Wenn mir noch ein Fintech-Gründer mit Ökologie oder Nachhaltigkeit kommt, muss ich weinen. Bitte seid doch ehrlich und versprecht nichts, was ihr nicht halten könnt. 

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab sofort monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Wenn die Fintech-Szene eine Sache besonders gut kann, dann ist das: Versprechen abgeben. Sie werden das Banking revolutionieren (hat leider bisher nicht geklappt), den alten Banken den Rang ablaufen (leider auch nicht) und seit einiger Zeit wollen sie auch nachhaltig, grün und überhaupt sehr ökologisch bewusst sein. Mein Problem damit ist: Diese Versprechen sind viel zu hoch gegriffen. Sie werden durch das mantraartige Wiederholen langfristig jedes Vertrauen in grüne, nachhaltige Produkte zerstören.  

Aussagekraft der Versprechen verwässert

Denn wenn die Payment- und Fintechbranche heute sagt, dass sie total grün und ökologisch sind, aber beim genaueren Hinschauen gar nicht ist, dann verwässert das die Aussagekraft solcher Versprechen enorm. Die Menschen werden diese Nachhaltigkeitslüge früher oder später enttarnen und sich enttäuscht davon abwenden. Das schadet am Ende einem gerade entstehenden “Fintech-Segment”.  

Die Versprechen gibt es in allerlei Form und Farbe. Es gibt sie von einfach nur “nachhaltig” über “klimaneutral” und “klimapositiv” bis hin zum Banking ohne doofe Plastikkarte. Das sind natürlich alles löbliche Ideen und Visionen, nur steht meist wenig dahinter. Symbolisch für solche Versprechen steht für mich die Holzkarte, die es ja mittlerweile von dem ein oder anderen Anbieter gibt. Wie ich jüngst herausfinden durfte, ist sie eine Schweizer Erfindung. Sie dient nahezu nur zu Marketingzwecken.

Ich kann den Wald vor lauter Feigenblättern nicht mehr sehen

Nach Außen soll sie zeigen wie “nachhaltig” ihr Besitzer ist, hat jedoch nur einen winzigen Impact. Am Ende glauben die Menschen sogar noch, sie sind öko unterwegs, ohne es zu sein. Von den dafür abgeholzten Bäumen brauchen wir erst gar nicht zu sprechen. Solche Aktionen sind leider Marketing mit Holzhammer, dabei bräuchte es endlich Taten mit Wirkung. 

Frage an die Gründerinnen und Gründer: Glaubt ihr, was ihr da vermarktet?

Was mich zur Frage führt: Was denken denn die ganzen Fintech- und Paymentbosse bei sowas? Ich meine, steht ihr in der Schlange vorm Felix, Berghain oder Katerblau und schreit dem Mädel neben euch nicht mehr ins Ohr wie geile “Founder” ihr mit welcher “Valuation” auch seid, sondern wie “sustainable” eure Firma jetzt ist, weil ihr nur noch vier statt fünf Mal die Woche bei Lieferando bestellt, alternativ zwei Bäume gepflanzt oder jetzt grünes Banking im Angebot habt? 

Oder anders: Glaubt ihr euer eigenes Marketinggewäsch einfach so sehr, dass ihr mit stolz geprellter Brust die Nachhaltigkeitsstrategie öffentlich verkündet oder wisst ihr genau wie der Hase läuft und tragt einfach werbeträchtig eine bessere Geschichte nach Außen?

Großbanken & andere Dickschiffe sind abgeschrieben 

Besonders Fintechs enttäuschen mich mehr als die Dickschiffe da draußen. Bei Großbanken gehe ich einfach fest davon aus, dass sie all ihr und auch mein Geld in dreckige Kohlefelder in China, umweltschädliche Erdölförderung in Südamerika oder andere Geschäfte fließen lassen. Daran werde ich mindestens einmal im Monat von in der Regel zwei NGOs erinnert, die den Banken auf den Füßen stehen und recherchieren, wo mal wieder ganz aus Versehen ein paar Milliarden Euro in die Zerstörung der Umwelt geflossen sind. Neuestes Beispiel ist die Broschüre von “Urgewald” mit dem passenden Titel “Finance against Future” – kleiner Linktipp für alle Großbanker unter den Leserinnen und Lesern.  

Das heißt im Umkehrschluss natürlich nicht, dass diese Dickschiffe keine Verantwortung hätten. Natürlich müssen wir sie dazu bewegen, Divestment zu betreiben, kleine, nachhaltige Geschäfte zu fördern und bei anderen Investitionen auf nachhaltige Kriterien zu drängen. Jeder dieser Schritte ist richtig. Aber in der Realität habe ich unsere Banken längst abgeschrieben, genau so wie ich all die Boomer, die uns allen die Klimakrise eingebrockt haben, abgeschrieben habe. Liebe Grüße aus dem Unwettergebiet NRW an dieser Stelle. 

„In der Realität habe ich unsere Banken längst abgeschrieben, genau so wie ich all die Boomer, die uns allen die Klimakrise eingebrockt haben, abgeschrieben habe.“

Die jungen Unternehmen enttäuschen besonders, weil sie keine Altlasten haben und trotzdem nicht konsequent handeln

Befreit von diesen Altlasten sind in der Regel Start-ups, Fintechs, junge Paymentfirmen, die bald zu den Großen gehören wollen und doch immerhin ein bisschen Revolution versprechen. Spätestens jetzt wären in einem Fintech-Klassenzimmer drei Hände oben, die schnipsend reinrufen würden: Genau, Tomorrow ist ganz toll. Ich picke das Unternehmen hier mal beispielhaft heraus, weil es am offensivste mit seinem Ansatz wirbt und ja, auch das ist löblich, ich wünsche ihnen nur das Beste. Es gibt da halt nur Probleme.

Kurz Google angeschmissen, bei den Kollegen vom Handelsblatt reingeschaut und siehe da, Öko-Papst Tobias Pastoors hat es schon gecheckt: Marketing top, Umsetzung flop. Gerade einmal 20 Prozent der Investments sind nachhaltig angelegt, der Rest immerhin neutral. Und jetzt hat auch die Verbraucherzentrale rund um Niels Nauhauser (schon des Namens wegen sympathisch) das Fintech abgemahnt, weil seine Werbung für CO2-Kompensation “irreführend” sei. Es könnte symbolisch gar nicht besser passen, finde ich. 

Also, liebe Szene: Wollt ihr nicht, könnt ihr nicht, oder was? Aktuell bin ich vor allen Dingen enttäuscht von dem, was mir da entgegenkommt, der so intransparenten Kommunikation und den Feigenblättern, die ihr vor euch hertragt. Ihr kennt ja das Sprichwort: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. 

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