Online-First – mit dem ursprünglich für Printverlage geltenden Prinzip, ihre Inhalte zuerst über das Web auszuspielen, identifizieren sich heute sehr viele junge Menschen. Und zwar nicht nur wenn es um allgemeine Mediennutzung geht sondern auch hinsichtlich der Informationsbeschaffung über Banken- und Finanzthemen. Ein Medium dominiert: Die Google-Tochter Youtube. Wie nutzen etablierte Banken die populäre Videoplattform? Mit welchen Inhalten versuchen sie die Millennials zu erreichen?
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut einer im Sommer dieses Jahres von comdirect veröffentlichten Studie, nutzen 60 Prozent der befragten jungen Leute (alle im Alter zwischen 16 und 25 Jahren) in erster Linie die Online-Medien, um sich über Themen rund um Geld und Geldanlagen zu informieren. Über 40 Prozent recherchieren zuerst in den sozialen Medien. Die persönliche, individuelle Beratung am Schalter in der Filiale des Vertrauens? Für junge Menschen immer weniger relevant.
Unter den sozialen, digitalen Medien ragt eine Plattform heraus. 26 Prozent der männlichen und fast 15 Prozent der weiblichen Teilnehmer suchen der Umfrage zufolge nämlich das Bewegtbild-Portal Youtube auf, wenn sie Infos über Finanzthemen und Bankprodukte suchen. Und die Zahl nimmt stetig zu.
Vor vier Jahren konsultierten erst sieben Prozent der befragten Umfrage-Teilnehmer (insgesamt 1600 Personen) das Videoportal zu diesen Inhalten. 2020 sind es schon 20 Prozent. Besonders beliebt: Ratgeber-, Service- und Erklärvideos zu Themen wie
- Einrichtung der Bank-App
- Preisvergleiche Girokonten
- Mobile Payment allgemein (Funktionen und Anforderungen)
- Infos über bestimmte mobile Bezahldienste (was ist Google Pay?
wie funktioniert Apple Pay? wie füge ich die Kreditkarte hinzu u.a.) - Tan-Verfahren (pushTAN, photoTAN, smsTAN, chipTAN)
Klassische (Filial)Bank vs. Digitalbank
Für Marketeers, Vertriebler und Community-Manager stellt sich zunehmend die Frage: Mit welchen Videoinhalten erreiche ich die junge Zielgruppe am besten? Welcher Content kommt an? Was sind die Intentionen, Belange und Bedürfnisse meiner Kunden? Ein Vergleich der klassischen Finanzinstitute mit jungen, modern aufgestellten sowie ohne Filialnetz agierenden Neobanken und reinen Digitalbanken, zeigt: Bei weitem nicht alle etablierten, „alteingesessenen“ Unternehmen hinken in Sachen Youtube und Bewegtbild hinterher.
Zwar sind die Abonnenten-Zahlen bei weitem nicht mit Influencern, „Finanz-Youtubern“ sowie (unabhängigen) Youtube-Ratgebern wie Finanzfluss oder Mission Money vergleichbar. Dennoch: Schon lange geben auch einige der großen deutschen Geldhäuser über ihre Youtube-Kanäle Spar-Tipps, erklären digital ihre neuesten Produkte und verbreiten in (mehr oder weniger) aufwendig produzierten Finanz-Ratgebern aktuelle Infos.
Sparkasse & Co.: Die Youtube-Kanäle der etablierten Institute
Der Youtube-Channel der Sparkasse etwa hat über 8350 Abonnenten. Die Sparkasse ist bereits seit 2006 auf Youtube aktiv. Die Anzahl der produzierten / veröffentlichten Videos liegt aktuell (Stand: 09/20) bei 51 Videos (das meistgeklickte Erklärvideo: „Einrichtung der Sparkassen App“ mit rund 313 000 Abrufen).
Jedoch konzentriert sich die Sparkasse auf deutschsprachige Inhalte, bei vielen anderen (oft vermehrt international aufgestellten bzw. operierenden) Instituten finden sich neben deutsch- auch englischsprachige Videos auf dem Channel. Das erklärt etwa die hohe Anzahl an Videos der Deutschen Bank.
Eine Übersicht:
- Deutsche Bank
Abonnenten: 24 700
Channel besteht seit: 2008
Videos: 1224
Meistgeklicktes Erklärvideo (deutsch): „Was Anleger wissen müssen – Jahresausblick 2018“ (1,7 Millionen Aufrufe, Stand: 09/20)
- Volksbank- und Raifeisenbank
Abonnenten: 5710
Channel besteht seit: 2009
Videos: 175
Meistgeklicktes Werbevideo „Wir sind für sie da“ (2,6 Millionen Aufrufe, Stand: 09/20) – klassische Erklärvideos finden sich auf dem Volksbank-Kanal nur wenige
- Commerzbank
Abonnenten: 5330
Channel besteht seit: 2013
Videos: 1023
Meistgeklicktes Erklärvideo: „Das Commerzbank photoTAN-Verfahren“ (418 000 Abrufe, Stand: 09/20)
- Postbank
Abonnenten: 4270
Channel besteht seit: 2012
Videos: 30
Meistgeklicktes Erklärvideo: „Erklärvideo – Postbank Best SignApp“ (278 459 Aufrufe, Stand: 09/20)
- Hypovereinsbank
Abonnenten: 3580
Channel besteht seit: 2007
Videos: 235
Meistgeklicktes (deutsches) Erklärvideo: „Immobilienfinanzierung einfach erklärt“ (48 470 Aufrufe, Stand: 09/20)
Zum Vergleich die Digitalbanken:
- N26
Abonnenten: 9450
Channel besteht seit: 2015
Videos: 212
Meistgeklicktes (deutsches) Erklärvideo: „So bestätigst du deine Identität bei N26“ (125 576 Aufrufe, Stand: 09/20)
- Revolut
Abonnenten: 13900
Channel besteht seit: 2015
Videos: 101
Meistgeklicktes (englischsprachiges) Werbevideo: „The Making of Revolut Metal“ (1 Millionen Aufrufe, Stand: 09/20)
Auch Interviews mit Experten (etwa mit Mobile Payment-Praktikern) finden sich auf dem Youtube-Kanal von Sparkasse. Frei von inhaltsleeren Werbefilmchen und Videos, die die eigenen Produkte präsentieren, ist natürlich auch der Sparkassen-Account nicht. Denn gewiss nutzen auch Banken ihren Account für das Platzieren ihrer Produktbewerbungen, wie es alle Unternehmen aus anderen Branchen ebenso tun. Dennoch gibt es in der Qualität der Kanäle deutliche Unterschiede.
“In der Qualität der Youtube-Kanäle gibt es deutliche Unterschiede.”
Und im Setzen der inhaltlichen Schwerpunkte: So baut die Volksbank-Raiffeisenbank – aktuellen Ereignissen geschuldet – mit ihrer Video-Reihe „#Nachbarschaftsbanken“ vor allem auf Beiträge, in denen Filialleiter unterschiedlicher VR-Bank-Niederlassungen ihren Kunden Tipps im Umgang mit der Coronakrise geben. Die Postbank zum Beispiel verzeichnet aktuell zwar nur 30 Videos im Upload-Bereich – der Anteil informativer Erklärvideos (im Vergleich zu Werbe- und TV-Spots sowie reinen Imagefilmen) aber ist sehr hoch: Von den 30 Videos sind weit über die Hälfte Erklärvideos.
Fazit:
Ohne das Portal Youtube als die führende, reichweitenstärkste Video-Plattform geht es nicht. Youtube-Kampagnen als eigenständiger Marketingkanal werden immer wichtiger. Das gilt insbesondere für die Banken, die mit kreativen Bewegtbild-Inhalten einen neuen, einfacheren Zugang zu einer ohnehin schwer zu erreichenden Zielgruppe (die digitalaffine Jugend bzw. die „digtal Natives“) etablieren können. Sie haben die Möglichkeit, mit spielerischen, phantasievoll aufbereiteten Videos zu Themen, die von vielen als trocken und „unsexy“ wahrgenommen werden (Altersvorsoge, Anlage, Sparen, Aktien), zu punkten. Inklusive Mehrwert, Tipps und Tricks. Denn längst lebt der Content auf Youtube nicht nur von locker-leichter, einfach zu konsumierender Unterhaltung. Nutzwertige Service-Inhalte, Experten-Interviews, fundierte Ratgeber-Videos, Information und Bildung sind im Jahr 2020 genauso wichtig.