Früher lief Banking in der Regel so: Die Bankberater:innen waren im Dorf oder Stadtteil bestens vernetzt und kannten die Lebensereignisse und damit verbundene Bedürfnisse ihrer Kunden wie ihre eigene Westentasche. Sie waren eine Art menschliche Datenbank und genossen das Vertrauen ihrer Kundschaft. Hyper-Personalisierung bietet viele Möglichkeiten, an diese Stelle zu treten.

Heute findet Banking losgelöst von Raum, Ort und Zeit statt. Kollege KI kennt den Kunden mindestens genauso gut wie die leibhaftigen Berater:innen, IT-Prozesse und Algorithmen haben die persönlichen Kontakte weitestgehend ersetzt. Der Kontakt im Kiez oder auf der Kirmes findet immer seltener statt. Auf dem Land mag das noch anders sein. Doch auch dort schließen immer mehr Filialen, verlassen immer mehr Menschen für ihre Bankgeschäfte weder Haus noch Hof und steuern ihre Konten stattdessen mobil oder vom Rechner aus.

Digitale Renaissance der Bankberatung

Und morgen? Stirbt mit den Filialen auch die Bankberatung oder erlebt sie eine digitale Renaissance? Ich bin felsenfest vom letzteren überzeugt.

Daten, das ist inzwischen eine Binse, sind das Gold des 21. Jahrhunderts. Doch zu Gold werden sie erst, wenn aus dem Daten-Rohstoff nutzbare Erkenntnisse gezogen werden. Dann reden wir von Smart Data. Mit der rasanten Entwicklung künstlicher Intelligenz können Daten heute immer genauer analysiert werden. Unternehmen suchen auf diese Weise nach immer zielsicheren Möglichkeiten, das Kundenerlebnis zu verbessern und den Vertrieb präziser und personalisierter auszurichten. Die Zeiten, in denen das Angebot für einen Kredit dann im Briefkasten lag, wenn das neue Auto schon vor der Tür stand, sind vorbei. Vorausahnen statt Hinterherhinken, lautet die Herausforderung, und genau hier kommt die Bankberatung der Zukunft ins Spiel.

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Ins Spiel gebracht wird sie durch Hyper-Personalisierung. Das ist die automatisch gesteuerte, individuelle Ansprache von Kunden über E-Commerce-, Marketing-Automation- und Customer-Engagement-Plattformen hinweg. Nur so ist es möglich, Kunden mit treffsicheren Botschaften und Angeboten zu beliefern und zu erkennen, wann für welchen Kunden dafür der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Das richtige Angebot an den richtigen Kunden über den richtigen Kanal zur richtigen Zeit: wenn wir diese Quadratur des Kreises schaffen, dann mache ich mir über die Zukunft unserer Branche keine Sorgen mehr.

KI statt Berater:innen am Schalter

Hyper-Personalisierung ist das Gebot der Stunde, damit Marken ihr Marketing auf einzelne Kunden zuschneiden können. Mit möglichst geringem Aufwand maximal konvertieren ist die Vision. Von Unternehmen – und genauso von Banken – wird erwartet, dass sie nicht nur die Bedürfnisse der Kunden bestmöglich erfüllen, sondern diese vorhersehen und sogar noch übertreffen. Die Aufgaben der Beratenden übernimmt dabei immer mehr die KI. Für den Vertrieb lassen sich mit Hyper-Personalisierung maßgeschneiderte Angebote schaffen. Wertvolle Hinweise liefern insbesondere Daten aus Bezahlvorgängen, sie bilden den Nukleus für datengetriebenes Marketing. Es dechiffriert das Kundenverhalten und ist maßgebend für die Gestaltung einer nahtlosen Customer Journey, die wiederum neue Daten liefert.

Um das zu ermöglichen, müssen wir aus allen Bereichen lernen, aus denen Daten gezogen werden können – auch in Korrelation miteinander. Wir müssen verstehen, wie und wo das Kundenverhalten über alle Kanäle beeinflusst wird, um dann das Wissen zu nutzen, die individuelle User Experience zu optimieren. Wir müssen dazu in der Lage sein, die Folgen und den Wirkungsgrad von einzelnen Maßnahmen jederzeit zu messen und daraus die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Und wir müssen mehr relevante Kundenerlebnisse schaffen und in Echtzeit zur Verfügung stellen. Wir handeln oftmals noch zu sehr produktbezogen und standardisiert statt bedürfnisbezogen und personalisiert.

Treibstoff sind die Kundeninformationen

Die Gretchenfrage lautet: Welche Daten helfen uns auf diesem Weg und wie können wir diesen gewaltigen Schatz heben? Der Treibstoff für neue Kundenerlebnisse steckt bereits im Banking selbst – und zwar in Form der Informationen, die Kunden hier hinterlassen. Das sind initiale Finanzierungsoptimierungen und Produktaffinitäten, die uns helfen, Bedarfe zu erkennen, von denen Kunden selbst noch gar nichts wissen. Eine neue Versicherung, ein neues Anlageprodukt, ein neuer Sparvertrag: Kommt die Bank mit diesen Angeboten im richtigen Moment, ist die Chance auf einen Abschluss hoch.

Aber es geht noch weiter. Wir sollten uns genauso fragen, wie wir Kontoanalysen und Kreditentscheidungen optimieren oder schnellere und präzisere Risikoabwägungen treffen können, aber auch wie sich Produktabschluss- und Produktkündigungswahrscheinlichkeiten vorausberechnen lassen, damit wir früher darauf reagieren können. Die Möglichkeiten von Smart Data und Künstlicher Intelligenz werden uns weiterhelfen, diese Prozesse besser zu verstehen und zu optimieren.

Gestern wie heute: Vertrauen ist der Schlüssel

Bei all diesen Überlegungen dürfen wir am Ende eines nicht vergessen: Im Banking geht es gestern wie heute vor allem auch um Vertrauen. Deshalb müssen wir maximal transparent sein. Dafür entwickelt der BVR ein Datenversprechen, um unseren Kunden in der genossenschaftlichen Finanzgruppe nachweisen zu können, dass es nicht um den Verkauf ihrer Daten geht, sondern ausschließlich um die Nutzung in ihrem Interesse. Es passiert nichts ohne Information bzw. ihre Zustimmung. So profitieren am Ende beide Seiten vom digitalen Datenschatz. Besser kann Banking kaum sein!

Über den Autor:

Stephan Weigel ist seit über zehn Jahren in wechselnden Positionen für Atruvia (vormals Fiducia) tätig und arbeitet jetzt als Tribe Lead Omnikanalsteuerung. Weigel ist einer der Autoren der Atruvia Kolumne, die ab sofort monatlich erscheint.

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