Das Arbeiten der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem durchaus lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist vor allem geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weit verbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum?
In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Markus Bernhard von ready2order unsere Fragen.
Dürfen wir vorstellen: Markus Bernhart von ready2order
Wer bist Du, was machst Du?
Mein Name ist Markus Bernhart. Ich bin CEO und Co-Founder von ready2order, einem Wiener Fintech, das sich auf die Entwicklung modularer POS- und Payment-Lösungen für kleine und mittelständische Unternehmen spezialisiert hat. Mit unseren Teams in den Hubs in Wien und Berlin sowie remote europaweit verteilt, arbeiten wir daran, ready2order zum Top-Finanz-Aggregator für KMUs in Europa auszubauen. Zusätzlich bin ich Mitglied des Vorstands der IGZTK e.V. – dem Zusammenschluss von Anbietern cloud-basierter Kassensysteme.
Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?
Morgens lass ich es eher ruhig angehen, da ich kein Morgenmensch bin. Ich screene zuerst die Top-Medien und Linkedin, um zu sehen was in der Welt, am Markt und in unserer Branche so passiert. Gegen halb neun Uhr bereite ich mich auf den Tag vor und dann starten auch schon die ersten Calls. Austausch und Brainstorming mit den Teams sowie Strategiearbeit bestimmen den Tag. Die Tage sind in der Regel lang, doch wenn ich es mal schaffe, schnapp ich mir meine Laufschuhe und laufe eine Runde um den Wiener Ring – damit hab ich während des Lockdowns angefangen und habe gemerkt, dass es mir sehr gut tut. Das ist zwar kein Marathon, aber es lässt mich abschalten.
Meist setze ich mich Abends nochmals mit vollem Fokus an meinen Laptop und arbeite Themen ab, die über den Tag angefallen sind. Vorm Einschlafen lese ich gern noch ein paar Seiten, wobei mich insbesondere Menschen interessieren, deren Mindset und Visionen Veränderungen vorangetrieben haben – das finde ich spannend!
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Ganz klassisch: Als ich als Jugendlicher bei einer örtlichen Bank ein Konto eröffnen wollte. Ich habe diesen Prozess als viel zu langwierig und aufwendig in Erinnerung. Dann zog es mich für das Studium nach Wien und ich war weiterhin an diese örtliche Filiale gebunden – an digitale Unterschriften oder Videocalls mit meiner Bankberaterin war gar nicht zu denken. Außerdem habe ich durch meine Aufenthalte in den USA, bereits 2005 den Unterschied erlebt, was eine nahezu flächendeckende Akzeptanz von Kredit- bzw. Bezahlkarten bedeuten.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
Es muss so um 2014 gewesen sein als mir der Begriff “Fintech” das erste Mal über den Weg gelaufen ist und seitdem bestimmt es meine Wahrnehmung und Interesse.
Wie definierst Du FinTech?
Fintechs sind für mich Technologieunternehmen mit einem Fokus auf Finanzprodukte und -dienstleistungen, bei denen Innovation im Vordergrund steht – sie sind damit im Kern eine Tech-Company und keine klassische Bank.
Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Der Nachteil von etablierten Corporates ist auch gleichzeitig einer ihrer größten Vorteile: erprobte Prozesse. Besonders Themen wie Compliance und Betrugsbekämpfung stehen bei wenigen jungen Fintechs im Vordergrund. Es geht primär ums Wachstum. Diese Themen sind jedoch enorm wichtig und Fintechs müssen sich gezwungenermaßen früher oder später sehr genau damit beschäftigen.
Außerdem verfügen insbesondere etablierte Unternehmen in unserer Branche etwas worauf viele Fintechs neidisch sind: ein bunter Blumenstrauß an Lizenzen. Von der Banklizenz bis hin zur Versicherungslizenz – diese zu bekommen benötigt nicht nur Geld, sondern vor allem viel Zeit und Ausdauer.
Was kann man von FinTechs lernen?
“Das geht nicht, gibt’s nicht!” Stattdessen sollten sich noch mehr Unternehmer:innen zum Ziel setzen, mit neuen Lösungen und Technologien das vermeintlich Unmögliche möglich zu machen. Und das Wichtigste: Fintechs rücken ihre Kund:innen mit all ihren Anforderungen und Bedürfnissen in den Fokus ihrer Entwicklungen.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Es ist wahrscheinlich eine Mischung aus einem eingestaubten Mindset und festgefahrenen Strukturen. Große Unternehmen haben Prozesse und Strukturen über Jahre oder gar Jahrzehnte etabliert. Es ist für sie vermutlich sehr schwer und riskant diese zu verändern. Es werden meistens nur kleine Adaptionen gemacht, während Startups (im besten Fall) mit einer großen Disruption beginnen. Zwar benötigen Startups mehr Zeit, ehe sie am Markt an Traktion gewinnen und ihr Produkt greift. Kommen sie jedoch einmal in Schwung, wird es für bestehende Player immer schwerer aufzuholen. Das sieht man beispielsweise an Payment-Plattformen wie Stripe.
Es gibt aber auch Gegenbeispiele. Die “Erste Bank” aus Österreich ist dieses Risiko mit ihrer Banking-App “George” eingegangen. Statt einer schlecht portierten App, entwickelten sie ein vollständig neues, modernes System – mit Erfolg! Von der User Experience spielen “George” und beispielsweise N26 in einer ähnlichen Liga.
Was macht deinen Job täglich interessant?
Es sind die Menschen und die Themen, auf die ich tagtäglich treffe. Besonders in der Fintech-Branche schätze ich den Ansatz der Zusammenarbeit um etwas Großes zu erreichen – von unseren Teams bei ready2order bis hin zu Wettbewerbern. Beispielsweise gründeten wir erst kürzlich mit anderen Cloud-Kassenanbietern die IGZTK e.V. Gemeinsam wollen wir den Zugang zu innovativen Technologien wie der Cloud erleichtern und über neue digitale Lösungen aufklären.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Ich bin Vollblutunternehmer, weshalb ich vermutlich ein Unternehmen einer anderen Branche aufbauen würde. In jedem Fall aber im Tech-Bereich. So interessiert mich beispielsweise auch die Energiebranche, vom Erzeugen und Verteilen bis hin zum Speichern von Strom, wie z.B. im Kontext der Elektromobilität.
Worauf bist du stolz?
Was wir als Team bei ready2order in den vergangenen Jahren geschafft haben. Und trotzdem sind wir noch am Anfang und daher freue ich mich auf das was kommt!
Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?
Noch immer werden viele junge Mädchen in Klischees gezwängt. Wusstet ihr, dass die Software für die Mondlandung in den 1960er primär von Frauen geschrieben wurde? Ich wünsche mir sehr, dass es uns gelingt, beispielsweise in Engineering Teams ein ausgeglicheneres Verhältnis an Frauen und Männern zu haben. Es ist kaum auszumalen, wie erfolgreicher diese Teams dadurch wären! Diese Entwicklung sollte schon in der Schule “losgetreten” und die dementsprechenden Fächer gepusht werden.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Es gibt viele spannende Tech-Firmen, in die ich gern mal einen Tag reinschauen würde. Für einen Tag die Unternehmenskultur von Netflix hautnah miterleben, ist sicherlich sehr interessant. Was ich aber noch spannender fände, wäre mal in den Alltag von Kund:innen reinzuschauen. So könnte ich noch besser verstehen, wie die täglichen Workflows und konkreten Bedürfnisse aussehen.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Dietrich Mateschitz – auch hier wieder das Thema Mindset. Er hat es geschafft mit einer “Alles ist möglich”-Mentalität aus Österreich heraus trotz schwieriger Anfangszeit einen global erfolgreichen Konzern aufzubauen. Vielleicht trinken wir jedoch eher eine Brause miteinander…