Ein Gespräch mit HTGF-Geschäftsführer Dr. Alex von Frankenberg über Chancen und Risiken der Frühfinanzierung, den Bitcoin-Boom und was den wachsenden Fintech-Markt so interessant macht.
Immer wieder berichten wir in loser Reihenfolge in unserer Rubrik „Vorgestellt: 5 neue Fintechs, die wir noch nicht kennen“ über neue Fintechs, die sich trotz des harten Wettbewerbs an den Markt wagen. Sie greifen Etablierte mit ihrem Businessmodell an, beschreiten innovative Wege im Banking, eröffnen neue Geschäftsfelder im Finanzumfeld und verknüpfen frische Ideen mit neuen Technologien.
Anzahl der Gründungen nimmt zu
Zuletzt stellten wir fünf interessante Projekte der Finalrunde des Pitchformats „Pitch&Pinot“ des Bitkom vor, das dieser in Kooperation mit dem High-Tech Gründerfonds (HTGF) veranstaltet hat. Der Seedinvestor (HTGF) finanziert Technologie-Start-ups mit Wachstumspotential. Mit einem Volumen von rund 900 Mio. Euro, verteilt auf drei Fonds sowie einem internationalen Partner-Netzwerk, hat der HTGF seit 2005 fast 600 Startups begleitet.
Wir sprechen mit dem Geschäftsführer des HTGF, Dr. Alex von Frankenberg, über den weiterhin unzureichenden Zugang zu Kapital für Fintechs und die Zurückhaltung der Investoren. Außerdem geht es um die Risiken sowie die Chancen in der Gründung eines Fintechs, über die größten Erfolg versprechenden Modelle der nächsten Jahre – und was seine Begeisterung für Krypto damit zu tun hat.
Dr. Alex von Frankenberg: Der HTGF versteht sich ja als Frühphasenfinanzierer. Wie viele Fintechs bewerben sich über das Jahr beim HTGF?
von Frankenberg: Wir bekommen insgesamt etwa 2.500 Bewerbungen und Anfragen pro Jahr, die wir uns anschauen, dabei rund 1.000 aus dem Bereich Software. Der Anteil an Fintechs liegt bei zehn bis 15 Prozent, also rund 100 bis 150. Ca. zwei Prozent davon werden von uns finanziert. Man kann aber klar sagen, dass wir über die Jahre hinweg gesehen mehr Bewerbungen von Fintechs bekommen. Die meisten unserer Investments in dieser Branche sind aus den letzten fünf Jahren.
Ist der HTGF auch ein erster Ansprechpartner für Fintechs?
Auf jeden Fall. Wir sind zwar nicht spezialisiert auf eine Branche, sondern generell auf die Seed-Phase. Außerdem ist uns ein auf Fintechs spezialisierter Fintech-Fonds, wie beispielsweise Commerz Ventures, sicher auch eine Nasenlänge voraus, aber unser Digital-Tech-Team interessiert sich sehr für Finanztechnologie. Und auch ich ganz persönlich.
Nun kommst du ja ursprünglich von der Bank und neben deiner Tätigkeit als Geschäftsführer beim HTGF kennt man dich als großen Twitterer zum Thema Krypto. Was interessiert dich persönlich an der Finanz-Branche?
Schon durch meinen beruflichen Werdegang habe ich Fintech-Erfahrung gesammelt. Hinzu kommt, dass diese Unternehmen vor allem aus einer Investitionsperspektive faszinierend sind. Warum? Weil die Strukturen der Branche sehr verkrustet sind und Banken sowie Versicherungen mit ihrer alten Legacy hinterherhinken. Gleichzeitig sehen wir sowohl in Deutschland als auch international ganz große Erfolge. Nicht zuletzt bedingt durch spannende Technologieentwicklungen und langsame Konzerne eröffnet sich für Investoren eine große Gelegenheit.
Warum gibt es dann nicht mehr Frühphasen-Finanzierer in Deutschland im Fintech-Bereich? Und selbst bei euch ist „Fintech“ nur subsumiert unter der Kategorie Software und IT.
Fintech ist ein dickes Brett. Es gibt grundsätzlich ganz dünne Margen und der Bereich ist sehr stark reguliert. Da gibt es natürlich viele Stolpersteine für Gründer und eben auch für Investoren. Ich könnte mir vorstellen, dass es eine ganze Reihe Investoren gibt, die sich auch aus diesen Gründen nicht wirklich trauen.
Wir beobachten selbst im Blockchain-Bereich, dass die Fonds, die entstanden sind, in Deutschland sehr klein sind. Selbst für die gestaltet sich das Fundraising oft schwierig. Der Appetit der Investoren ist noch zurückhaltend. Dabei ist der Markt wahnsinnig groß und in Zeiten wie diesen, in denen das Geld mit Ansage gedruckt wird, eines DER Themen der Zukunft.
Ist das nicht überraschend? Denn wenn ein Fintech erfolgreich wird, sind da – man hat es unlängst gesehen – enorm große Summen im Spiel. Warum scheuen sich Investoren vor allem in der Frühphase, obwohl es die Wette auf den großen Gewinn ist?
Es ist tatsächlich noch ein junges Feld, in welchem es noch wenig Vorbilder gibt. Es braucht Investoren, die den Mut haben, wirklich echtes Neuland zu betreten und die Vision erkennen. Hinzu kommt, dass der Bereich Fintech sehr kapitalintensiv ist. Man muss investieren, viel Marketing betreiben und die Technologie ist anspruchsvoll. Sie muss stabil sein und funktionieren, gegen Hacker und Fraud geschützt werden.
Man sieht es bei den erfolgreichen Fintechs, dass die im Vorfeld sehr viel Kapital aufgenommen haben. Und Wachstumskapital ist nach wie vor in Deutschland ein Problem. Runden von 10 Mio. Euro und mehr sind längst die Regel geworden und das spiegelt sich auch in unseren Investitionen in Fintechs wider. Wer kann das in Deutschland mitgehen? Wenige.
Ausländische Investoren bringen Netzwerk mit
Es geht also schon recht bald nicht mehr ohne ausländische Investoren. Tut es der Branche gut, sie schon zu einem so frühen Zeitpunkt reinzuholen?
Ja und nein, sie bringen natürlich Netzwerk und Expertise mit. Aber ja! Wir brauchen mehr heimisches Kapital. Denn je mehr ausländisches Geld drin ist, desto früher werden die Unternehmen ins Ausland verkauft. In der Summe der Technologie, die da gebaut wird, ist das für Deutschland oder Europa nicht gut. Denn zum Schluss schlägt Convenience den Datenschutz.
„Zum Schluss schlägt
Convenience den Datenschutz.“
Finanzanlagen, Blockchain und Bitcoin: Sind das auch die Modelle, die ihr euch als HTGF am ehesten anschaut?
Ich twittere (@Justdoitalex) ja hauptsächlich über Bitcoin und Krypto. Ich glaube, die Bitcoin-Blockchain ist viel mehr als nur ein Investment; es ist eine grundlegende Technologie, auf der ganz viele Applikationen entstehen werden und es eröffnet sich aktuell ein riesiges Universum, ebenso wie bei anderen Blockchain Technologien. Aber daran scheiden sich bekanntlich die Geister. Klar, man muss über die Risiken sprechen, aber zunächst sollten wir über die Chancen und Möglichkeiten reden. Letztendlich erkennt man disruptive Ideen immer daran, dass alle anderen erst einmal sagen: „Was für ein Bullshit“. Bitcoin ist für mich DAS Thema der nächsten Jahre.
Aus deiner Perspektive: Wenn ich heute ein Fintech gründen würde, welches Pferd wäre das richtige?
Handel und Payment funktionieren sehr gut, ebenso wie Themen rund um Kryptoverwahrung. Das ist ein ebenso spannendes Feld wie Tokenisierung von Assets. Second Layer Applikationen sind sehr spannend, weil es ein echtes Problem löst. Am Ende halte ich auch Vermögensverwaltung für ein ganz großes Feld. Man sieht ja, wie viele Milliarden da aktuell hineinfließen. Und letztendlich auch das Thema Bildung und Finanzbildung. Allerdings: Für viele dieser Themen ist es schon wegen der Regulierung schwierig, in Deutschland ein Unternehmen aufzubauen.
Wie könnte Finanzbildung konkret aussehen?
Die Herausforderung wird sein, die Leute zum Zahlen zu bringen. Die Leute laufen lieber zur Bank und lassen sich dort beraten. Sie merken allerdings nicht, dass sie zwar nicht direkt für die Beratung zahlen, wohl aber die Gebühr, die die Berater bekommen. Wenn man es schafft, dass die Leute den Nutzen verstehen, dann ließe sich daraus ein solides Geschäftsmodell aufbauen.
Nun gibt es ja auch immer mehr Startups und Fintechs, die versuchen, Finanzen und Nachhaltigkeit zu verbinden. Haben diese eine Chance, und wenn ja, wie?
In der Tat ist das Thema Nachhaltigkeit eines der großen in dieser Dekade. Es wird von allen Seiten eingefordert: Konsumenten, Investoren, der Politik und letztlich auch Unternehmen. Und es ist zwingend notwendig, um unseren Planeten für die nächsten Generationen zu erhalten. Daher ist es ganz sicher, dass sich auch hier unzählige und bedeutende Chancen ergeben werden. Sicher ein Themenbereich, der viel Aufmerksamkeit verdient.