Warum viele Fintechs in den Mobilfunkmarkt kommen

Mobilfunkvertrag

Eine ganze Reihe Finanzdienstleister bieten seit Neuestem Mobilfunkverträge über ihre Plattformen an. Die Ansätze sind unterschiedlich, das Ziel aber dasselbe: Den bestehenden Kundenstamm mit Zusatzangeboten zu binden.

Heimlich, still und leise hat auf dem Mobilfunkmarkt eine Revolution eingesetzt. Und wie so viele Revolutionen fordert sie Opfer. In diesem Fall ist es die klassische SIM-Karte, die zunehmend aus den Smartphones verschwindet und durch die kleinere eSIM – kurz für embedded SIM – ersetzt wurde. Der Clou: Diese eSIM kann jeder Mobilfunkanbieter virtuell bespielen, er muss nicht mehr aufwändig seine eigenen Karten verschicken.

In der Praxis hat dies in jüngerer Vergangenheit den Markt geöffnet, dutzende Unternehmen bieten über die eSIM eigene Mobilfunktarife an. Längst sind nicht nur die alteingesessenen Firmen dabei. So bietet zum Beispiel die Lufthansa eSIM-Tarife an, mit denen ihre Kunden auf der ganzen Welt unter anderem mobiles Datenvolumen erhalten. Und auch eine Reihe Finanzanbieter haben das Potenzial für sich entdeckt. Was versprechen sie sich von diesem Schritt?

Britischer Partner für Revolut

In den vergangenen Wochen verkündete unter anderem die britische Neobank Revolut, ein eigenes eSIM-Angebot zu starten. „Das eSIM-Angebot ist ein weiterer Baustein unseres Reiseangebots, das wir in Zukunft mit zusätzlichen Funktionen und Produkten weiter ausbauen werden“, teilte das Unternehmen auf Anfrage von PaymentandBanking mit. Es ist der Problempunkt, an dem die meisten neuen Produkte ansetzen: Die zeit- und nervenraubende Suche nach passenden Karten und Tarifen im Ausland. Die Pakete von Revolut beginnen entsprechend auch schon bei verhältnismäßig kleinen Datenmengen und kurzen Laufzeiten, Kunden können etwa ein Gigabyte für eine Woche buchen. Wer ein solches Angebot zum Beispiel bei einem USA-Aufenthalt bucht, der zahlt aktuell fünf Euro.

Revolut wickelt das Angebot dabei nicht selbst ab, es nutzt die Plattform des eSIM-Betreibers 1Global aus Großbritannien, der die technischen Details im Hintergrund abwickelt. Gründer und CEO von 1Global ist Hacan Koc, in Deutschland vor allem als Gründer des Gebrauchtwagen-Start-ups Auto1 bekannt. Dank der Partnerschaft könne man nun günstigen Zugang zu Datentarifen in über 100 Ländern bieten, ohne Roaming-Gebühren, wie Revolut stolz erklärt.

Bling verfolgt anderen Ansatz

Für Finanzdienstleister mit potenziell reisefreudiger Kundschaft erschließt sich der Schritt also. Auch Western Union startete vor wenigen Wochen einen solchen Service. Aber es gibt auch Anbieter, die nicht ganz in die Reihe passen.

Das selbsterklärte Familien-Fintech Bling ist seit Anfang März ebenfalls mit Bling Mobile am Start. Bling wurde vor allem mit seiner Taschengeldkarte bekannt, über die Eltern ihre Kinder mit Geld ausstatten können. Gründer Nils Feigenwinter will das 2022 gestartete Start-up aber nach und nach zum One-Stop-Shop für alle finanziellen Bedürfnisse von Familien ausbauen. „Wir haben bereits Spar- und Investmentoptionen für Familien eingeführt, jetzt einen eigenen Handytarif“, sagt er: „Wir wollen die Mary Poppins für die Hostentasche werden.“

Bling setzt dabei explizit nicht auf ein kurzfristiges Reiseangebot, Bling Mobile sei ein „richtiger“ Haupttarif. In Anbetracht der jungen Kundschaft ist das Angebot aber trotzdem simpel gehalten, der günstigste Tarif beginnt bei fünf Euro, es folgen Angebote für zehn und 15 Euro. „Der größte ist Bling Next, der sich an erwachsene Kunden richtet“, sagt Feigenwinter. Im Idealfall soll so die ganze Familie ihre Handytarife bei Bling abschließen. Passend zum Unternehmensmotto sind die Tarife mit Jugendschutzfunktionen versehen, etwa einem Internetfilter.

Partner von Bling ist kein eSIM-Dienstleister, sondern die Deutsche Telekom. Diese ist auch kein bezahlter Dienstleister des Start-ups, sondern bezahlt selbst für den Zugang zur Plattform. Die Bonner gewinnen also einen neuen Vertriebskanal, Bling erweitert das eigene Angebot. Ein Vorgehen, das Feigenwinter als Modell für die Zukunft seines Unternehmens sieht. „Wir sind eine Plattform, die für B2B-Kunden wie die Telekom attraktiv ist.“ Erste Ergebnisse nach dem Launch von Bling Mobile bestätigten dies, eine Reihe der aktuell über 50.000 zahlenden Kunden hätten das Angebot angenommen. „Wir gewinnen auch einige neue Nutzer dadurch hinzu.“

Wie gut sich die Fintechs im Kampf mit etablierten Mobilfunkanbietern schlagen, bleibt abzuwarten. Egal ob Revolut, Bling oder Western Union: Alle scheinen das Angebot zunächst als Ergänzung zum bestehenden Geschäft zu sehen, die mit relativ wenig Aufwand durch Drittanbieter aufgesetzt wird. Viel Risiko gehen sie mit der Idee in aller Regel nicht ein. Die Revolution, sie ist in vollem Gange.

Autor

  • Lars-Thorben Niggehoff ist freier Journalist und Gründer des Journalistenbüros dreimaldrei. Er schreibt über Finanzthemen, Mittelstand und den Immobilienmarkt, neben Payment & Banking unter anderem auch für Brand Eins, Capital, Welt und Wirtschaftswoche.

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