Copy Trading-Plattformen gelten als Anlagetrend. Doch was ist dran an dem Konzept Copy Trading, das manche schon als Fintech-Revolution oder „Börse 2.0“ feiern? Hype-Thema der nächsten Jahre oder doch besser Finger weg vom Copy Trading, einer womöglich hochheiklen Anlagevariante?
Es ist schon erstaunlich: Gerade in der unsicheren Pandemie-Lage werden die Deutschen, eigentlich ein Volk der Sparer, mutiger. Vor allem junge Menschen interessieren sich mehr und mehr für den Aktienmarkt, das zeigen Zahlen des Deutschen Aktieninstituts. Demnach hatten 2019 rund 2,2 Millionen der 14- bis 39-Jährigen Wertpapiere, 2020 war es schon eine Million mehr – ein Anstieg um 46 Prozent.
Das Konzept klingt zunächst simpel
Sie sind die Zielgruppe einer großen Zahl an Anbietern, die das komplizierte Geschäft des Wertpapierhandels auf einfache Formate herunterbrechen wollen. Copy Trading ist eines davon. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein zunächst simpel klingendes Konzept. Nutzer folgen erfolgreichen Händlern und kopieren ihre Anlagestrategien. So picken sie sich – als Alternative zum klassischen und angeblich teureren Vermögensmanagement – diejenigen Anleger heraus, die tatsächlich mit Gewinn performen.
Die Anbieter wiederum stellen die Plattform zur Verfügung, auf der die Trader im Idealfall möglichst transparent erklären, warum sie in welche Aktien, Wertpapiere oder Derivate investieren. Wegen dieses Austauschs und des quasi gemeinschaftlichen Handels sprechen Experten von Social Trading als Oberbegriff.
Copy Trading ist eine Variante, bei der Nutzer ausgewählte Trades oder ein Portfolio kopieren, aber nur proportional zum eigenen Einsatz. Eine weitere Abart ist Mirror Trading, bei dem automatisch alle Trades mit derselben Anlagesumme wie der des Traders gespiegelt werden.
Fintechs biesten unterschiedliche Ansätze
Copy Trading unterschiedet sich wiederum je nach Anbieter. Wikifolio etwa ist ein Start-up aus Wien, das seine Zugriffszahlen zwischen 2019 und 2020 um 50 Prozent auf zwei Millionen Unique Visitors steigern konnte. Auf seiner Plattform bilden angemeldete Nutzer Musterdepots, die mit genügend interessierten und registrierten Anlegern in ein Finanzprodukt umgewandelt werden. Wikifolio gibt dann Zertifikate heraus, die die Entwicklung des Musterdepots nachzeichnen und an der Börse Stuttgart gehandelt werden.
Bei eToro, einem israelischen Anbieter, der nach eigenen Angaben mehr als sechs Millionen Nutzer in 140 Ländern hat, legen „Kopierer“ einen Betrag fest, den sie investieren möchten, und folgen „kopierten Tradern“. Dann wird in Echtzeit und automatisch jede Kauf- und Verkaufsorder des Traders auf das eigene Konto übertragen – abhängig von der Höhe des Trader-Depots im Verhältnis zum eigenen Depot. Der Mindestbetrag liegt bei 200 US-Dollar. Maximal kann man 100 Tradern folgen, und auch ein Höchstbetrag fürs Investment ist festgelegt: zwei Millionen Dollar. Ähnlich funktioniert der deutsche Wettbewerber namens NAGA. Das 2015 gegründete, seit 2017 börsennotierte Start-up hat rund 600.000 registrierte Nutzer und ist in der Vergangenheit durch hohe Verluste und ein dubioses Initial Coin Offering aufgefallen.
Copy Trading als Einstieg in den Börsenhandel
Der Vorteil, den auch die Anbieter gern in den Vordergrund rücken: Kunden können mit kleinem Aufwand Traden wie die Großen. Sie investieren Geld, müssen sich aber um die Geldanlage nicht ständig kümmern. Gerade für Anfänger, die noch keine Erfahrungen mit dem Börsenhandel haben, kann das Kopieren anderer Akteure sinnvoll sein. So lernen sie, welche Strategien funktionieren, welche eher nicht.
Das setzt aber voraus, dass sie mitverfolgen, wie sich ihre Investition entwickelt. Und dass sie Verluste einkalkulieren und finanziell auch verkraften können. Nicht umsonst raten Experten Einsteigern im Aktienmarkt meist, eine bestimmte Summe festzulegen, mit der sie spekulieren können, ohne dass sie in Existenznöte geraten, wenn die Kohle futsch ist. Vor allem aber müssen die Follower ihren Vorbildern vertrauen. Was zu den Nachteilen des Copy Trading führt.
Auch gute Anleger können sich irren
Erstens muss sich jeder, der in Börsenprodukte aller Art investieren will, über sein Ziel im Klaren sein. Soll es eine langfristige Anlage mit möglichst kleinem Risiko und daher eher geringer Rendite sein? Oder will man volles Risiko gehen in der Hoffnung auf eine starke Wertsteigerung und fetten Gewinn bei schnellem Wiederverkauf? Wer einen Trader kopiert, der das Abenteuer liebt, trägt halt auch dessen Risiko mit.
Zweitens greifen auch die besten Händler mal daneben. Vielleicht funktionieren ihre üblichen Strategien nicht mehr, vielleicht probieren sie mal was Neues aus. Wer sie kopiert, macht sich immer abhängig. Die Plattformen werben gern mit den Top-Tradern, Menschen also, die in einem bestimmten Zeitraum zuletzt große Erfolge in Form von hohen Wertsteigerungen erzielt haben. Möglicherweise kommt dabei aber ein Phänomen zum Tragen, das Psychologen als „Hindsight Bias“, zu Deutsch Rückschaufehler, bezeichnen: Weil man den Ausgang eines Ereignisses kennt, wird seine Vorhersagbarkeit im Nachhinein überschätzt. So weist auch NAGA auf seiner Website darauf hin: „Die Performance in der Vergangenheit gilt nicht als Hinweis auf die Performance in der Zukunft.“
Augen auf! Regulierung!
Drittens sind die Angebote der Fintechs, die teils selbst börsennotiert sind, nicht unbedingt günstig. Sie müssen schließlich ihre Plattformen finanzieren, arbeiten mit Partner-Brokern zusammen oder agieren selbst als Broker. Dafür kassieren sie Gebühren und Provisionen. Wikifolio etwa berechnet eine Zertifikatsgebühr von 0,95 Prozent sowie eine Performancegebühr zwischen fünf und 30 Prozent. Sie fällt dann an, wenn der Trader Gewinne erzielt, die über einem neuen Jahreshöchststand liegen. An diesen Gebühren verdienen auch die kopierten Trader. eToro berechnet unter anderem eine Gebühr von fünf Dollar bei Auszahlungen auf das eigene Konto.
Viertens: Wer Copy Trader werden möchte, sollte darauf achten, wie es mit der Regulierung bestellt ist. Je nach Konzept erbringen Social Trading-Plattformen erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen nach § 32 Kreditwesengesetz. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erklärt die Bedingungen auf ihrer Website. NAGA und eToro etwa haben ihre Sitze in Zypern, eToro zusätzlich einen in Großbritannien. Sie verfügen über Lizenzen der zypriotischen Börsenaufsicht CySEC, eToro hat noch eine Lizenz der britischen Finanzbehörde FCA sowie eine grenzüberschreitende Lizenz für den Europäischen Wirtschaftsraum. Wikifolio betreibt laut BaFin keine Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte.
Seriöse Anbieter erkennen
Unterm Strich sollten sich Anleger nicht von der vermeintlichen Einfachheit der Angebote locken lassen. Um böse Überraschungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, eben doch genug Zeit zu investieren, um die einzelnen Plattformen, ihre Produkte und Gebühren zu prüfen. Die seriösen unter ihnen bieten dafür ein kostenloses Demokonto an und haben die einzelnen Möglichkeiten, Schritte und Konsequenzen auf ihren Websites beschrieben. Auch die BaFin informiert auf ihrer Website ausführlich zu Social/Copy Trading und worauf Anleger aus Sicht der Behörde achten sollten. Es liegt in der Verantwortung der Nutzer, das alles zu lesen und auch zu verstehen.