Das Arbeiten der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist primär geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weitverbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? Heute: Christian von Hammel-Bonten von paydirekt.
In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Christian von Hammel-Bonten unsere Fragen.
Dürfen wir vorstellen: Christian von Hammel-Bonten von paydirekt
Wer bist Du, was machst Du?
Ich bin Christian, Geschäftsführer bei der paydirekt GmbH. Wir sind verantwortlich für die Weiterentwicklung und operative Zusammenführung der Online-Payment-Verfahren paydirekt und giropay. Beides sind sogenannte Account-to-Account-Verfahren, also kontobasiert und somit eng mit beziehungsweise in die Systeme der beteiligten Banken und Sparkassen integriert. Das bringt uns und unseren Kunden einige Vorteile. Dazu gehören eine Zahlungsgarantie aber auch effiziente Zahlungsabläufe.
Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?
In den letzten beiden Jahren sah mein Tag nahezu immer gleich aus: morgens aufstehen, Brotzeit für meinen Sohn machen und ihn zur Schule schicken. Alle zwei bis drei Tage bin ich dann morgens erst einmal eine Runde joggen gegangen, um mich danach der Arbeit zu widmen. Abends dann ganz klassisch: Essen, Familienleben, gemeinsamer Austausch und was so dazu gehört.
Durch die Lockerungen der Corona-Maßnahmen ändert sich das im Moment wieder. Zudem macht mein Sohn gerade sein Abitur. Daher ist der Rhythmus jetzt anders. Sowohl privat als auch beruflich bin ich wieder mehr unterwegs und habe die Möglichkeit, unser Team und Kunden vor Ort zu treffen, Events zu besuchen. Eins ist aber geblieben: Ich versuche immer noch, ein bis zweimal in der Woche morgens eine Runde zu laufen.
Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?
Begonnen hat alles vor zirka 25 Jahren bei Brokat, einem Anbieter für Lösungen für das Online-Banking. Das war genau zu der Zeit, als das Internet populärer wurde. Brokat hat damals mit Hilfe von Java Applets eine sichere Verschlüsselungslösung realisiert und viele Banken als Kunden für Online-Banking gewinnen können. Ich hatte damals mein erstes Online-Payment-Projekt: Primus Online. Viele bezeichnen mich daher vielleicht als Payment-Urgestein.
Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?
Das Wort selber, kann ich gar nicht sagen. Aber was dahintersteckt, begann schon bei Brokat. Mit der Entwicklung erster Lösungen für das Online-Banking war es vielleicht mit das erste FinTech-Unternehmen in Deutschland. Die Lösungen wurden von beinahe jeder Bank und Sparkasse genutzt. Das war der Ursprung der ersten FinTech-Welle, aus der dann die heutigen Direktbanken hervorgingen.
Wie definierst Du FinTech?
FinTech ist die Kombination aus Financial Services und Technologie. Aber heutzutage gibt es keine Financial Services mehr, die nicht auf Technologie basieren.
Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?
Etablierte Unternehmen haben in vielen Bereichen ein extremes Wissen und Know-how. Auch über die Standard-Problemstellungen hinaus. Sie kennen die Spezifika und Einzelheiten, die notwendig sind, um ganzheitliche Dienstleistungen anzubieten. Gleichzeitig besitzen sie fundiertes Wissen über die Rahmenparameter. FinTechs hingegen haben oftmals noch eine Lernkurve vor sich. Eine gute Idee geht nicht immer mit einer guten Umsetzung einher. Etablierte Unternehmen besitzen in diesem Punkt eine gute Position. Generell kann man sagen, dass beide Welten voneinander lernen können und sollten.
Was kann man von FinTechs lernen?
Agilität, Schnelligkeit und die Bereitschaft, auch einmal Fehler zu machen. Diese schnell zu korrigieren und nach vorne zu gehen, immer mit einer klaren Vision. Das kann man definitiv von FinTechs lernen. Wenn man das mit dem großen, reichhaltigen Erfahrungsschatz an Wissen aus etablierten Unternehmen kombiniert, dann kann das Beste aus beiden Welten entstehen.
Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?
Früher habe ich gedacht, es läge allein an der IT-Architektur dieser Unternehmen. Heute glaube ich eher, dass es eine reine Kulturfrage ist. Die arbeitsteilige Welt mit der Schaffung von Abteilungen und einer hierarchischen Führung behindert das, was Agilität ausmacht: eine eigenverantwortliche, zielorientierte Zusammenarbeit von unterschiedlichen Disziplinen. Das hemmt viele Unternehmen bei der Digitalisierung. Hinzu kommt dann noch die vorhandene IT-/Business-Architektur, die schnelle Umsetzungen schwierig macht. Beides tendenziell ein Problem von großen, gewachsenen Organisationen.
Was macht deinen Job täglich interessant?
Es ist die Abwechslung: Auf der einen Seite die Partner, Händler und Serviceprovider, auf der anderen Seite die Welt der Banken. Das macht es immer wieder interessant, weil unterschiedliche Sichten und Welten miteinander zusammenarbeiten. Wir agieren als Schnittstelle zwischen diesen Welten. Ich habe eine große Leidenschaft für Dynamik und die Weiterentwicklung von Dingen – und genau das ist in diesem Umfeld gefragt.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?
Ich würde Produktdesign studieren. Das ist ein Bereich, der mich im Laufe der Zeit immer mehr interessiert hat – ob User Experience-Design oder Produkt-Design im Ganzen. Vielleicht auch inspiriert durch Steve Jobs. Das Element, das in Zukunft sehr entscheidend sein und es auch immer bleiben wird, ist die Schnittstelle zwischen Technologie, Maschine und Mensch unter Berücksichtigung psychologischer, emotionaler und technologischer Aspekte. Die damit zusammenhängenden Fragestellungen finde ich einfach reizvoll und interessant.
Worauf bist du stolz?
Auf meine Familie und die vielen innovativen Projekte, die ich in meinem Leben begleiten durfte. Neue Produkte entwickeln, in den Markt bringen, skalieren – manchmal erfolgreich, manchmal auch weniger erfolgreich. Neue Dinge zu erschaffen und auszuprobieren, das ist das, was mir Spaß macht und worauf ich stolz bin.
Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?
Die paydirekt GmbH hat einen Frauenanteil von über 40 Prozent. Das zeigt, es muss nicht so sein. Wir können in diesem Bereich Gleichstand erreichen oder irgendwann vielleicht sogar mehr Frauen als Männer in der Tech-Branche haben. Insgesamt glaube ich, es hat etwas mit unserer Gesellschaft zu tun. Wir ermuntern viel zu wenig Mädchen, aus heutiger Sicht männliche Berufe zu ergreifen und sich für MINT-Themen zu interessieren. Umso stolzer bin ich darauf, dass meine Tochter UX-Design studiert. Es liegt also auch an einer offenen Erziehung, über den Tellerrand hinauszuschauen und neue Dinge auszuprobieren.
Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?
Offen gesagt, mir fällt keins ein. Im Grundsatz bei einem Unternehmen, bei dem es Herausforderungen gibt und ich Spaß bei der Arbeit habe. Außerdem ist es mir wichtig, dass ich einen Sinn in meiner Arbeit sehe. Das ist gegeben, wenn das Unternehmen den Markt und die Kunden voranbringt.
Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?
Erstens, das müsste ein glutenfreies Bier sein, da ich mich glutenfrei ernähre. Und ansonsten mit jedem, denn jeder hat was zu erzählen. Ich glaube, man kann viel voneinander lernen, wenn man sich unterhält, sich gegenseitig zuhört und Fragen stellt.
Christian von Hammel-Bonten war im Dezember 2019 bereits zu Gast im „ask me anything“