Produktion – R&D on hold

Blockchain war für die meisten Unternehmen auch im Jahre 2020, über ein Jahrzehnt nach der Schaffung des Bitcoin, noch eher ein Buzzword als ein konkretes Geschäftsinteresse. Das hat auch unsere repräsentative Bitkom Studie in Deutschland gezeigt. Viele Unternehmen sehen zwar großes Potenzial, es mangelt allerdings erheblich an belastbaren Use bzw. Business Cases sowie Blockchain-Expertise. Die Zeichen für 2021 stehen jedoch auf Wandel. Laut „Forrester  Predictions 2021“ nimmt die Anzahl der Unternehmen, die in 2021 beabsichtigen, mit Blockchain Projekten an den Start zu gehen, um ein Drittel zu.

Ausgelöst durch die Corona-Krise lässt sich dabei eine zentrale Veränderung beobachten. Während die Budgets für Proof-of-Concepts und rein experimentelle Pilotprojekte drastisch zurückgehen und gekürzt werden, werden Blockchain Projekte mit erwiesenem Nutzen schneller Richtung Produktion geführt (siehe Gartner). Laut Deloitte‘s Global Blockchain Survey haben 39% der (meist großen) Unternehmen bereits produktive Blockchain Projekte im Einsatz, verglichen mit 23% in 2019.

„39% der (meist großen) Unternehmen haben bereits produktive Blockchain Projekte im Einsatz, verglichen mit 23% in 2019.“

Corona-bedingt wird sich die Spreu auch in 2021 noch weiter vom Weizen trennen. Sinnvolle Use Cases gehen vermehrt live, für experimentelle R&D Projekte ist der Geldhahn erstmal zugedreht. Dieser Trend spielt natürlich den Branchen und Anwendungsfällen in die Karten, die bereits eine gewisse Marktreife erreicht haben. Dabei sind in erster Linie folgende Blockchain Use Cases zu nennen: Supply Chain Tracking, Trading, Certification, Trade Finance, Payments und Compliance.

Blockchain-basierte Zahlungsinfrastruktur vor dem Durchbruch

Während sich der Bitcoin von seiner ursprünglich von Satoshi Nakamoto vorgesehenen Raison d’Etre als Peer-2-Peer Zahlungsmittel mehr und mehr verabschiedet und zum digitalen Gold mutiert, stehen andere Blockchain-Netzwerke im Jahr 2021 vor dem Durchbruch im Zahlungsverkehr. Das von Facebook initiierte und vieldiskutierte Projekt Diem (vormals Libra) steht dieses Jahr vor dem Start und könnte erstmals hunderte Millionen von Personen dazu animieren, ihre Zahlungen über eine DLT-Infrastruktur statt über klassische kontenbasierte Zahlungsinfrastruktur durchzuführen. Dazu kommen die weltweiten Bestrebungen der Zentralbanken, sich verstärkt mit dem Thema CBDC/digitale Zentralbankwährung auseinanderzusetzen und dabei DLT-basierte Modelle zu prüfen, wie sie z.B. in den Bahamas bereits zum Einsatz kommen.

Parallel zu den staatlichen Initiativen arbeitet die Privatwirtschaft daran, FIAT-Währungen wie den Euro „auf die Blockchain zu bringen“ und dadurch Automatisierungspotenziale durch Smart Contracts zu ermöglichen. Alleine in Deutschland gibt es hier mehrere Unternehmensinitiativen (Cash on Ledger, Commerzbank, Bankhaus von der Heydt/Bitbond u.a.) und ich rechne fest damit, dass diese aufgrund der steigenden Nachfrage und des geopolitischen Wettbewerbs (Stichwort Chinesische CBDC, Diem) weiter an Bedeutung gewinnen werden bzw. neue industrieübergreifende Initiativen – nicht zuletzt durch politische Förderung und Unterstützung – entstehen werden.

Mit am faszinierendsten ist für mich jedoch das Versprechen und Potenzial von öffentlichen Blockchains, insbesondere Ethereum, für den Zahlungsverkehr der Zukunft. Auf Ethereum wurden 2020 insgesamt knapp eine Billionen (US-Trillion) Transaktionen abgewickelt, erstmals mehr als auf der Bitcoin-Blockchain (ca. 800 Milliarden).

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Damit entwickelt sich Ethereum zum Krypto-Settlement Layer schlechthin. Ausschlaggebend hierfür war unter anderem der rasante Anstieg von Decentralized Finance (DeFi – siehe Bitkom Infopapier) im Sommer 2020, also die dezentrale Abwicklung von Finanzdienstleistungen wie Kreditvergabe, Handel, oder Versicherung über Ethereum Smart Contracts. Aber auch Ethereum-basierte Stablecoins wie Tether oder USDC– also an FIAT-Währungen gekoppelte Token – spielen hier mit Marktemissionsvolumen von mehreren Milliarden US-Dollar inzwischen eine Hauptrolle.  Der Kreditkarten-Gigant VISA verkündete erst kürzlich, dass er Händlerunternehmen internationale B2B-Überweisungen mit dem Stablecoin USDC ermöglichen wird – gesettled auf Ethereum.

All diese Initiativen und Projekte (Diem/Stablecoins, CBDCs, DeFi etc.) sind nur die Spitze des Eisbergs. Das volle Ausmaß der bevorstehenden Disruption des Zahlungsverkehrs durch Blockchain-basierte Netzwerke – private (Diem, CBDC) wie öffentliche (Ethereum, Bitcoin) – lässt sich bisher nur erahnen. Das Jahr 2021 wird in meinen Augen den Erfolgszug und Durchbruch dieser Lösungen in der Breite der Wirtschaft und Gesellschaft einläuten.

Autor

  • Patrick Hansen leitet den Bereich Blockchain & Krypto beim deutschen Digitalverband Bitkom. Gemeinsam mit zahlreichen Mitgliedsunternehmen baute er den Tech-Verband im Blockchain-Bereich zur ersten Anlaufstelle für Politik und Medien sowie zur größten Austausch- und Netzwerkplattform für Corporates, Banken, Startups und Wissenschaft aus. Dazu zählen knapp 60 Blockchain-Startups und Fintechs, 15 Banken, sowie hunderte weitere Experten aus unterschiedlichsten Unternehmen und Branchen. Patrick war zuvor Referent für Startups beim Bitkom, hält Masterabschlüsse in Wirtschaft und Politik und sammelte Erfahrungen bei einem Investment-Unternehmen und im Europäischen Parlament.

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