Das Arbeiten der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist primär geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weitverbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? Heute: Michael Bramm von Finastra.
In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Michael Bramm unsere Fragen.
Dürfen wir vorstellen: Michael Bramm von Finastra
Wer bist Du, was machst Du?
Mein Name ist Michael Bramm und ich bin Director Client Delivery & Implementation für das Produkt Payments bei Finastra. Mein roter Faden in der Karriere lässt sich heute mit dem Begriff Digitalisierung in der Finanzindustrie beschreiben, der mir früher im Wortschatz gefehlt hat. Ich habe in meinen unterschiedlichen Rollen immer wieder das Thema Transformation in den Domains Payment, Core Banking, Wealth Management und Back-Office vorangetrieben.
Privat verbringe ich viel Zeit mit meiner Familie und mache gerne Sport wie Laufen, Mountainbike fahren und Snowboarden. Manchmal denke ich mir auch meine Haupt-Hobbies sind zur Zeit Lego, Basteln und Kneten, aber ich bin immer erfolgreicher alles besser zu integrieren. Ich bin gerne der Natur und gesellig und dafür versuchen wir auch unsere Kinder zu begeistern.
Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?
Ich stehe früh vor meiner Familie auf und schaue nach dem Duschen erstmal in meine Emails und Teams auf dem iPad und mache mir einen Überblick was in meiner Offline Zeit passiert ist. Ich bereite mich so auch mental für den Tag vor. Dann wecke ich meinen Sohn und nehme mir Zeit für ihn. Wir sitzen mit einem von Hand zubereiteten Cappucino als Morgenritual zusammen und starten dann alle in unseren Tag.
Mein Arbeitstag ist meistens stark durchgetaktet, viele Meetings, Brainstormings, Konferenzen und Workshops. Durch die Pandemie und Homeoffice hat sich das auch weiter intensiviert, weil man weniger Offline Pausen durch Reisen, Weg zum Meeting Raum oder Funklöcher hat. Ich mache zum einen viel parallel, was einem die Technik ermöglicht, aber bin auch diszipliniert bei meiner Digital-Balance und habe Slots für Focus Time oder eine Laufpause. Beim Laufen werde ich meinen Stress los und komme auf die besten Ideen. Ich höre Hörbücher und Podcasts wie bspw. Payment & Banking.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Sehr früh, ich habe als Jugendlicher bereits meine Bankgeschäfte über diese piependen Modems gemacht und war begeistert über die neuen Möglichkeiten. Nach meinem Studium zum Wirtschaftsinformatiker habe ich in meinem ersten Job 2001 bei der Deutschen Bank an der Entwicklung einer internationalen Zahlungsplattform für Corporates gearbeitet. Das war spannend und schon damals Digitalisierung, denn die Großkunden haben ihr „Garagenclearing“ abgelöst.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
Ich erinnere mich nicht an einen festen Moment, aber ich glaube es hing mit dem Boom der Start-ups zusammen.
Wie definierst Du FinTech?
Viele Industrien erleben derzeit eine Digitalisierung und damit Neuausrichtung der Geschäftsmodelle. Tech-Unternehmen, die meistens keine Banken sind, sich aber auf die Finanzindustrie fokussieren, sind für mich daher FinTechs. Allerdings ist die Finanzindustrie im Gegensatz zu bspw. der Automobilindustrie schon seit Jahrzehnten weitestgehend digital, denn sie kennt nur wenige analoge Prozesse wie die Auszahlung von Bargeld am Automaten, um mal ein bekanntes Beispiel zu nennen. Aber die Banken haben sich aufgrund der historisch hohen Margen viele teure manuelle Prozesse und Komplexitäten insbesondere im Betrieb geschaffen, die jetzt wieder digitalisiert werden müssen. Banking ist im technischen Sinne fast immer Informationsverarbeitung.
Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Banken haben ein gigantisches Wissen über Finanztransaktion, Produkte und Prozesse aufgebaut und arbeiten global und vernetzt über gemeinsame Systeme und Märkte zusammen. Gleichzeitig sind sie aber auch sehr schwerfällig geworden und ihre Komplexität und Zergliederung verhindert oft ihre Transformation. Sie können daher nahezu jedes FinTech Produkt selbst anbieten, aber schaffen es nur selten. FinTechs sind meistens sehr fokussiert und glänzen bei einem Use Case, aber decken selten einen breiteren Bedarf ab.
Was kann man von FinTechs lernen?
Bei der Zusammenarbeit mit FinTechs begeistert mich immer wieder, wie sie eine Vision in kurzer Zeit mit großem Engagement erfolgreich umsetzen. Sie versuchen möglichst Standardprodukte in einem neuen Kontext zusammenzusetzen und damit ein Problem zu lösen, anstatt sich im Detail zu verlieren – das ist ihre große Stärke.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Die kleinteilige Zergliederung (Industrialisierung) von Verantwortlichkeiten und auch die selbst geschaffene Komplexität über Systeme und Produkte verhindert, dass man sich „einfach“ mal an einen Tisch setzen kann und ein Produkte Ende-zu-Ende neu denken kann.
Man hat viele neue Produkte und Services auf den Markt gebracht, aber wenig Energie in die Simplifizierung von Produkten, Prozessen und Systemen investiert. Ich bin immer wieder erschüttert, wenn ich bspw. beim Banking eine Transaktion in meinem Online Chanel auslöse und Briefpost nach Hause geschickt bekomme oder umgekehrt, manche Transaktionen in meinem Digital Banking nur per Papier Formular auslösen kann. Wenn man sich diese Komplexität unter der Haube bei einem Digitalisierungsprojekt anschaut steigen diese Herausforderungen exponentiell an. Das trifft auch für andere Industrien zu und ich tue mir schwer zu glauben, dass man ein Premium Auto nur über Dreh-Drück-Steller und über 50 Tasten bedienen kann, wenn mein Smartphone mit weniger als 5 auskommt. Simplifizierung muss Hand-in-Hand mit jeder Digitalstrategie umgesetzt werden.
Was macht deinen Job täglich interessant?
Ich arbeite täglich mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Ländern zusammen und wir teilen die gemeinsame Basis, dass wir an die digitale Transformation in der Finanzindustrie glauben. Diese Vielfältigkeit motiviert mich jeden Tag.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Das ist eine schwierige Frage, weil ich als Kind den Traumberuf Banker oder Pilot hatte. Aber ich bin ein Mensch, der sich nur sehr schwer langweilen kann. Mir fallen immer private Projekte ein, die ich auch mal gerne machen würde, wenn ich Zeit dafür finden würde.
Worauf bist du stolz?
Ich bin stolz auf meinen bisherigen Lebensweg. Ich habe einige Jahre in Asien und den Nordics gearbeitet und das hat meinen Horizont sehr geöffnet. Sehr stolz bin ich auch auf meine Familie und umso mehr, wie wir Familie und Beruf in den Einklang bringen.
Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?
Ich finde es sehr schade, dass sich nicht mehr Frauen für die Tech Branche begeistert haben. Und das ist auch nicht gut, denn die Tech Branche verzichtet damit auch auf viel Talent. Ich denke, dass die Tech Branche für Frauen über lange Zeit zu technisiert, nerdig und unkommunikativ erschien. Aber ich habe den Eindruck, dass sich gerade durch agile Arbeitsweisen wie bspw. SCRUM, welche mehr Fokus auf Kollaboration setzen, sowie den Digitalisierungstrend, diese Sichtweise verändert und immer mehr Frauen ihren Start in die Karriere in der Tech Branche finden. In der Zusammenarbeit mit Millennials kann man diesen Trend zumindest erkennen und ich hoffe, er verstärkt sich weiter.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Ich würde gerne einen Tag bei TESLA verbringen, und zwar als Schatten von Elon Musk. Mich begeistert seine Determination, dass man so viele Industrien neu denken kann.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Da gibt es viele, aber ich würde gerne mit Arnold Schwarzenegger und Frank Thelen starten und wenn ich eine Zeitmaschine nutzen darf, auch Steve Jobs. Ich höre auch immer wieder gerne Biografien und hätte tausend Themen, die ich gerne besprechen und diskutieren würde.