Sonderprüfer haben einen Interessenkonflikt: Sie bekommen mehr Geld, wenn Maßnahmen der Bafin länger dauern. Ziehen sie die Prüfungen absichtlich in die Länge? In der Fintech-Szene kommt dieser Verdacht immer häufiger auf.
Die Gewissheit für Solaris kam im Juli 2024: Der Sonderprüfer bleibt auch über den eigentlich anvisierten Zeitraum hinaus im Hause. Offiziell gab man sich neutral, sagte, man mache „erhebliche Fortschritte”, und dass der Geschäftsbetrieb dadurch nicht gestört sei. Doch intern dürfte die Stimmung nicht gerade übergekocht sein. Bei Platow berichteten sie damals sogar vom „Frust”, der bei vielen Mitarbeitern wachsen würde. Kein Wunder, so ein Sonderprüfer macht wenigen Banken Spaß.
Der Fall Solaris aber ist mehr als nur ein Einzelfall Vielmehr zeigt sich an ihm exemplarisch: Wenn die Bafin in ein Unternehmen einreitet, dann knallt es. Dann gibt es Strafen, dann gibt es Neukundendeckel, dann tut es meistens richtig weh. Das mussten einige Fintechs und Banken zuletzt spüren und viele haben Verständnis: Die Finanzaufsicht schaut nun genauer hin, muss sie angesichts lauter Kritik an ihrer Arbeit in den vergangenen Jahren wohl auch. Doch neben dieser Erkenntnis macht sich zunehmend auch ein anderer Unterton breit, wenn man sich in der Szene umhört: Die Mitarbeiter oder Ex-Mitarbeiter von Firmen, bei denen die Bafin Stammgast ist, fühlen sich unfair behandelt, gegängelt, ja regelrecht ausgebremst. Und das vom Sonderprüfer.
Angst vor der Aufsicht: Öffentliche Kritik trauen sich Fintechs nicht
Öffentlich äußern will natürlich niemand, weil man Angst vor etwaigen Repressalien hat und es sich schlicht nicht mit der Bafin verscherzen will. Zu viel Sorge haben die mit der Sache vertrauten Personen, dass ihnen das eines Tages auf die Füße fällt. Hinter vorgehaltener Hand aber äußern sie alle einen ähnlichen Verdacht: Sonderprüfer sind in ihren Berichten besonders hart und finden immer wieder neue Kleinigkeiten, um den Auftrag in die Länge zu ziehen, um so mehr Geld abzukassieren. Damit, so bemängeln es mehrere Personen, gäbe es einen Interessenkonflikt zulasten der Fintechs. Doch, ist das wirklich so? Haben wir in Deutschland ein Strukturproblem?
So funktioniert die Sonderprüfung bei der Bafin
Zunächst einmal muss man wissen: Die Bafin selbst schickt keine eigenen Leute in die Unternehmen, sondern beauftragt die großen Wirtschaftskanzleien mit der Prüfung von Banken, Versicherern und Fintechs. Die Kosten dafür trägt nicht die Bundesanstalt oder der Steuerzahler, sondern das Unternehmen. Und weil Wirtschaftsprüfer nun einmal einen gepfefferten Tagessatz haben, können die Kosten für so einen Wirtschaftsprüfer und sein Team schon bei einfachen Prüfaufgaben im sechsstelligen Bereich liegen. Offizielle Zahlen dazu gibt es nicht, doch bei Fintechs wie N26, Solaris oder auch der Payment-Firma Unzer, die den Sonderprüfer teilweise über Jahre im Haus haben oder hatten, dürften sich die Kosten eher im sieben- oder sogar achtstelligen Bereich bewegen.
Hinzu kommen natürlich etwaige Strafzahlungen, die die Fintechs und Banken leisten müssen, und die Investitionen in bessere Geldwäschepräventionssysteme oder andere Compliance-Anforderungen. Allein N26 hat eigenen Angaben zufolge in nur zwei Jahren rund 100 Millionen Euro in Compliance, Infrastruktur und Teams in diesem Bereich gesteckt. Zur Einordnung: Für 2023 rechnet N26 mit einem Fehlbetrag von ebenfalls 100 Millionen Euro. Ohne die durch Bafin und Sonderprüfer verursachten Kosten würde die Neobank also mutmaßlich deutlich näher an der so wichtigen Profitabilitätsschwelle sein. Bei anderen Fintechs dürften die Kosten ähnlich sein.
Neukundendeckel und Sonderprüfer: Die Bafin-Maßnahmen können hart sein
Und dann sind da noch die Maßnahmen selbst, die natürlich weh tun, da können sie bei Unzer oder Solaris natürlich ebenso ein Lied singen wie bei diversen Bankhäusern, die in den vergangenen Jahren auf die Finger bekommen haben. Besonders schmerzhaft hat all das N26 erlebt, als die Bafin 2021 einen Sonderprüfer ins Unternehmen schickte und noch im gleichen Jahr einen Neukundendeckel verhängte. Nur noch 50.000 Kunden durfte N26 zeitweise im Monat aufnehmen und wurde zeitgleich von internationalen Konkurrenten wie Revolut abgehängt. Eigentlich fuhren beide Banken mal ein Rennen um den Wachstumschampion von Europa. Doch während N26 fast drei Jahre in der Boxengasse hing und heute nur auf vier oder fünf Millionen Kunden kommt, konnte Revolut fröhlich weiter rasen und zählt heute 45 Millionen Kunden in ganz Europa. Eine Zahl, die auch N26 hätte erreichen können.
Aktuell jedenfalls melden sich jeden Monat 200.000 neue Menschen bei dem Berliner Fintech von Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal an. Das wäre allein in einem Jahr ein Zuwachs von 2,4 Millionen Konten gewesen – wenn die Bafin nicht gewesen wäre.
Solaris-Chef begrüßte die Bafin im Haus
Nun könnte man natürlich sagen, dass Fintechs selbst schuld sind. Hätten sie ihre Geldwäschekontrollen im Griff gehabt (das zumindest ist zumeist der Grund für die Bafin-Intervention) hätte die Finanzaufsicht in Bonn oder Frankfurt auch nicht eingreifen müssen. Und da widersprechen sie bei den deutschen Fintechs auch nicht. Der damalige Solaris-Chef Roland Folz sagte sogar noch: „Wir sind zu diesem Thema permanent im Austausch mit der Bafin und finden es gut und richtig, dass wir die ordnungsgemäße Umsetzung unserer Verbesserungsstrategie von einem unabhängigen Beobachter nochmals überprüfen lassen.“ Klar, Ordnung muss sein. Und seit Mark Branson nach dem Wirecard-Desaster bei der Bafin übernommen hat, schauen sie eben lieber einmal zu genau hin.
Doch was viele in Frankfurt, Berlin und anderen Städten Deutschlands stört, ist die Dauer der Maßnahmen, die häufig immer wieder und wieder verlängert wird. Das Problem, das viele ansprechen: Die Bafin stützt sich bei der Entscheidung über die Verlängerung auch auf den Bericht des Sonderprüfers. Fällt der besonders hart aus, ist eine Verlängerung durchaus wahrscheinlich – und genau dort vermuten viele Banker und Fintecher einen Interessenkonflikt. Denn warum sollte ein Wirtschaftsprüfer einen überaus netten Bericht schreiben, wenn er doch weiß, dass damit sein Mandat und somit auch seine Bezahlung endet?
Bei der Bafin nach diesem Konflikt gefragt, dementiert die Bundesanstalt solche Vorwürfe vehement. Man schaue einfach genau hin, damit Kunden auf Banken und Fintechs vertrauen können. Ein Interessenkonflikt des Sonderbeauftragten sei zwar „vorstellbar”, komme aber „durch die enge Begleitung seines Mandats durch die Bafin nicht zum Tragen”, schreibt ein Sprecher auf Anfrage. Alle Prüfungsberichte werden von der Bafin geprüft, bevor sich die Anstalt diese zu eigen macht. Es erfolge zudem eine Anhörung vor Bestellung des Sonderbeauftragten, so dass alle Mängel auch den Fintechs bekannt seien. Außerdem prüfe die Bafin „laufend”, ob die Bestellung noch „verhältnismäßig” sei. Es bestehe zudem ein fortlaufender, regelmäßiger Austausch zwischen Bafin, Prüfer und Unternehmen und eine Erweiterung des Mandats erfordere eine Anhörung des Instituts durch die Bafin selbst. Ein Sprecher betont: „Weder werden junge Unternehmen härter angefasst noch mit Kulanz behandelt.”
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