Payment war gestern, Shopping ist der Trend! Wie sagen wir schon immer und jeher: der Kunde will kaufen, nicht bezahlen. Hat es nun PayPal endlich verstanden und gleich 4 Mrd ausgegeben ? Oder ist es der Druck von Klarna, die immer stärker werden und über die “Endkunden-shoppingexperience” versuchen zu Punkten? Bonus, Rabatte, Coupons, Loyalty – die Standard Buzz Words, wenn wir über Value Added Services im Payment Umfeld sprechen. So richtig geschafft, dies mit dem Payment zu koppeln (und daraus ein Geschäft zu entwickeln) hat es keiner. PayPal nimmt nun “einen großen Schluck aus der Pulle” – trotz “billigem Geld” und “überhitzten Märkten” sind 4 Mrd ein echtes Statement.
Die Marke soll bleiben wieso eigentlich? Oder wird PayPal selber zu Honey?
Das Geschäftsmodell passt schon mal, Honey ist transaktionsbasiert und skaliert. Es stärkt den Endkundenbezug und hilft den Kunden besser zu verstehen. Vor allem ist die Zielgruppe jünger. Was zur nächsten Frage führt: Ist PayPal schon was für “Old white men”? Als ich das “Wort” Browsererweiterung las, kam bei mir instinktiv der Gedanke “das war doch in den 2000ern” auf.
Erinnert an nervige Avira Pop Ups, die einem die Produkte noch aus dem Warenkorb klauen wollen. Ich gebe ihm trotzdem eine Chance.
235 Dollar je Benutzer (bei 17 Mio aktiven Nutzern) – ein stolzer Preis aber Honey ist profitabel, daher sind kein Integrationsdruck bzw. weitere Investments nötig. Anders als bei Vemno. Aber vor iZettel (2.2 Mrd) und Vemno ist es der größte Zukauf für PayPal in einem nicht direkt Payment-relevanten Bereich. Dan Schulman sieht es schon als “die größte Veränderung für die Organisation seit Jahren”.
Oder war es ggf. die Angst von PayPal etwas zu verpassen oder die kritische Größe vom Markt wegzukaufen? Weitere Fragen stellen sich damit unweigerlich: Wo ist eigentlich das europäische Honey? Schlafen wir schon wieder?
Jetzt kommt das Team – ist PayPal auf dem Weg zur Super App? – Oder wird nur aufgeholt was in den letzten 10 Jahren trotz guter Ausgangsbasis verpasst wurde?
Maik Klotz:
Eine Schwalbe macht keinen Sommer. Eine Kreditkarte (B2B) keine Neuausrichtung und der Kauf von Honeypot fühlt sich fast schon nach Verzweiflung an. PayPal ist ein riesiger Konzern und hat in den letzten Jahren dramatisch an Agilität verloren. Andere Konzerne in der Liga sind da deutlich besser unterwegs. PayPal hat ganze Entwicklungen verschlafen, hat beim mobile Payment keine Relevanz und wird auf allen Ebenen angegriffen. Ich sehe ein strukturelles Problem. Ein Problem welches traditionelle Banken auch haben und bei PayPal langsam durchbricht: es fehlt an der richtigen DNA.
„Ich sehe ein Problem, das traditionelle Banken auch haben und bei PayPal langsam durchbricht: Es fehlt an der richtigen DNA.“
Apple, eine Plattform. Google, eine Plattform. Facebook, eine Plattform. Amazon, dreimal mehr eine Plattform. Es gibt einen Grund, warum GAFA ohne P auskommt. Das hat viele Jahre gut funktioniert und PayPal nicht sonderlich gestört. Selbst die Tatsache, dass sie beim mobilen Payment im Retail keine Rolle spielen, hat man irgendwie hingenommen. Jetzt fangen aber andere an, PayPal das Geschäft madig zu machen. Nicht nur die Großen, sondern auch kleine, agile Player wie Klarna. Wenn PayPal es nicht schafft in den nächsten 2-3 Jahren einen echten Shift hinzubekommen in Richtung Plattform bzw. Ökosystem, wird es zunehmend eng.
Honeypot ist ein gutes Modell, setzt es doch bei den niederen Instinkten an: Menschen sind Jäger und Sammler, konsumgeil und tun alles für einen Rabatt. Aber die Browsererweiterung ist die Achillesferse. Apple fängt an Extensions zu beschneiden, das gleiche gilt für Chrome. Man ist wie im App-Store abhängig von den Browsern. Ich bin skeptisch wie nachhaltig das alles am Ende ist.
Miriam Wohlfahrt:
Die Akquisition zeigt wie wichtig das Thema Microtargeting in der Zukunft sein wird. Um weiter zu wachsen muss Paypal seine Kunden und Zielgruppen sehr gezielt und personalisiert ansprechen. Das ist das Kerngeschäft von Honey. Außerdem steht Paypal wie viele andere Zahlungsunternehmen auch unter dem Druck Neukunden zu gewinnen und zusätzliche Revenues durch Mehrwertdienste anzubieten.
Honey hat über 17 Millionen aktive User im Monat und über 30.000 Händler als Kunden. Der Deal bringt somit Kompetenz im personalisierten Marketing und eine große Zahl neuer Kunden.
Rafael Otero:
Die Honey-Akquisition sorgt für Kopfzerbrechen oder Kopfschmerzen. Vier Milliarden US-Dollar für die US-Variante von “Gutscheine.de” – Holla die Waldfee. Jeder “Nutzer” von Honey soll also US$235 wert sein. Wo kann da jemand nicht rechnen? Wenn man genauer hinschaut ist das Geschäfts-modell von Honey allerdings gar nicht so un-smart – wenn auch typisch US-amerikanisch. Als “Kunde” von Honey gebe ich der Firma als erstes mal unheimlich viele Daten preis und durch die bereits mehrfach erwähnte Browser-Erweiterung sorgt Honey “automatisch” dafür, dass in jedem Checkout die Browser-Erweiterung per Geisterhand Promo-codes ausprobiert oder gefüllt werden.
So langsam dämmert es jetzt warum dieser Preis zustande kommt. Frei nach dem Motto: Wenn der Dienst umsonst ist, dann ist man selbst das Produkt (oder seine Daten). PayPal kennt von jedem Nutzer “nur” das Einkaufsverhalten bei Händlern wo PayPal auch integriert ist. Honey sieht aber alle Webseiten die ein Nutzer jemals besucht und auf welchen er einkauft (PayPal Integration hin oder her). Wäre es nicht super für PayPal zu einem Händler gehen zu können und zu sagen: „Hey, wusstest Du eigentlich, dass 30% deiner Konsumenten auch PayPal-Kunden sind?Integrier` uns doch und schwups können die per „One-click“ bezahlen.“ Davon abgesehen erhält PayPal nun auch Einblick in das Konsumverhalten von angeblichen 17 Mio aktiven Nutzern (wie auch immer aktiv hier wieder definiert ist) und kann das Checkout-Verhalten sowie die gewählte Zahlungsmethode analysieren.
Für das Retargeting von PayPal sind diese Einblicke Gold wert und mit Einwurf kleiner Münzen (Discount von PayPal für Nutzung von PayPal) kann man so sicherlich recht einfach seinen „share of wallet“ bei den Händlern erhöhen. In Summe macht PayPal mit der Akquisition von Honey nichts falsch, ob das Unternehmen aber US$4 Mrd. wert sein soll steht auf einem anderen Blatt. Vermutlich hören wir in ein paar Monaten, dass PayPal (analog zu iZettle) nicht der einzige Bieter war und es nur deshalb zu dem hohen Kaufpreis kam.
„PayPal macht mit der Akquisition von Honey nichts falsch, ob das Unternehmen aber US$4 Mrd. wert sein soll steht auf einem anderen Blatt.“
Nicole Nitsche:
Marketingtechnisch ist das ein cleverer Schachzug: PayPal kann damit seinen 24 Millionen Unternehmenskunden personalisierte Vouchers und Endkundenrabatte anbieten und diese in die gewohnten Prozesse integrieren.
An dem Deal scheiden sich die Geister: Befürworter loben den strategischen Mehrwert, da der Zukauf sowohl die Händler- als auch die Verbraucherseite tangiert und beträchtliches Cross-Selling-Potenzial heben könnte. Skeptiker verweisen hingegen auf den hohen Preis. 230 Dollar pro Nutzer, das erscheint nicht wenig, vor dem Hintergrund, dass die Firma bislang wenig bis gar kein Geld verdient.
Allerdings: Honey’s Hyper-Personalisierungsansatz fährt eine kundenorientierte Strategie par excellence, die PayPal nie selbst hinbekommen hätte und mit der eine echte Markentreue aufgebaut werden kann. Das Konzept von Loyalität, Cashback und Coupons kann PayPal nochmal einen neuen Markt eröffnen und ggf. ganz neue Zielgruppen ins Haus spülen – oder die ganzen Onlineshopping-Schnäppchenjäger kommen jetzt zurück. Könnte vielleicht das Sprungbrett sein, das es braucht, um viel mehr als nur ein Zahlungsunternehmen zu werden.
André M. Bajorat:
Mir ging es beim Wort „Browser-Erweiterung“ ähnlich wie Kilian. Aber ggf. ist genau diese “Kleinheit“ das Smarte an Honeypot. Keine extra App oder sowas, sondern einfach shoppen und automatisch die Rabatt-Codes nutzen. Klingt in der Tat einfach. Meine Frage ist eher, wie nachhaltig das Ganze ist, da eine Menge an Abhängigkeiten in dem Modell drin zu sein scheint: der Browser, der User, die Werbenetzwerke, die Retailer etc. Eine Menge Player, die mitspielen müssen. Ich habe zudem an eine deutsche Firma denken müssen, die etwas Ahnliches und doch ganz anderes baut: OptioPay. Da hängen die Voucher direkt an den Transaktionen.
Für mich selber ist das Ganze nicht wirklich relevant, da ich so völlig immun gegen jede Art von Rabattmarken oder Treuesystemen bin. Ich weiß aber gleichwohl, dass ich damit in der Minderheit bin. Aus PayPals Sicht macht das Ganze aber sicher Sinn, um aus der reinen Paymentwelt mehr und mehr rauszukommen. Ob der Preis gerechtfertigt ist, ist eine andere Frage – aber der Markt scheint es ja herzugeben.