Bei den deutschen Fintechs sah es zuletzt nicht allzu rosig aus. Finanzguru dagegen wächst stark und denkt vorerst nicht daran, Gewinn zu machen. Warum das gut sein könnte.
Für viele deutsche Fintechs ist es eine schwere Zeit. Investoren liegt das Geld längst nicht mehr so locker in der Tasche. Deswegen mussten zuletzt viele versuchen, schnell Profite zu machen, mussten schrumpfen oder sogar aufgeben. Nicht so Finanzguru. Das Fintech aus Frankfurt sammelte vor über einem Jahr in einer Series-B-Runde 13 Millionen Euro von Investoren wie Scor, Redstone und PayPal ein. Mit dem Geld sollte Finanzguru wachsen und sein Geschäft ausweiten.
Schon damals kriselte es im deutschen Fintech-Sektor. Trotzdem glänzte das 2015 von den zwei Brüdern Alexander und Benjamin Michel gegründete Unternehmen mit einer Bewertung von 80 Millionen. Grund dafür waren vor allem die steigenden Nutzerzahlen. Zu ihrer vorherigen Investitionsrunde im Anfang 2022, als sie acht Millionen von Investoren bekamen, sprach das Start-up noch von 500.000 registrierten Nutzern ihrer App. Ein Jahr später waren es laut Unternehmen bereits 1,5 Millionen Nutzerinnen und Nutzer.
In der Szene munkelte man, die Gründer hätten sogar auf ein höheres Investment von 20 Millionen Euro verzichtet. Das Unternehmen sei schließlich nicht auf das Geld angewiesen und außerdem wollten die Gründer-Brüder Alexander und Benjamin Michel ihre Anteile nicht verwässern, so die Gerüchte. Auch wenn dies nicht bestätigt ist, passt das Verhalten in die bisherige Geschichte von Finanzguru. So hatten die Gründer schon einmal auf eine höhere Bewertung verzichtet. „Wir haben von vorneherein versucht, mit Augenmaß zu investieren und zu wachsen”, sagte Benjamin Michel der Wirtschaftswoche 2023: „So konnten wir genau darauf achten, wofür wir wirklich Kapital brauchen.”
Trotz Verlusten: Unter den zehn am schnellsten wachsende Fintechs
Seit dem neusten Investment wächst das Fintech in einem schnelleren Tempo. Erst vor kurzem kürte das Start-up-Medium der Financial Times, Sifted, Finanzguru zu einem der zehn am stärksten wachsenden Start-ups in Europa. Laut Sifted verdoppelte sich die Zahl der Mitarbeiter in den vergangenen zwölf Monaten fast.
Ein Blick in die neuesten Geschäftszahlen der Betreibergesellschaft von Finanzguru, der „dwins GmBH”, für das Jahr 2022 gibt weitere Einblicke. Für das Jahr bleibt zwar ein Fehlbetrag von über drei Millionen Euro in den Büchern. Dieser ist aber fast ausschließlich durch Ausgaben für Werbung zu erklären (2,9 Millionen Euro). Sie lief vor allem auf Instagram, Youtube oder im Fernsehen und sollte eine junge Zielgruppe erreichen. Das scheint seine Wirkung gehabt zu haben, denn immerhin verdreifachte Finanzguru seine Nutzerzahlen im gleichen Zeitraum.
Doch hier stellt sich die Frage: Welchen Umsatz kann Finanzguru aus seinen hohen Nutzerzahlen generieren? Die App kann kostenlos heruntergeladen werden. Wer zusätzliche Features wie Analysen von Ausgaben haben möchte, muss ein Plus-Abo für 2,99 Euro im Monat abschließen. Wie viele der 1,5 Millionen registrierten Kunden ein solches Abo haben, ist unklar. Doch die Einnahmen aus dem Plus-Abos dürften die Kosten für Werbung und Personal nicht aufwiegen. Die Gründer haben also zwei Möglichkeiten: Entweder sie erhöhen die Kosten für das Premium-Abo oder verstecken mehr Features oder sogar die gesamte App hinter der Paywall.
Gescheiterte Features
Die Gründer entschieden sich für einen dritten Weg. Denn Finanzguru hat einen Vorteil: Weil Nutzer auf der Plattform die Übersicht über Kosten aus allen Lebensbereichen haben, ist es für das Fintech naheliegend, dort nach Ertragschancen zu suchen. Dort sind Verträge der Kunden aufgelistet, etwa von Versicherungen, aber auch Strom- und Gastarife. Finanzguru bietet wie andere Versicherungsportale einen Vergleich und Kündigungsservice an – mit Erfolg. 2022 verdiente das Fintech von den fast vier Millionen Euro an Erträgen fast 70 Prozent mit Provisionen. Der Rest stammt aus sonstigen Tätigkeiten, darunter auch die Abo-Erträge.
Doch der Weg von Finanzguru ist nicht nur von Erfolgen gesäumt. So stellte das Fintech 2023 sein Geschäft mit Debitkarten, das es seit 2019 betrieb, wegen Erfolglosigkeit ein. 2021 führte Finanzguru einen Robo-Advisor der DWS ein. Doch mittlerweile ist in der App keine Spur davon mehr zu finden. Dazu gibt es eine Reihe von geplanten Features, die Finanzguru bisher noch nicht herausgebracht hat. So strebte das Start-up eine Lizenz als Zahlungsauslösedienst an, um Kunden Überweisungen per App zu ermöglichen. Dafür bewarb man sich 2022 bei der Bafin. Bisher gibt es keine Neuigkeiten dazu.
Finanzguru darf sich nicht verzetteln
Eine Vermutung aus Fintech-Kreisen: Finanzguru hält sich derzeit mit neuen Features zurück. Denn die Gefahr, sich bei der Menge an möglichen Extras zu verzetteln, ist groß. Sich auf Features wie den Versicherungsvertrieb zu konzentrieren, die tatsächlich Umsätze generieren, scheint da klug zu sein.
Wie es mit Finanzguru weitergehen wird, werden die nächsten Geschäftszahlen zeigen. Mit dem finanziellen Polster durch die Investoren kann sich das Fintech weiter hohe Werbeausgaben leisten und mit der großen Nutzerzahl langsam reduzieren. Doch der Schlüssel zum Erfolg wird nicht im bloßen Wachstum der Nutzerzahlen liegen, sondern vielmehr in anderen Einnahmequellen. Das Scheitern der Debitkarte zeigt, dass der Erfolg trotz des luxuriösen Datenschatzes, auf dem Finanzguru sitzt, nicht garantiert ist.
Als Versicherungsmakler und Vermittler von Strom- und Gastarifen kann das Start-up bereits ordentliche Erträge einsammeln. Darauf darf sich das Fintech aber nicht ausruhen. Denn auf diesem Feld ist die Konkurrenz groß. Mit dem Insurtech Clark befindet sich das andere deutsche Start-up auf der Liste der zehn am stärksten wachsenden Fintechs, ausgerechnet im selben Sektor. Und gerade die junge Zielgruppe kann schnell den Anbieter wechseln, wenn ein anderes Start-up eine vermeintlich komfortable Lösung anbietet.