Dürfen wir vorstellen: Tobias Kuhl von fincite
Das Arbeiten in der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? In unserer Reihe Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Tobias Kuhl unsere Fragen.
Dürfen wir vorstellen…
Während unseres Arbeitsalltags begegnen uns immer wieder spannende Menschen, die im gleichen Umfeld tätig sind, die uns nur einmal oder immer mal wieder begegnen oder uns sogar schon privat sehr ans Herz gewachsen sind – jeder von Ihnen hat eine eigene Geschichte. Wir haben ein paar dieser Menschen aus unserem nächsten FinTech-Umfeld interviewt, um ihnen ein Gesicht zu geben. Um zu teilen, warum diese Branche für sie viel mehr ist als eine weitere Art, seine Miete zu bezahlen. Diese Menschen und deren Vita möchten wir in einer ganz eigenen Kategorie kurz porträtieren und vorstellen und haben dazu einen immer gleichen Fragenkatalog entworfen. Diesmal beantwortet Tobias Kuhl unsere Fragen. Tobias ist Teil des Management-Teams des Softwareentwicklers Fincite und erweitert als Head of Solutions die Geschäftsführung.
Wer bist Du, was machst Du?
Mein Name ist Tobias Kuhl, ich bin 36, komme gebürtig aus Füssen im Allgäu, habe in Zürich und St. Gallen studiert und danach in München gelebt. Dort habe ich zuletzt einen Startup-Incubator geleitet und viele Startups auf ihrem Wachstumspfad begleitet. Neben der Arbeit bin ich sehr viel in den Bergen unterwegs und beschäftige mich mit Persönlichkeitsentwicklung. Ich bin Coach, Mindfulness-Trainer und Yoga-Lehrer.
Seit Anfang Mai arbeite ich nun in Frankfurt und leite bei Fincite das Software Solutions-Team, dass u.a. für die Integration unserer Software Fincite.CIOS bei Banken und Vermögensverwaltern verantwortlich ist.
Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?
Ich bin überzeugt von Routinen und so beginnt mein Tag gegen 6 Uhr morgens mit Yoga, Meditation und Lesen. Danach fühl ich mich super und starte mit einem hohen Energielevel in den produktiven Teil des Tages. Hier nehme ich mir als erstes vor, was ich an dem Tag unbedingt erreichen möchte. Danach checke ich meine Emails und gehe in viele Abstimmungstermine mit Kollegen und Kunden. Am Abend prüfe ich dann noch mal, was ich heute alles erreicht habe und was es am nächsten Tag zu erledigen gibt. Nach der Arbeit koche ich meistens, treffe Freunde oder mache Sport.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Meine ersten Berührungspunkte kamen aus meinem persönlichen Netzwerk. Ich habe mit einem der Gründer von N26 in St. Gallen studiert und danach die Gründung aus seiner Perspektive recht eng mitverfolgt. So kam es auch, dass ich unter den ersten 600 Kunden bei N26 war. Ein anderer Freund hat mir 2015 in Berlin beim Kaffeetrinken erzählt, dass er Elektronik vermieten möchte. Danach hat er Grover gegründet. Mein Umfeld hat die Chancen auf jeden Fall früher erkannt als ich =)
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
Ich schätze, es war 2010.
Wie definierst Du FinTech?
Der Zweck von Tech sollte meines Erachtens immer sein, das Leben von Menschen zu verbessern – entweder von Mitarbeitern oder Kunden. Fintech ist für mich die Integration innovativer Technologien in die Finanzindustrie, um Prozesse zu automatisieren oder Umsatzpotentiale zu hebeln.
Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Von besser zu sprechen, fällt mir schwer. Etablierte Unternehmen machen die Dinge aufgrund ihrer Größe sicherlich anders und können damit auch andere Vorteile ausspielen – z.B. über lange Jahre gewachsene Kundenbeziehungen. Damit geht sicherlich auch ein solider Kapitalstock einher, der Volatilitäten leichter ausgleichen kann.
Ein Aspekt, der von etablierten Unternehmen häufig überschätzt wird, ist die Erfahrung bzw. das vorhandene Knowhow. In meinem letzten Job habe ich vielfach miterlebt, wie Erfahrung durch agile Prozesse und die enorme Lerngeschwindigkeit von jungen, hungrigen Gründern innerhalb von Monaten ausgehebelt wurde. Einen weiteren erheblichen Geschwindigkeitsvorteil haben Startups durch die schnelle Implementierung moderner Softwaretools für ihre tägliche Arbeit, wie beispielsweise Chatbots, integrierte CRM- und HR-Lösungen. Dadurch können sehr kleinteilige Arbeitsschritte sehr einfach und schnell automatisiert werden.
Was kann man von FinTechs lernen?
Fintechs zeigen immer wieder, wie einfach es sein kann, wirklich erhebliche Verbesserungen in Prozessen durch relative einfache Softwarelösungen zu erzeugen.
Für mich ist es immer wieder erstaunlich zu hören, welche einfachen Prozesse hier manchmal immer noch manuell ablaufen bzw. welche benutzerunfreundlichen Lösungen Nutzern/Kunden heutzutage im Finanzbereich noch zugemutet werden. Bestes Beispiel ist hier N26 – die wesentliche Innovation steckt hier aus meiner Sicht im Frontend, sprich in der Nutzerfreundlichkeit.
„Die wesentliche Innovation bei N26 steckt aus meiner Sicht im Frontend, sprich in der Nutzerfreundlichkeit.“
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Digitalisierung bedeutet Veränderung und Menschen verändern ihr Verhalten nun mal äußerst ungern, leider sitzt die „das haben wir schon immer so gemacht“-Mentalität immer noch extrem tief. Hier wird im Umgang mit Mitarbeitern, die mit Digitalisierung konfrontiert sind, oft vergessen, dass man ihnen eine Alternative bieten muss: „was stattdessen?“.
Für Mitarbeiter muss die Alternative zum Status Quo durch eine neue Lösung um Faktor 10 besser sein. Also die Veränderung beim einzelnen Mitarbeiter macht Digitalisierung für etablierte Unternehmen zur Herausforderung. Change-Management braucht auf Führungsebene ein ganz anderes Skillset als klassisches Management.
Was macht deinen Job täglich interessant?
Der tägliche Kontakt mit spannenden Menschen – Kollegen und Kunden – macht meinen Job so spannend. Ich möchte mein Team zu Höchstleistung bringen – nicht, indem ich sie unter Druck setze, sondern indem ich ihnen helfe ihre eigene Motivation und den Spaß in den Dingen zu finden, die sie täglich tun. Um das zu schaffen, muss ich Menschen wirklich gut kennen. Und verstehen lernen. Das macht mir viel Freude.
Der zweite Aspekt, der mich sehr motiviert, ist das Lernpotential für mich persönlich. Ich bin praktisch Fintech-Quereinsteiger. Meine bisherige Berufserfahrung mit einer neuen Industrie zu verknüpfen, birgt für mich ein unglaublich steiles Wachstum. Das fühlt sich bisher super an.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Ich würde ein Mental-Health-Business gründen.
Worauf bist du stolz?
Auf alles, was durch mich bisher entstanden ist – wo ich das Gefühl habe, dass meine Existenz einen positiven Impact auf meine Mitmenschen hat. Beispiele dafür sind: Eine Community mit 2000 Mitgliedern, die ich gegründet habe und aus der einige sehr erfolgreiche Kooperationen zwischen Startups und etablierten Unternehmen entstanden sind. Aktuell empfinde ich Stolz, wenn durch meinen Einfluss die Mitglieder in meinem Team noch motivierter sind und an ihren Herausforderungen wachsen.
Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?
Ich bin überzeugt davon, dass gemischte Teams am besten performen. Die Dynamik ist egofreier und sachorientierter. Die Teammitglieder sind zufriedener und haben ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl. Daran haben Frauen dank oft höherer integrativer Fähigkeiten, in sonst sehr Männer dominierten Branchen, einen erheblichen Einfluss.
Organisationen mit einem bestimmten Mangel wie z.B. ein unausgewogenes Geschlechterverhältnis, haben oft ein großes kulturelles Problem! Über die Ursachen, weshalb es weniger Frauen als Männer in der Tech-Branche gibt, kann ich nur mutmaßen. Ich glaube tatsächlich, dass das sehr stark mit gesellschaftlicher Prägung bereits in der Kindheit zusammenhängt. Daher halte ich die aktuelle Diskussion und Maßnahmen, wie Einführung von Frauenquoten und gendergerechte Sprache, für extrem wichtig. Kultur fängt erst an sich zu wandeln, wenn sich das Mindset der Menschen ändert. Der erste Schritt von Veränderung ist die Bewusstwerdung. Der zweite Schritt ist dann hoffentlich die Überzeugung, dass wir von einem kulturellen Wandel langfristig alle profitieren werden.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Gorillas – ich finde es absolut faszinierend, wie man es logistisch schaffen kann mir meinen Onlineeinkauf innerhalb von 10 Minuten an meine Haustür zu liefern. Ich versuch schon immer Gespräche mit den Lieferant:innen anzufangen, um mehr zu erfahren. Leider sind sie meistens sehr in Eile und nicht sehr gesprächig.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Laszlo Bock, er war VP of People Operations bei Google und hat, soweit ich weiß, die Unternehmenskultur von Google erheblich mitgeprägt. Vor allem die Art und Weise, wie er vorgegangen ist, find ich superspannend – unvoreingenommen ausprobieren, was funktioniert und anpassen, was nicht funktioniert. Ich kann auch sein Buch sehr empfehlen: Work Rules! Ich glaube aus einem Gespräch mit ihm würden sich sehr spannende Impulse für mich ergeben.