Fintech-Hotspot Israel – Entsteht hier die Bank der Zukunft?

Fintech-Hotspot Israel - Entsteht hier die Bank der Zukunft?

Ein Gastbeitrag von Maike Diehl, Geschäftsführerin Diehl Kommunikation

Wenn wir über die Payment-, Banking- und Fintech-Branche sprechen, dann haben wir entweder eine sehr deutsche Sicht auf diese Dinge, oder schauen vor allem über den großen Teich und was in den USA passiert. Dabei lohnt es sich manchmal den Blick in ganz andere Länder zu werfen, wie z.B. nach Israel. Und das finden wir so spannend, das wir Ende Oktober eine kleine Tour nach Israel organisieren wollen. Interesse? Hier gibt es mehr Infos und auf unserer Eventseite kann man sich jetzt schon registrieren.

Israelische Fintechs sicherten sich 2018 989 Millionen US-Dollar Venture Capital in 58 Deals und machten damit ein sattes Plus von 118 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.[1] In Deutschland waren es im gleichen Jahr in 57 Deals etwas mehr als eine Milliarde US-Dollar und damit weniger als 2017 mit 1,5 Milliarden US-Dollar.[2]

Beachtlich daran: Israel ist gerade einmal so groß wie Hessen, besteht zu 60 Prozent aus Wüste, hat weniger als neun Millionen Einwohner und ist mit dem anhaltenden Konflikt mit den Paläs-tinensern und den arabischen Nachbarn konfrontiert. Die Ausgaben für Sicherheit sind in Israel hoch und die Reservisten der Armee fehlen regel-mäßig an ihrem Arbeitsplatz, wenn sie zum Miluim, ihrem Reservedienst, müssen.

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Auf den ersten Blick sind das sicherlich nicht die besten Voraussetzungen, um eine der weltweit führenden Innovationskräfte der digitalen Welt zu werden. Doch Israel ist genau das – auch im Payment, Banking und Fintech.

Kleiner Finanzmarkt, stabiles Bankensystem

In Israel sind fünf große nationale Geschäftsbanken aktiv: die Bank Hapoalim, die Bank Leumi, die Israel Discount Bank, die Mizrahi Tefahot Bank und die First International Bank of Israel. Es gibt außerdem einige kleinere Institute, die zum Teil Tochtergesellschaften der großen Banken sind. Darüber hinaus gibt es fünf internationale Banken: die Citibank, HSBC Bank, Barclays Bank, BNP Paribas Israel und die State Bank of India.[3]

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Dabei gilt das israelische Bankwesen heute als stabil und resilient, wie es die israelische Zentralbank, die Bank of Israel, zuletzt auch in ihrem Jahresreport 2018 schrieb.[4] Dass es auch der Wirtschaft gut geht, honorierte im August 2018 die Rating-Agentur Standard & Poor’s, indem sie das Rating für Israel auf ein AA- anhob. Das höchste Rating, welches das Land je erhalten hat. [4]

Mehr als 400 Fintechs, einige große Namen

Es gibt heute mehr als 400 Fintechs in Israel, darunter international bekannte Namen wie Payoneer und eToro. Gegründet wurde Payoneer 2005 zwar nicht in Israel, aber von Yuval Tal, einem Israeli in New York – so dass Payoneer in Israel als israelisches Fintech geführt wird.

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Das Unternehmen bietet digitale Paymentdienste und zählt die ganz großen Unternehmen, wie Amazon, Google, Airbnb und Upwork zu seinen Kunden. Nach eigenen Angaben beschäftigt Payoneer 1.200 Mitarbeiter an 17 Standorten, davon einige hundert in Petach Tikwa, östlich von Tel Aviv.

Wie das israelische Wirtschaftsmagazin Calcalist im März berichtete, prüft Payoneer derzeit, wie es an weiteres Kapital kommt.[5] Ein Börsengang sei eine Option. Bisher sammelte das Unternehmen demnach 245 Millionen US-Dollar ein.

eToro wurde 2007 von den beiden Brüdern Yoni und Ronen Assia zusammen mit David Ring zunächst unter dem Namen RetailFX gegründet. Hauptsitz ist seither in Tel Aviv. Die Social-Trading- und Multi-Asset-Plattform bietet Anlegern weltweit die Möglichkeit, u.a. Aktien und Kryptowährungen über eine App zu handeln; seit 2018 auch in den USA. Nach Medienberichten hat eToro in seinen Finanzierungsrunden bisher 162 Millionen US-Dollar eingesammelt.[6] Seine Ambitionen im deutschen Markt machte eToro 2018 klar, als das Fintech bekannt gab, fortan Premiumpartner der Eintracht Frankfurt zu sein.

Internationale Banken suchen nach Innovationen

Israel gilt für viele Experten besonders in den Bereichen Big Data, Artificial Intelligence, Internet of Things und Cyber Security als Vorreiter. Technologien, die wesentlich für digitale Entwicklungen im Payment und Banking sind. Dass sich der Blick nach Israel lohnt, haben die großen Finanzinstitute schon vor einer Weile erkannt. So betreibt etwa die Citi Group seit 2013 das Citi Technology Innovation Lab in Tel Aviv, das vom israelischen Finanzministerium und dem Büro des Chief Scientist gefördert wird.

Barclays – powered by Techstars bietet seit ein paar Jahren ein 13-wöchiges Fintech Accelerator Programm in Tel Aviv an. VISA eröffnete 2018 ein Innovation Studio in Tel Aviv. Die Deutsche Bank ist neben der HSBC, Santander und anderen Unternehmen und Instituten strategischer Partner bei The Floor, einem Innovation-Hub, der 2015 gegründet wurde und im Gebäude der Börse in Tel Aviv sitzt. Viele andere haben Niederlassungen vor Ort oder kommen regelmäßig zu den zahlreichen Branchen-Events, etwa im Juni 2019 zur zweitägigen, international ausgerichteten Konferenz Fintech-Junction oder zur Fintech-Week, die zuletzt im März 2019 im Gebäude der Börse in Tel Aviv stattfand.

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Ohnehin ist es schwierig, auch nur einen Tag im Kalender zu finden, an dem kein Meetup zu Fintech oder den angrenzenden Themen stattfindet.

Die Armee ist Israels Innovationskraftwerk

Was Israel als Start-up Nation, die in den vergangenen Jahren mehr als 6.000 Startups hervorgebracht hat, so erfolgreich macht, ist eine Gemengelage verschiedener Faktoren. Einer der wichtigen Faktoren ist die israelische Armee, die wie eine Art Innovationskraftwerk immer wieder neue technische Entwicklungen hervorbringt. Viele Gründer in Israel haben etwa in der Einheit 8200 gedient, die sich um elektronische Aufklärung kümmert. Nach der Armee adaptieren sie die Cyber Security, Big Data oder künstliche Intelligenz Lösungen in den zivilen Bereich.

Auch an den Universitäten wird zum Thema Fintech gearbeitet. So eröffnete 2018 das Gershon Fintech Center an der Hebräischen Universität in Jerusalem, mit dem Ziel, ein Ökosystem für die Entwicklung von Finanztechnologien zu schaffen, in dem Startups, Finanzinstitute und die Wissenschaft beste Voraussetzungen haben, gemeinsam Innovationen zu entwickeln. Die Adelson School of Entrepreneurship gehört zum IDC Herzliya College. Die Fakultät arbeitet u.a. eng mit Fintechs zusammen.

Fintechs wollen mehr Wettbewerb mit Banken

Interessant ist, dass viele der israelischen Fintechs das eigene Land nicht als Testmark nutzen – wie es in anderen Disziplinen wie der Medizintechnik z. B. der Fall ist –, sondern von Beginn an ihr Geschäft in anderen Märkten machen. Als Grund führen die Startups oft die Regulierung des Marktes an, die wenig Wettbewerb zu den Banken zulasse. Medien-berichten zufolge wandten sich im März 2019 20 Fintechs, darunter Articode, Credorax und Cash-Up, in einem offenen Brief an den Präsident der Bank of Israel, Amir Yaron.[7]

„Viele der israelischen Fintechs machen ihr Geschäft von Beginn an in anderen Märkten.“

Sie forderten demnach, Zugang zu den Finanzdaten von den Kunden der israelischen Banken zu erhalten. So könnten sie den Verbrauchern Preis-vergleichsdienste anbieten, von denen diese letztlich profitieren würden. Diese Forderung basiert auf einem Gesetz aus 2017, das den Wettbewerb im Finanzmarkt erhöhen soll. Den Fintechs gehe die Umsetzung des Gesetzes jedoch nicht schnell genug. Im ersten Schritt sollten sie laut der Berichte Mitte 2018 eine „Nur-Lese“-Schnittstelle erhalten. Im August 2018 hätte es dann seitens der Bank of Israel geheißen, dass sie bis 2021 ein API Protokoll anbieten würden, dass den Fintechs den Zugang zu den Daten erleichtern würde.

Es bleibt spannend, wie sich Payment, Banking und Fintech in den nächsten Jahren in Israel weiterentwickeln und welche Innovationen das Land noch hervorbringt. Gut möglich, dass hier die Bank der Zukunft entsteht.

Die Grafik zum Download hier



[1] “Israeli fintechs had a record breaking 2018“, 23.1.2019, https://www.businessinsider.com/israeli-fintechs-record-funding-in-2018-2019-1?IR=T

[2] „2018 gab es in Deutschland weniger Fintech-Deals“, 13.2.2019, https://www.gruenderszene.de/fintech/fintech-deals-deutschland-2018?interstitial

[3] Israel Banking System, 19.7.2018, https://www.export.gov/article?id=Israel-Banking-Systems

[4] Jahresbericht der Bank of Israel 2018, https://bit.ly/2IkqxEw

[5] “Online Payment Company Payoneer Looking to Raise Money in 2019”, 4.3.2019: https://www.calcalistech.com/ctech/articles/0,7340,L-3757537,00.html

[6] “Israeli unicorns: These companies are valuated at over $1B”, 14.6.2018, https://nocamels.com/2018/06/unicorns-companies-israel-valuation-1-billion/

[7] „Israeli Fintech-Startups Take On Israel’s Central Bank”, 21.4.2019, https://www.calcalistech.com/ctech/articles/0,7340,L-3760810,00.html

Zur Autorin:

Zuerst waren es Reisen mit dem Rucksack, dann zwei Semester „Middle Eastern Studies“ an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 2005 ist Maike Diehl mit ihrer Agentur Diehl Kommunikation GmbH u.a. für israelische Unternehmen und Organisationen im deutschen Markt tätig; dabei geht es meist um Innovationsthemen. 

Seit 2014 engagiert sie sich für die deutsch-israelischen Wirtschaftsbeziehungen und hat  Delegationsreisen konzeptioniert und begleitet sowie mehrere Veranstaltungen umgesetzt; u. a. 2017 den Tel Aviv-FrankfurtRheinMain Fintech Summit. Maike verbringt mehrere Wochen im Jahr in Israel und hat ein breites Netzwerk in der israelischen Startup-Szene.

Autor

  • Nicole Nitsche ist studierte Theaterwissenschaftlerin und hat mehrere Jahre als Regieassistentin beim Thalia Theater Hamburg gearbeitet. Danach war Nicole Leiterin der Presse-und Marketingabteilung eines Hamburger Musiklabels. Als klassische Quereinsteigerin hat sie die komplette Kommunikation sowie den Aufbau der Redaktion bei Payment & Banking geleitet und verantwortet. Nicole ist seit August 2021 Geschäftsführerin von Payment & Banking und ist verantwortlich für die Bereiche Struktur, Planung, Umsetzung und Konzipierung von allen Events (z.B PEX, BEX, TRX & CryptX).

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