Gesichter der Branche: Alexander Emeshev von Vivid

Das Arbeiten der FinTech Branche gleicht einem Kommen und Gehen, setzt ein hohes Maß an Professionalität in einem lockeren Arbeitsumfeld voraus und ist primär geprägt von Innovationen sowie guten, klugen und zukunftsorientierten Ideen, so der weitverbreitete Konsens. Doch wer sind eigentlich die Köpfe und Macher hinter diesen kreativen Denkprozessen, an der Schnittstelle zwischen Finanzen, digitalen Technologien und Gründertum? Heute: Alexander Emeshev von Vivid

In unserer Reihe: Die Gesichter der FinTech Branche stellen wir regelmäßig einer Person aus der Payment- und Banking-Industrie die gleichen zehn Fragen. Diesmal beantwortet Alexander Emeshev unsere Fragen.

Dürfen wir vorstellen: Alexander Emeshev von Vivid

Wer bist Du, was machst Du?

Ich bin Alexander Emeshev und bin Co-Founder von Vivid, eine Finanzplattform, die alle täglichen Bedürfnisse rund um das Thema Geld, wie Banking, Sparen oder Investieren, in einer App vereint.

Wie sieht ein klassischer Tag in Deinem Leben aus?

Normalerweise starte ich meinen Arbeitstag sehr früh, entweder im Büro oder im Homeoffice. Meist beginnt er mit einem Blick auf die Termine in meinem Kalender und mit einer ersten Besprechung im Team. Im Schnitt habe ich täglich etwa 15 bis 20 Meetings und Videocalls – abhängig auch davon, an welchem der drei Vivid-Standorte (Berlin, Moskau, Amsterdam) ich mich gerade befinde. Meetings machen damit mehr als 90 Prozent meiner Arbeitszeit aus. Etwa 40 Prozent unserer Mitarbeiter an den drei Standorten arbeiten im Büro, daher bevorzuge ich prinzipiell eher persönliche Treffen, da diese meist produktiver sind. Aber auch Remote Work ist bei uns kein Problem und Videocalls können persönliche Meetings sehr gut ersetzen.

Ich starte ansonsten meinen Tag immer auch mit einem starken Kaffee bei Starbucks in Moskau und Amsterdam oder Einstein Kaffee in Berlin.

Was waren Deine ersten Berührungen mit der Payment- und Banking-Industrie?

Ich begann damals in Moskau als junger Finanzanalyst bei der Russian Standard Bank. Ich war dort anfangs zuständig für die Verwaltung von Rechnungsinformationen und für das Cross-Selling von Kreditkarten. Es war eine tolle und zugleich lehrreiche Zeit, in der ich zum ersten Mal direkt in Berührung mit der Finanzbranche kam.

Schon als ich Student war, übten Kreditkarten auf mich eine große Faszination aus. Der Besitz einer Kreditkarte war für mich immer ein Anzeichen dafür, dass die Finanzgeschäfte und das Finanzleben prinzipiell in die richtige Richtung laufen. Kreditkarten waren somit eine coole Sache. Das hört sich aus heutiger Sicht natürlich naiv an, aber man muss sich auch in die damalige Zeit zurückversetzen, als Kreditkarten noch nicht so weit verbreitet waren wie heute.

Wann hast Du das Wort FinTech das erste Mal wahrgenommen?

Das muss damals um das Jahr 2013 / 2014 gewesen sein. Als ich bei der kaspi bank gearbeitet habe, haben wir bereits im Fintech-Bereich gearbeitet, ohne dass wir das damals Fintech genannt haben. In Russland wurde damals nicht so strikt unterteilt in Fintech-Unternehmen und Nicht-Fintech-Unternehmen, sondern eher in moderne und weniger moderne Finanzunternehmen.

Wie definierst Du FinTech?

Fintech bezeichnet alle Unternehmen, die Finanzplattformen erschaffen und dort ihren Kund:innen digitale Finanzdienstleistungen anbieten – ob im Banking-, Trading- oder Versicherungsbereich.

Was glaubst Du machen etablierte Unternehmen besser als FinTechs?

Es wurden in der Vergangenheit von den Fintechs sicher Fehler gemacht. Viele neue digitale Anbieter vernachlässigten oftmals den Kundenservice und Kund:innen wussten nicht, an wen sie sich bei Problemen wenden sollen. Sie fühlten sich im Stich gelassen. Genau in diesem Punkt waren die etablierten Banken den digitalen Plattformen lange Zeit weiterhin überlegen. Die Kund:innen wussten genau: ‘Ich muss muss nur zur Filiale gehen und bekomme dort Unterstützung und Beratung’. Der digitale Support war jedoch bei den etablierten Playern extrem schlecht.

Als ich selbst noch Kunde einer Bank war, musste ich ewig auf eine Antwort auf meine E-Mail warten, wenn ich dem Kundensupport geschrieben hatte. Genau dies war einer der wichtigsten Punkte, die wir bei der Gründung von Vivid beachten wollten. Der Kundenservice sollte bei uns nicht nur genauso, sondern besser sein als bei einer etablierten Bank. Wir wollten immer, dass die Kund:innen sich bei uns von Anfang an aufgehoben fühlen. Mit unserem “Customer Care Circle”, in dem die Kundenbetreuung, das Community Management und die Produktentwicklung eng miteinander verzahnt sind, konnten wir das sehr gut umsetzen.

Was kann man von FinTechs lernen?

Ich glaube, den etablierten Playern fehlt es oft an Mut und Risikofreude. Sie wussten anfangs nicht wirklich, was sie mit der Digitalisierung anfangen sollen – und genau hier kann man von den Fintechs lernen. Fintechs sind sehr viel freier und experimentierfreudiger und sie haben die Finanzbranche mit ihren technischen Lösungen in vielerlei Hinsicht revolutioniert. Wahrscheinlich liegt der fehlende Mut der Banken unter anderem auch an den Erfahrungen der Finanzkrisen in den letzten Jahren und Jahrzehnten: Niemand wollte einen Fehler machen – aber keine Fehler machen bedeutet auch Stillstand. Wer Angst davor hat, Fehler zu machen, braucht gar nicht erst ein Fintech gründen – Fehler werden immer automatisch entstehen. Wichtig ist, was man aus ihnen lernt und wie man Dinge in Zukunft besser machen kann. Und hier sind die Fintechs einfach viel flexibler als die etablierten Unternehmen.

Wieso tun sich etablierte (große) Unternehmen bei der Digitalisierung eigentlich so schwer?

Meist liegt es an dem bereits erwähnten Mut, der etablierte Unternehmen oft hemmt. Aber auch ein anderer Faktor spielt eine große Rolle. Wenn ein Unternehmen jahrzehntelang einen gewissen Kurs gefahren ist, ist es umso schwerer, den Kurs des Schiffes sozusagen zu ändern und einen neuen einzuschlagen. Große Boote bewegen sich nunmal schwerfälliger als kleine. Und viele Unternehmen, die die Digitalisierung verschlafen haben, hatten sie, einfach gesagt, anfangs erst einmal nicht nötig, sie fuhren auch so weiterhin einen erfolgreichen Kurs – bis sie zu spät bemerkten, dass sich die Welt um sie herum rapide geändert hat.

Was macht deinen Job täglich interessant?

Die Zusammenarbeit mit meinem Team, die tägliche Aufgabe ein funktionierendes Produkt zu erschaffen, neue Wege zu suchen und zu finden, die Finanzbranche weiter zu revolutionieren – jede einzelne Aufgabe ist immer eine große Herausforderung. Genau das macht meine Arbeit auch so spannend.

Was würdest Du beruflich machen, wenn Du nicht in der Payment- und Banking-Industrie arbeiten würdest?

Ich kann mir, ehrlich gesagt, im Moment keine andere Branche vorstellen. Der Fokus meines Karrierewegs lag von Anfang an voll und ganz auf der Banking- und Tech-Industrie und ich sehe hier auch meine berufliche Zukunft.

Worauf bist du stolz?

Wir haben es in relativ kurzer Zeit geschafft, Vivid zu einem wichtigen Player im digitalen Banking-Bereich zu machen. Wir konnten nach gerade einmal etwas mehr als einem Jahr viele tausend Kund:innen in mehreren europäischen Ländern gewinnen. Und weitere Märkte werden bald noch folgen. Möglich war das rasche Wachstum von Vivid nur durch eine riesige, gemeinsame Kraftanstrengung des gesamten Vivid-Teams. Darauf bin ich auf jeden Fall sehr stolz.

Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Tech-Branche?

Ich finde es nach wie vor sehr schade, dass es nicht mehr Frauen im Tech-Bereich gibt. Wir sollten als Gesellschaft Frauen noch viel mehr dazu ermutigen, die sogenannten MINT-Berufe zu studieren und in die IT-Branche einzusteigen. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass Frauen nicht genauso gut in der Tech-Branche arbeiten können wie Männer. Im Gegenteil: Ich habe in meinem Berufsleben oft beobachtet, dass Frauen, die gerade fertig sind mit dem Studium und neu in den Bereich einsteigen, besser vorbereitet und schon mehr Vorerfahrung haben als Männer. Bei Vivid haben wir viele Frauen in leitenden Positionen und als Produktmanagerinnen, und ich hoffe, dass es in Zukunft noch mehr werden.

Bei welchem Unternehmen würdest Du gerne mal einen Tag arbeiten?

Ein Tag bei Tesla wäre sicherlich einmal hochinteressant. Wie oft wurde Elon Musk in der Vergangenheit belächelt mit seinen extrem ehrgeizigen, hochtrabenden Plänen – mittlerweile lacht niemand mehr über ihn. Tesla ist zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für die etablierte Autoindustrie geworden. Es wäre sicher mal spannend, dort einen Tag zu arbeiten.

Mit wem würdest Du gerne ein Bier trinken?

Auch hier fände ich ein Gespräch mit Elon Musk sehr interessant. Oder auch Jack Dorsey, der Gründer von Square, oder auch Jeff Bezos wären super Gesprächspartner. Mich interessieren vor allem Menschen, die selbst gegründet haben oder außergewöhnliche Dinge vollbracht haben. Es wäre faszinierend zu erfahren, wie sie ihre Ziele erreicht und ihre Hindernisse überwunden haben.

Autor

  • Die studierte Soziologin und Medienwissenschaftlerin beobachtet, analysiert und schreibt als Journalistin seit vielen Jahren über die Startup- und Fintechszene. In der Vergangenheit arbeitete sie für führende on- und offline Gründer- und Wirtschaftsmedien im In- und Ausland, moderiert und schrieb mit Kollegen ein Buch über Unternehmen im Ruhrgebiet. Seit 2019 arbeitet sie für Payment & Banking, seit 2020 ist sie festes Redaktionsmitglied und ist in dieser Position verantwortlich für alle Themen Content, Planung und Entwicklung neuer Medienformate. In ihrer Zeit bei Payment & Banking ist sie zudem eine eifrige Podcasterin geworden.

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