Grün hinter den Ohren

Grün hinter den Ohren

Mit dem Skandal um die Greensill-Bank schlittert der deutsche Finanzplatz in die nächste Misere. Besonders betroffen sind Kommunen und das ist gar nicht mal so schlecht. Denn es ist ein weiteres Zeichen, dass Einlagensicherung und Bafin reformiert gehören.

Die Payment and Banking-Szene ist unzweifelhaft niemals langweilig. Kein Monat vergeht, ohne dass neue Produkte, Banken, Fintechs und Payment-Lösungen auf den Markt kommen. Aber wer braucht das eigentlich alles und muss man das alles gut finden? Unser Autor Nils Wischmeyer beleuchtet in seiner Kolumne „Nils nörgelt“ ab sofort monatlich ein Produkt, Thema oder eben den „letzten heißen Scheiß“. Etwas zu meckern gibt es schließlich (fast) immer.

Guten Morgen Deutschland, guten Morgen Bafin, guten Morgen nächste Peinlichkeit des Finanzplatzes, schön, dass ihr es alle einrichten konntet. Nachdem wir uns über den Fall Wirecard alle so gefreut haben, kommt hier die einmalige Möglichkeit, all die Kritikpunkte noch einmal durchzunudeln, um schlussendlich festzustellen, dass die deutsche Finanzaufsicht ein zahnloser, langsamer Kater ist, die Einlagensicherung nur zu mehr Risiko verleitet und Deutschland eine Lachnummer auf den internationalen Finanzmärkten ist. Seien wir also mal ganz ehrlich: Wenn es jetzt kein Reformpaket gibt, können wir es auch gleich lassen.

Aber erstmal kurz zu den Fakten, warum ich schon am frühen Morgen dem Zynismus verfalle: Das britisch-australische Finanzkonglomerat Greensill Capital hat vor einigen Jahren die NordFinanz Bank AG in Bremen übernommen, umbenannt und umgekrempelt.

Grün hinter den Ohren

Seither agiert das Geldhaus vor allen Dingen als Haus-und-Hof-Bank für die Greensill-Gruppe und hatte mit seinen Zinsversprechen dafür zuletzt Kundengelder in Milliardenhöhe eingesammelt. Mittlerweile hat die Bafin die Bank für Kundenverkehr gesperrt, die Staatsanwaltschaft ermittelt und das Finanzhaus wird nun nach allen Regeln der Kunst abgewickelt.

Lasst uns die Einlagensicherung abschaffen – zumindest teilweise

Die deutschen Privatanleger – und das nervt mich – kommen dabei erschreckend gut weg. Sie haben erst nette Zinsen über dem Durchschnitt kassiert, und werden nun komplett entschädigt dafür, dass sie sich von hohen Zinsen haben locken lassen. Im Prinzip erlauben wir Kunden so ihr Geld in risikoreiche Produkte zu schmeißen, ob selbst gefunden oder durch Fintechs vermittelt, ohne, dass sie jemals auch nur einen Hauch von Risiko tragen müssen.

Würde ich das für beispielsweise Aktien fordern, die Leute würden mich zurecht auslachen. Ich möchte also vorschlagen, die Einlagensicherung in Deutschland wahlweise abzuschaffen oder zumindest so stark einzugrenzen, dass sie nur noch für wirklich sichere Anlagen gilt – oder aber die Aufnahme in zumindest die gesetzliche Einlagensicherung so zu verschärfen, dass windige Banken nicht auf Kosten der anderen Geldhäuser riskante Geschäftsmodelle anbieten können. Letzteres wäre vermutlich die für den Sparer harmlosere Variante.

Wer nicht weiß, dass Risiko und Rendite zusammengehören, hat auf dem Finanzmarkt nicht viel zu suchen

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Damit würden wir auch dem entgegenwirken, was gern dummes deutsches Geld genannt wird. Sparer hierzulande können geschützt durch die Einlagensicherung riskante Zinsgeschäfte abschließen, was Risiko und Rendite entkoppelt und was dazu führt, dass immer wieder Millionen in alles fließen, was unseriös daherkommt.

Geschützt werden sollten die Anleger bei solchen Anlagen nicht, sondern lernen, das Risiko selbst zu tragen. Wer nicht versteht, dass die hohen Zinsen nur ein verzweifelter Versuch sind an Kapital zu kommen, der sollte für solche Entscheidungen nicht noch belohnt werden. Über die Frage nach Finanzbildung ab der Mittelstufe reden wir dann mal bei Gelegenheit.

Stichwort Finanzbildung: Getroffen hat die Pleite hingegen die Kommunen, die es doch tatsächlich für eine gute Idee hielten, das Geld dort zu parken. 15 Millionen aus Köln, mehr als 30 Millionen aus Monheim, 50 Millionen Euro aus Thüringen und die Liste lässt noch lange weiterführen. Hier zeigt sich, was mit dummen deutschem Geld passiert, wenn es mal nicht geschützt wird, sondern die Profis selbst dafür verantwortlich sind: Das Geld ist weg und alle wollen Entschädigung, der Staat soll helfen, sofort und überhaupt, man hätte es ja nicht wissen können – wie ungerecht!

Das dumme deutsche Geld muss versiegen

Dass all die Kämmerer und Städte nun nach Hilfe und Entschädigung schreien, ist allem voran peinlich und danach ein Offenbarungseid. Mit solchen Aussagen zeigen die zuständigen Finanzabteilungen lediglich, dass sie weder die aktuelle Gesetzeslage noch die Grundlagen der Finanzmärkte verstanden haben.

Mehr Rendite, und sei so noch so klein, bedeutet mehr Risiko. Das lernt jeder Sparkassenauszubildende im ersten Ausbildungsjahr und im Studium der Betriebswirtschaftslehre wird den Erstsemestern diese Regel nur so um die Ohren gehauen. Dass die Greensill-Bank keine Ausnahme ist, zeigt sich jetzt in der Realität. Nun kann man fragen: Muss ein Kämmerer eine auditiere Bank mit gutem Rating selber prüfen? Nein, natürlich nicht. Er muss nur seinen Verstand einschalten und merkt dann, dass mehr Rendite nicht risikolos sein kann. Entsprechend amüsiert musste ich sehen, dass das Finanzministerium bei allen Fragen zur Entschädigung auf das aktuelle Regelwerk verweist. Deutsche Bürokratie 1:0 dummes deutsches Geld.

Es ist der erste Skandal, bei dem viele Kommunen auf die Schnauze fliegen und das ist gut so. Denn, sollte auch nur ein wenig Einsicht herrschen, werden sie einen solch riskanten Schritt nicht noch einmal gehen und das dumme deutsche Geld, es versiegt zumindest ein bisschen.

„Es ist der erste Skandal, bei dem viele Kommunen auf die Schnauze fliegen und das ist gut so.“

Achja, über die Bafin wollte ich auch noch reden. Sie war mal wieder zu spät dran, soll auch Hinweise ignoriert haben. Was tun? Abreißen und grundlegend anders wieder aufbauen, mehr Macht, mehr Befugnisse, andere Unternehmenskultur. Aber das müssen wir ja nicht schon wieder durchkauen, der Wirecard-Skandal hat da doch gereicht. Fragen? Nein? Dann habe ich zu danken und hoffe, ich darf Sie in den kommenden Monaten zum nächsten Finanzskandal begrüßen. Habe die Ehre.


Autor

  • Nils Wischmeyer ist Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Wirtschaftswoche und die brandeins. An der Finanzbranche findet er (fast) immer was zum Nörgeln.

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