Bezahlen per Klick auf den „Senden“-Button: In Asien und den USA sind Zahlungen per Messenger schon sehr erfolgreich. Jetzt stehen die Chat-Anbieter auch bei uns in den Startlöchern.
Ein Gastbeitrag von Miriam Wohlfahrt zuerst erschienen auf welt.de
In meinen letzten Kolumnen habe ich Ihnen von aufstrebenden Zahlungsdiensten aus anderen Kontinenten berichtet – Alipay aus China oder M-Pesa aus Kenia. Beide Dienste haben gemeinsam, dass man ganz einfach Geld von einer Person zur anderen transferieren kann, ohne den umständlichen Weg einer Überweisung nehmen zu müssen.
In der Fachsprache nennt man so etwas P2P-Zahlung. Das ist die Abkürzung für „Peer to Peer“ („Person zu Person“). Der derzeit weltweit erfolgreichste Anbieter von P2P-Zahlungen ist das asiatische Unternehmen WeChat. Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um einen Kommunikationsdienst. Er gehört dem chinesischen Internet- und Telekommunikationskonzern Tencent. Der derzeit größte Konkurrent von WeChat ist Alipay, der Finanzarm des chinesischen Onlinemarktplatzes Alibaba.
Die Macher von WeChat und Alipay haben es perfekt verstanden, einen Mikrokosmos zu bauen, den ihre Kunden zur Abdeckung ihrer alltäglichen Bedürfnisse nicht mehr verlassen müssen. Dazu gehört auch die Abwicklung von Zahlungsdiensten.
Mit WeChat können Nutzer unter anderem Geld an Freunde überweisen oder von ihnen erhalten, Geld leihen, Finanzprodukte kaufen und Rechnungen bezahlen. 2015 nutzten bereits 200 Millionen der insgesamt fast 700 Millionen aktiven WeChat-Nutzer den Dienst zur Abwicklung ihres Zahlungsverkehrs. Auch Alipay kann 450 Millionen aktive Nutzer vorweisen.
Europa hinkt noch hinterher
Das Prinzip der P2P-Zahlung über einen Messenger klingt logisch: Wenn ich sowieso schon mit meinem Freund über den letzten Abend im Klub chatte, kann ich ihm auch gleich das Geld zurückgeben, das er mir dort geliehen hat. Oder ich wende mich per Chat an meinen Energieversorger und begleiche die letzte Stromrechnung. Die Einsatzmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.
In den westlichen Industriestaaten sind P2P-Zahlungsdienste noch deutlich weniger verbreitet. Das hat unterschiedliche Gründe, etwa eine andere Art der Internetnutzung, eine andere Wettbewerbssituation sowie abweichende Datenschutzbestimmungen.
Aber natürlich wollen auch westliche Unternehmen ein Stück vom immer größer werdenden P2P-Kuchen abhaben. Ein solches Unternehmen ist, wen wundert es, Facebook. Das soziale Netzwerk hat seinen Messenger schon vor geraumer Zeit als eigene Anwendung ausgelagert und will seine Nutzer nun ebenfalls in den P2P-Zahlungsverkehr involvieren.
In den USA versucht sich Facebook bereits seit 2015 gegen den dort mit Abstand größten Anbieter von „social payments“, das zu PayPal gehörende Venmo, zu positionieren. Amerikanische Facebook-Nutzer haben schon heute die Möglichkeit, im Chat ein Dollarzeichen anzuklicken und dahinter ganz einfach einen Betrag einzutippen, der beim Senden der Nachricht an den Empfänger verschickt wird. Im Hintergrund sind die Daten der jeweiligen Bankkarten – entsprechend der EC-Karte – hinterlegt.
Facebook wird bald auch bei uns aktiv
So weit sind wir in Europa noch nicht. Zwar gibt es auch hier Dienste, die P2P-Zahlungen ermöglichen, in Deutschland etwa Lendstar und Cringle. Da es sich dabei aber nicht um etablierte soziale Netzwerke oder bekannte Messenger-Dienste handelt, müssen sie unter anderen Voraussetzungen um Kunden kämpfen als etwa WeChat oder Facebook, die bereits vor der Einführung von Zahlungsdiensten eine breite Nutzerbasis hatten.
Hierzulande ist Facebook das mit Abstand erfolgreichste soziale Netzwerk, mit einem Messenger, der bisher nur zur Kommunikation genutzt wird. Aber die Anzeichen mehren sich, dass auch wir europäische Nutzer bald im Facebook-Messenger Geld überweisen und annehmen können. Seit Kurzem verfügt Facebook über Banklizenzen in verschiedenen europäischen Ländern.
Und auch andere Tech-Riesen, die sich in den USA an Zahlungsdiensten versuchen, könnten bald den Sprung über den großen Teich wagen. Da ist zum Beispiel der Messenger Snapchat mit seinem Produkt Snapcash. Oder Apple, das ebenfalls ein Patent für P2P-Zahlungen erworben hat.
Nicht zu vergessen der Deutschen liebster Messenger-Dienst WhatsApp. Gerade wurde bekannt, dass WhatsApp innerhalb der nächsten sechs Monate einen P2P-Zahlungsdienst in Indien, seinem größten Markt, launchen wird. Wir erinnern uns: WhatsApp gehört inzwischen zu Facebook.
Social Payments – die Zahlungsart der Zukunft?
In meinen Augen haben P2P-Zahlungen über Messenger-Dienste auch bei uns ein sehr großes Potenzial. Sie holen den Nutzer da ab, wo er sich sowieso schon aufhält. Seine Wege sind deutlich kürzer als etwa bei Wallet-Lösungen, die ebenfalls als der nächste große Wurf beim Thema Bezahlen gehandelt werden.
Die größte Hürde für solche Zahlungen sehe ich beim Thema Sicherheit. Gerade in Europa und insbesondere in Deutschland sind wir sehr sensibel, wenn es um die Sicherheit von Daten und unserem Geld geht.
Die etablierten Anbieter von Messenger-Diensten haben immer wieder mit Sicherheitslücken zu kämpfen: Man denke an Fake-Profile bei Facebook oder geklaute Daten bei Snapchat. Sie würden noch einmal deutlich an Schärfe gewinnen, wenn davon auch der Austausch von Zahlungen betroffen wäre.
Sobald bekannt würde, dass in den USA etwas schiefgegangen ist mit den Social Payments, würde sich die Einführung von Messenger-basierten P2P-Zahlungen in Europa schnell in weite Ferne verschieben. Um P2P-Dienste als Service mit Zukunftspotenzial zu etablieren, müssen sich die Anbieter Gedanken über die sichere Datenspeicherung machen. Und über sichere Verifizierungsmethoden, zum Beispiel per PIN oder Fingerprint.
Zur Autorin:Miriam Wohlfahrt ist ein festes Mitglied bei paymentandbanking. Als Gründerin und Geschäftsführerin von Ratepay mischt sie seit einigen Jahren die FinTech-Szene auf und engagiert sich gerade für die weibliche Riege in der Branche. Sie ist Autorin, Rednerin und Ideengeberin und Initatorin der Payment-Exchange. Seit geraumer Zeit auch BILANZ-Kolumnistin für die WELT.
Die Kolumne werden wir hier künftig regelmäßig abbilden.
Nicole Nitsche ist studierte Theaterwissenschaftlerin und hat mehrere Jahre als Regieassistentin beim Thalia Theater Hamburg gearbeitet. Danach war Nicole Leiterin der Presse-und Marketingabteilung eines Hamburger Musiklabels. Als klassische Quereinsteigerin hat sie die komplette Kommunikation sowie den Aufbau der Redaktion bei Payment & Banking geleitet und verantwortet. Nicole ist seit August 2021 Geschäftsführerin von Payment & Banking und ist verantwortlich für die Bereiche Struktur, Planung, Umsetzung und Konzipierung von allen Events (z.B PEX, BEX, TRX & CryptX). [more]
Die digitale Transformation hat die Finanzwelt grundlegend verändert. Offline-Kanäle als Kundenbindungspunkte reichen nicht mehr aus, denn immer häufiger findet die…