Embedded Finance oder wie Banken ihre Rolle verlieren könnten!

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Die Finanzbranche hat in den vergangenen 20 Jahren zwei grundlegende Veränderungen erlebt, die das Verständnis der Branche von ihren Aufgaben sehr stark verändert hat. Doch im Vergleich zu dem, was sich jetzt ankündigt, war das nur ein Vorspiel. Embedded Finance treibt die Veränderung maßgeblich voran.

Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung, so ein beliebtes Bonmot des griechischen Philosophen Heraklit. Das gilt auch für so ziemlich jeden Wirtschaftssektor. Wir kennen das aus der fertigenden Industrie, die aktuell ihre vierte Revolution durchläuft: Nach der Dampfmaschine, der Massenfertigung und der Elektronik kommt nun die Digitalisierung. Und wir kennen es auch aus der Finanzbranche, obwohl die passenden Schlagworte fehlen. Von „Finance 4.0“ sprechen die Wenigsten.

Embedded Finance könnte die klassische Rolle der Banken ablösen

Zu Unrecht: Denn spätestens seit der Jahrtausendwende unterliegt auch unser Bereich regelmäßig grundlegenden Veränderungen, auf das klassische Bankengeschäft folgten seitdem mindestens zwei Umwälzungen. Und gerade kündigt sich mit Wucht die nächste an. Es ist eine Umwälzung, die am Ende dazu führen könnte, dass die Banken ihre klassische Rolle komplett verlieren könnten. Ich spreche von Embedded Financial Services, einem Markt, der in nicht allzu ferner Zukunft hunderte Milliarden US-Dollar umfassen wird. Für die Kunden bedeutet das mehr Komfort im Umgang mit Finanzdienstleistungen. Und für die Unternehmen läutet es einen Kampf um gute Platzierungen ein, um in der neuen Finanzwelt vorne mit dabei zu sein.

Auf eine Revolution folgt die nächste

Der Schritt zu Finance 2.0 erfolgte um die Jahrtausendwende. Damals ging es noch gar nicht um eine grundlegende Disruption, sondern vor allem darum, Prozesse zu vereinfachen. Das hieß: digitalisieren. In der Sitcom „Silicon Valley“ gibt es den Charakter Russ Hanneman, einen Tech-Milliardär, der bei jeder Gelegenheit verkündet, er habe „Radio ins Internet gebracht“. Und auch wenn die Figur in der Serie eher ein Unsympath ist: Diese Idee – Dinge ins damals noch recht neue Netz zu übertragen – trieb auch die erste Finanzrevolution an. Das prominenteste Beispiel hierfür ist sicher Paypal. Firmen dieser Zeit zeigten vor allem beim Zahlungsverkehr: Es braucht keine Bank mehr, um Zahlungen abzuwickeln, Payment funktioniert viel einfacher online.

Es folgte die nächste Revolution, die unter dem Begriff „Unbundling “ lief. Ab etwa 2013 trieben FinTechs diesen Trend voran. Der bestand darin, dass sich immer mehr Spezialisten fanden, die in einzelnen Bereichen den Generalisten der alten Finanzwelt überlegen waren. Seit dieser Zeit gibt es Neobanken, die sich auf klassische Girokonten und Kreditkarten fokussieren. Es gibt Neobroker, die den Handel mit Aktien per App anbieten. Und es gibt Finanzdienstleister, die das Kreditgeschäft abwickeln, sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmenskunden. Die Älteren werden sich erinnern: Früher gab es all diese Services aus einer Hand, bei der eigenen Bank. Diese Entwicklung zeigte den Verbrauchern, dass es nicht zwangsläufig das rote S mit dem Punkt oder den blauen Schrägstrich im Kasten braucht, wenn es um Geld leihen, verwalten oder investieren möchte.

Der nächste Schritt durch Embedded Finance Lösungen

Diese beiden Revolutionen sind nicht das Ende der Geschichte, sondern haben lediglich das Fundament gelegt für das, was jetzt kommt. Embedded Financial Services sorgen heute bereits für rund 43 Milliarden US-Dollar Umsatz, bis 2025 könnte dieser Markt auf 230 Milliarden US-Dollar wachsen. Der Unternehmensberater Simon Torrance prognostizierte für das Jahr 2030 sogar sieben Billionen US-Dollar Marktwert. Der aktuelle „Buy Now, Pay Later“-Boom ist dabei nur der Anfang.

Embedded Finance bedeutet im Kern, dass jedes Unternehmen Finanzdienstleistungen anbieten kann, ob mit oder ohne Banklizenz, ob mit oder ohne Erfahrung in dem Segment. In der Praxis kann das dann bedeuten: Den nächsten Kredit hole ich mir bei Amazon, wenn ich meinen neuen Fernseher kaufe, mein Girokonto habe ich bei DM, meine Vollkasko-Versicherung schließe ich bei BMW ab.

Grenzen verschwinden dank APIs und Open Banking

Die Grenze zwischen Finanzindustrie und anderen Branchen verschwindet zunehmend. Möglich machen das mehr APIs, Open Banking und das Aufkommen von Banking-as-a-Service (BaaS).

Das ist auch der wesentliche Unterschied zu Modellen wie den Autobanken, über die zum Beispiel Volkswagen oder Daimler seit Jahren, teilweise Jahrzehnten, ihr Fahrzeug-Leasing-Geschäft abwickeln. Denn dank BaaS brauchen Unternehmen keine Banklizenz mehr, um solche Angebote zu bieten.

Das hilft allen Teilnehmern einer Transaktion.

Der Kunde dankt’s

Verbraucher freuen sich über den gestiegenen Komfort. Bei großen Anschaffungen können sie zukünftig die Finanzierung aus einer Hand bekommen, eventuell sogar noch eine passende Versicherung, anstatt dafür zwei andere Firmen einbinden zu müssen.

Die Unternehmen können mehr für ihre Kundenbindung tun. Gleichzeitig erhöhen sie ihre eigenen Umsätze. Denn wenn der Verbraucher beim Kühlschrankkauf direkt das passende Finanzierungsangebot bekommt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er auch wirklich den Kauf abschließt. Schon BNPL-Firmen versprechen eine deutlich gesteigerte Conversion im Einkauf.

Und Online-Marketplaces, die ihren Händlern zum Beispiel Zwischenfinanzierungen anbieten, helfen diesen dabei, ihr Geschäft zu skalieren, wovon sie wiederum profitieren. Dadurch, dass sie „nur“ existierende Kunden umwandeln, anstatt komplett neue zu werben – wie ein Finanzdienstleister – haben sie bei Finanzdienstleistungen deutlich niedrigere Akquisitionskosten, womit sich die Embedded Financial Services für sie auch deutlich schneller amortisieren.

Längst haben auch Geldgeber dieses Potenzial erkannt, die Wagniskapitalzuflüsse allein in Europa haben sich dieses Jahr im Vergleich zu 2020 verdoppelt. Firmen wie Rapyd oder Mambu erreichen mittlerweile Milliardenbewertungen. In den USA sind Anbieter wie Shopify Capital, Stripe und Moov Financial längst etabliert und zeigen, wohin die Reise auch hierzulande gehen kann.

Welche Unternehmen die Vorreiter im Bereich Embedded Finance sind und welche es noch werden könnten: In meiner nächsten Kolumne.

Autor

  • Miriam Wohlfarth ist Unternehmerin, Aufsichtsrätin und Beirätin. 2009 hat sie das Payment Unternehmen Ratepay gegründet und war dort bis zum Okt 2021 Geschäftsführerin. 2020 hat sie das Fintech Banxware mitgegründet und ist dort Co-CEO und GF. Seit 2016 ist Miriam Gesellschafterin bei Payment & Banking. Sie ist außerdem Aufsichtsrätin bei Daimler Mobility AG, Freenet AG und talentsconnect AG. Weiterhin engagiert sie sich ehrenamtlich als Mitglied im Digital Finance Forum de Bundesfinanzministeriums, als Gesellschafterin bei Startup Teens e.V., als Beirätin der Programmierschule School 42 und im Kuratoriums Vorsitz des Bundesverband Deutsche Startups.

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